gms | German Medical Science

50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Responseraten und Nicht-Teilnahmegründe in einer älteren Allgemeinbevölkerung nach Alter, Geschlecht, Telefonstatus und Rekrutierungsschritten

Meeting Abstract

  • Karin Halina Greiser - Inst. f. Med. Epidemiologie, Biometrie & Informatik (IMEBI), Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
  • Alexander Kluttig - Inst. f. Med. Epidemiologie, Biometrie & Informatik (IMEBI), Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
  • Barbara Schumann - Inst. f. Med. Epidemiologie, Biometrie & Informatik (IMEBI), Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
  • Johannes Haerting - Inst. f. Med. Epidemiologie, Biometrie & Informatik (IMEBI), Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg, Halle (Saale)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds067

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2005/05gmds217.shtml

Veröffentlicht: 8. September 2005

© 2005 Greiser et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Für bevölkerungsbasierte epidemiologische Studien ist die Erreichung einer hohen Responserate essentiell, um valide und verallgemeinerbare Ergebnisse erzielen zu können. In den letzten Jahren gestaltete es sich zunehmend schwierig, die angestrebte Responserate (>70%) zu erreichen. Um zufrieden stellende Teilnahmeraten mit vertretbarem Aufwand zu gewährleisten ist eine Optimierung der Rekrutierungsstrategie erforderlich. Voraussetzung hierfür ist die Kenntnis zielgruppenspezifischer Teilnahmekriterien (Responsekriterien) und die Erreichbarkeit über unterschiedliche Kontaktmodi. Da bisher nur wenige Informationen über das spezifische Response-Verhalten, dessen Abhängigkeit vom Kontaktierungsmodus und den Rekrutierungsaufwand in der älteren Allgemeinbevölkerung vorliegen, ist das Ziel der vorliegenden Untersuchung die Analyse der Responseraten und Nicht-Teilnahmegründe in einer älteren Allgemeinbevölkerung.

Material und Methoden

Datenbasis für die vorliegenden Responseanalysen stellt die noch laufende herz-kreislauf-epidemiologische CARLA-Studie dar, die eine repräsentative Stichprobe der Hallenser Allgemeinbevölkerung im Alter von 45-80 Jahren untersucht (angestrebte Teilnehmerzahl: 1.750 Personen). Die zufällig aus dem Melderegister gezogenen Einwohner werden sukzessive in Wellen von ca. 120 Personen zu einer 3-4-stündigen Untersuchung eingeladen. Die Rekrutierungsschritte umfassen hierbei je nach Vorliegen einer bekannten Telefonnummer der potentiellen Studienteilnehmer 1. ein erstes Einladungsschreiben, 2. eine aktive Telefonkontaktierung der Angeschriebenen durch Studienmitarbeiterinnen oder die Rücksendung einer Rückantwortkarte bzw. Telefonanruf durch den potentiellen Studienteilnehmer, 3. ein Erinnerungsschreiben, 4. einen Hausbesuch mit dem Ziel der Terminvergabe für die Untersuchung oder Ermittlung der Nicht-Teilnahmegründe des Kontaktierten. Je nach aktuellem Kontaktergebnis wurden die Angeschriebenen als Ausschlüsse, Verweigerer, untersuchte Studienteilnehmer oder Offene definiert. Wir führten eine Analyse der Responseraten nach Alter, Geschlecht und Telefonstatus der Angeschriebenen sowie nach Rekrutierungsschritt und Dauer seit dem ersten Einladungsschreiben durch. Hierfür wurden Responseraten in der seit Beginn der Rekrutierung im Dezember 2002 weitgehend aufgearbeiteten ersten Hälfte der Einladungswellen mit der zweiten Hälfte verglichen, die noch eine große Anzahl nicht erreichter „offener“ potentieller Studienteilnehmer enthält. Außerdem führten wir eine Analyse der Nicht-Teilnahmegründe nach Alter und Geschlecht durch.

Ergebnisse

Bis zum 08.03.2005 wurden insgesamt 2.688 Personen schriftlich zur Untersuchung eingeladen. Für 38% der Angeschriebenen konnte keine Telefonnummer ermittelt werden (kein Telefonbucheintrag), so dass als aktiver Kontaktmodus vom Studienzentrum aus nur Briefe und Hausbesuche in Frage kamen.

In der ersten Hälfte der Anschreibenwellen (N=1.525 in Welle 1-12 bis Mai 2004 Angeschriebene) liegt der Anteil der Offenen bei nur noch durchschnittlich 2%. In dieser weitgehend abgearbeiteten Stichprobe steigt die Ausschlussrate auf bis zu 39% bei den >74-jährigen Frauen. Der Anteil der Verweigerer liegt am höchsten bei den 45-54- und 65-74-jährigen Frauen (32 bzw. 33,5%) im Vergleich zu höchstens 28% bei den 45-54-jährigen Männern. Die Teilnahmeraten der Frauen liegen in allen Altersgruppen deutlich unter denen der Männer. Die niedrigsten Teilnahmeraten finden sich bei den >74-jährigen Frauen mit 31,4% Untersuchten (Männer: 44,8%), die höchsten bei den 55-64-jährigen Männern mit 65,6% (Frauen: 59,5%).

