gms | German Medical Science

50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Soziale Schicht und Übergewicht - Ergebnisse des Mikrozensus

Meeting Abstract

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  • Michael Häfelinger - Robert Koch-Institut, Berlin
  • Thomas Lampert - Robert Koch-Institut, Berlin
  • Thomas Ziese - Robert Koch-Institut, Berlin

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds422

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/gmds2005/05gmds078.shtml

Veröffentlicht: 8. September 2005

© 2005 Häfelinger et al.
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Gliederung

Text

Einleitung und Fragestellung

Die Zunahme von Übergewicht und Adipositas gehört aus epidemiologischer Sicht zu einer der problematischsten aktuellen Entwicklungen in den Industrieländern. Übergewicht ist zwar für sich genommen keine Krankheit, aber neben den unmittelbaren orthopädischen Folgen wird es als Risikofaktor für viele chronische Krankheiten und Gesundheitsstörungen wie z.B. Hypertonie, koronare Herzkrankheiten, Schlaganfall, Hyperlipidämie und Diabetes mellitus verantwortlich gemacht.

Bei der Analyse der Einflussfaktoren können genetische Dispositionen oder altersspezifische physiologische Veränderungen die Verteilung nicht hinreichend erklären. Verhaltensweisen wie Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten spielen eine wesentliche Rolle. Diese sind jedoch erlernt und schichtspezifisch geprägt.

Dieser Zusammenhang zwischen sozialer Schicht und der Verbreitung von Übergewicht wird anhand der Daten der Mikrozensen 1999 und 2003 untersucht. Neben den Befunden zeigt der Beitrag damit die Möglichkeiten auf, die der Mikrozensus als Datenquelle für epidemiologische Analysen eröffnet.

Material und Methoden

Der Mikrozensus ist eine seit 1957 jährlich durchgeführte Befragung einer 1%-Stichprobe der deutschen Haushalte. Die erhobenen Daten sind wegen der hohen Responserate infolge der gesetzlichen Verpflichtung zur Teilnahme als qualitativ hochwertig einzuschätzen. Mit der hohen Fallzahl von 820.000 befragten Personen gehen die Möglichkeiten der Analyse weit über andere Studien hinaus.

Aufgrund des Charakters als Haushaltsbefragung werden Merkmale der sozialen Schicht sehr dezidiert erfasst. In einer freiwilligen 50%-Substichprobe werden in 4-Jahres-Abständen (zuletzt 2003) Körpergröße und Gewicht sowie andere gesundheitsrelevante Merkmale erfasst. Diese Querschnittsdaten erlauben eine detaillierte Analyse der Verteilung des BMI nach sozialer Schichtzugehörigkeit.

Ergebnisse

Gemessenen in den Grenzwerten der WHO ist die Prävalenz von Übergewicht 2003 gegenüber 1999 gestiegen. Männer sind dabei stärker betroffen als Frauen: 58% der erwachsenen Männer und 41% der erwachsenen Frauen haben einen BMI über 25, der als übergewichtig gilt. Die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas steigt mit dem Alter. Über 60-Jährige sind in Deutschland zu fast zwei Dritteln übergewichtig, wobei Frauen dieser Altersgruppe in höherem Maße als Männer adipös sind.

Neben der Geschlechter- und Altersspezifik ist ein erheblicher sozialer Gradient zu beobachten. Werden Personen anhand der drei zentralen Merkmale Einkommen, Bildung und Beruf einer Unter-, Mittel- oder Oberschicht zugeordnet, so sind fast in allen Altersgruppen deutlich höhere Anteile in der Unterschicht adipös. Dies gilt insbesondere für Frauen aus der Unterschicht, bei denen die Adipositas-Prävalenz gegenüber Oberschicht-Frauen fast doppelt so hoch ist.

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen anhand der Verbreitung von Übergewicht und Adipositas, wie sehr die soziale Schicht die gesundheitliche Lage determiniert. Die wichtige Rolle, die dieser Risikofaktor für stark beeinträchtigende Erkrankungen einnimmt, ist zum einen ein Ansatz, wie sozialstrukturell bedingte Unterschiede in den Krankheitshäufigkeiten erklärt werden können. Zum anderen liegt es nahe anzunehmen, dass das soziale Umfeld die relevanten Verhaltensweisen wie Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten prägt. Dies verdeutlicht die Bedeutung der sozialen Schicht bei der Bestimmung von Zielgruppen der Prävention. Die verfeinerte Analyse mit Hilfe des Mikrozensus ermöglicht eine präzisere Abgrenzung der Gruppen und kann damit ein Beitrag sein, die Erfolgschancen der Prävention zu verbessern.


Literatur

1.
Lampert T, Ziese T. Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit. Expertise des Robert Koch-Instituts zum 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. Bonn: Bundesministerium für Gesundheit und Soziales 2005
2.
Mensink GBM, Lampert T, Bergmann E. Übergewicht und Adipositas in Deutschland 1984-2003. Das Gesundheitswesen 2005; 67 (im Druck)
3.
Robert Koch-Institut: Übergewicht und Adipositas. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 16. Berlin: RKI 2003.