gms | German Medical Science

EbM in Qualitätsmanagement und operativer Medizin
8. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin e. V.

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

22.03. - 24.03.2007 in Berlin

Die Rolle der externen und internen Evidenz beim Qualitätsmanagement in der analytischen Psychotherapie

Meeting Abstract

Suche in Medline nach

  • corresponding author presenting/speaker Horst Kaechele - University of Ulm Psychosomatic Medicine and Psychotherapy, Ulm, Deutschland

EbM in Qualitätsmanagement und operativer Medizin. 8. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin e. V.. Berlin, 22.-24.03.2007. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2007. Doc07ebm050

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/ebm2007/07ebm050.shtml

Veröffentlicht: 15. März 2007

© 2007 Kaechele.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Gliederung

Text

Hintergrund

Die Einführung der analytischen Psychotherapie im Jahre 1967 war von Anfang an mit einem qualitätssichernden Merkmal verbunden, das als solches damals zwar nicht benannt wurde, wohl aber die Kriterien eines solchen erfüllte, wie die aktuelle Diskussion zeigt (Rudolf et al 2002). In diesem Begutachtungsverfahren muss der Therapeut im Namen des antragstellenden Patienten eine differenzierte Stellungnahme abgeben, warum bei einer umschriebenen Symptomatik und zugrunde liegender biographischer Entwicklung eine psychodynamisch - unbewusste Konfliktkonstellation als motivational-erklärende Basis für die Symptomatik plausibilisiert werden kann. Die in der Aus- und Weiterbildung zu vermittelnde Fähigkeit, einen solchen Gutachtentext zu erstellen, lässt sich gut um die fünf Schritte der Schulung in EBM-basiertem Denken erweitern.

Methoden

Der erste Schritt fokussiert auf den Erwerb der Fähigkeit, eine klinisch relevante und beantwortbare Frage zu stellen (Porzsolt & Sellenthin 2000). Zum Beispiel begegnet der Therapeut einer 40jährigen Frau mit einer sog. Spät-Anorexie – ein quantitativ nicht häufiges Krankheitsbild. Die nahe liegende Frage lautet: welche Form der Psychotherapie ist für diese Frau evidenz-basiert und auf welcher Evidenzstufe liegt diese vor?

Im zweiten Schritt ist die externe "evidence" zur Beantwortung der Frage aufzusuchen. Auch Psychotherapeuten können heutzutage moderne Informationsquellen (Datenbanken) nutzen. Die Ergebnisse der einschlägigen Suche zeigen nun, dass generell das Krankheitsbild der Anorexie aus vielen Gründen nur relativ selten Gegenstand von RCT-Designs geworden ist (Vandereycken 1984; [1]); wohl aber sind niedrigere Evidenzstufen gut abgedeckt [2]. Außerdem zeigt ein Rückgriff auf Einzellfallberichte, die klinisches Expertenwissen transportieren, einen umfangreichen Erfahrungsschatz (Köhle et al. 2003).

Bewertet man nun im dritten Schritt die vorgefundene externe Evidenz, so zeigt sich, dass der Anwendungsbereich der gefundenen Studien das Alter und die psychosoziale Situation der Patientin nicht zutreffend berücksichtigt. Denn alle Studien beziehen sich auf jugendliche anorektische Patientinnen; Spät-Anorexie als ein doch rel. seltenes Ereignis stellt den Therapeut vor ein Problem, das im

vierten Schritt unter Nutzung der internen Evidenz des Therapeuten zu lösen ist. Unter interner Evidenz sind alle spezifischen Informationen zu verstehen, die ein erfahrener Arzt durch Anamnese und klinische Untersuchung gewinnen kann, und in die unvermeidlich seine klinischen Erfahrungen eingehen, wofür Thomä & Kächele (2006, Kap. 9) ein Beispiel geben. Es dürfte jedoch nicht nur eine Besonderheit der person-zentrierten Tätigkeit des analytischen Psychotherapeuten sein, der internen Evidenz eine bedeutende Rolle zukommen zu lassen. Generell lassen sich für komplexe Rahmenbedingungen bei multimorbiden Störungen selten zutreffende Antworten aus Studien mit einem hohen Grad von Evidenz finden. Hinzu kommt nun, dass der Erfolg einer psychotherapeutischen Intervention nur bedingt durch die Art der Störung begründet werden kann (Wampold 2001), weshalb es im gewählten Beispielsfall zu diesem Zeitpunkt notwendig wäre, Fragen der Motivation zur Veränderung ins Kalkül zu ziehen [3].

Ergebnisse

Als wesentliche Botschaft des EBM-Paradigmas für die Qualitätssicherung psychotherapeutischer Behandlungen scheint mir, - im letzten und fünften Schritt -, das am Patienten erzielte Ergebnis kurz- und langzeit-katamnestisch zu bewerten. Nur dann können die Verflechtungen von externer und interner Evidenz sachgerecht gewichtet werden.


Literatur

1.
Herzog D, Keller M, Lavori P. Outcome in anorexia nervosa and bulimia nervosa. A review of the literature. J Nerv Ment Dis. 1988;176:131-43.
2.
Herzog T. Stand der vergleichenden Therapieforschung bei Anorexia nervosa - Ergebnisse einer systematischen Literaturübersicht. In: Gaspar M, Remschmid H, Senf W (Hrsg). Forschungsperspektive bei Eßstörungen. Sternenfels Berlin: Verlag Wissenschaft und Praxis; 1997.
3.
Kächele H, Kordy H, Richard M, Study Group TR-EAT. Therapy amount and outcome of inpatient psychodynamic psychotherapy of eating disorders. Results of a multi center study across Germany. Psychotherapy Research. 2001;11:239-57.