Von den Angeschriebenen mit bekannter Telefonnummer konnten in der bis auf 1,4% Offene weitgehend abgearbeiteten ersten Hälfte der Anschreibenwellen ca. 96% über die ersten beiden Rekrutierungsschritte (1. Anschreiben + Telefonkontakt) den Responsekategorien Untersuchte, Verweigerer bzw. Ausschluss zugeordnet werden. Bei den Personen ohne bekannte Telefonnummer konnten weniger als 40% über das 1. Anschreiben zugeordnet werden, ca. 34% mussten per Hausbesuch abgearbeitet werden, und 3,4% blieben bis zum 15.03.2005 offen. Dies stellt im Vergleich zur Telefonrekrutierung bei Personen mit ermittelbarer Telefonnummer einen erheblichen zeitlichen, personellen und finanziellen Mehraufwand dar. Das Rekrutierungsergebnis selbst unterscheidet sich nicht so gravierend (55,7% Untersuchte, 28,3% Verweigerer, 14,7% Ausschlüsse bei Personen mit Telefon im Vergleich zu 50,7%, 26,2% und 19,8% bei Personen ohne bekannte Telefonnummer).

Der Arbeitsaufwand für die Zuordnung zu einem endgültigen Responsestatus hängt somit wesentlich von der Verfügbarkeit einer Telefonnummer ab und unterscheidet sich außerdem auch nach erreichtem Responsestatus. Potentielle Studienteilnehmer mit bekannter Telefonnummer können zu >90% im ersten Rekrutierungsschritt (1. Anschreiben + Telefonkontakt) als Untersuchte, Verweigerer oder Ausschlüsse zugeordnet werden (98%, 95% und 92% aller Untersuchten, Verweigerer bzw. Ausschlüsse). Unter den erst über Hausbesuche erfolgreich Kontaktierten mit bekannter Telefonnummer befanden sich ca. 5% der Verweigerer, 1% der Untersuchten bzw. 2% der Ausschlüsse.

Unter den Angeschriebenen ohne bekannte Telefonnummer konnten zwar 57% der Untersuchten über das erste Anschreiben gewonnen werden, aber für >16% musste ein Hausbesuch durchgeführt werden, um sie als Studienteilnehmer rekrutieren zu können. Noch ungünstiger war das Verhältnis bei den Verweigerern und Ausschlüssen ohne bekannte Telefonnummer. Nur <10% der Verweigerer und <35% der Ausschlüsse konnten mit dem ersten Anschreiben identifiziert werden. Über 70% der Verweigerer und > 45% der Ausschlüsse konnten erst in der Hausbesuchsphase zugeordnet werden.

Bei Betrachtung der letzten zehn Anschreibenwellen (ab Mitte 2004) fällt ein besonders hoher Anteil an Offenen bei den <55-Jährigen auf (ca. 39% Männer und Frauen), der auf besonders große Probleme der Erreichbarkeit bei den Berufstätigen hinweist.

Bei den Nicht-Teilnahmegründen zeigt sich, dass vor allem die jüngeren Altersgruppen „keine Zeit“, oder „ohne Angabe von Gründen“ als Verweigerungsgründe angaben, während mit zunehmendem Alter häufiger „schon in guter ärztlicher Betreuung“ als Nicht-Teilnahmegrund angegeben wurde. Bei den Ausschlüssen ist ein mit dem Alter dramatisch ansteigender Anteil von Personen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Untersuchung teilnehmen konnten, auffällig (58% bzw. 72% der 65-74-jährigen ausgeschlossenen Männer bzw. Frauen und 66% bzw. 79% der >74-jährigen Männer und Frauen).

Diskussion / Schlussfolgerung

Die größten Probleme der Erreichbarkeit finden sich bei der berufstätigen Bevölkerung, was bei der Planung der Kontaktierungs- und Untersuchungszeiten berücksichtig werden muss. Eine besondere Problemgruppe mit einem hohen Anteil an Verweigerern und Ausschlüssen stellt die Gruppe der älteren Frauen dar, für deren Studienteilnahme zielgruppenspezifische Rekrutierungsstrategien entwickelt werden müssen.

Die Analyse der Nicht-Teilnahmegründe weist auf ein besonderes Problem bei der Motivation jüngerer Personen zur Studienteilnahme und auf Multimorbidität als Problem bei der Rekrutierung vor allem in der älteren Allgemeinbevölkerung hin, was zu systematischen Verzerrungen der Studienpopulation im Vergleich zur Ausgangsbevölkerung führen kann.

Zur Erreichung einer hohen Teilnahmerate in der Allgemeinbevölkerung ist eine aktive, über schriftliche Einladungsschreiben hinausgehende Rekrutierungsstrategie unverzichtbar, da ein großer Teil der Angeschriebenen erst über die aktive Telefonkontaktierung zur Studienteilnahme bewegt werden kann. Darüber hinaus muss bei einer großen Anzahl von Personen ohne bekannten Telefonanschluß ein erheblicher Aufwand mit Durchführung von zeit-, personal- und kostenintensiven Hausbesuchen betrieben werden, da ein erheblicher Teil der potentiellen Studienteilnehmer nur über diesen Weg für die Untersuchung gewonnen werden kann (in der CARLA-Studie > 16% der Untersuchten ohne vorab bekannte Telefonnummer). Dieser aufwendige Rekrutierungsschritt ist sinnvoll vor allem für Studien mit dem Ziel der Bevölkerungsrepräsentativität und liefert auch notwendige Informationen für die korrekte Zuordnung der Verweigerer und Ausschlüsse für die Berechnung der Responsestatistik sowie Informationen für weitergehende Non-Responder-Analysen.