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Kann ein Unfall schon in der Entstehung verhindert werden? Analyse der Pre-Crash-Phase von 600 Unfällen aus Fahrersicht
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Veröffentlicht: | 16. Oktober 2008 |
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Fragestellung: Eine Auswertung der u. a. aus den Mitteln der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) geförderte und für Deutschland repräsentative German In-Depth Accident Study (GIDAS) - Datenbank ergab, dass über 93% der Verkehrsunfälle auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen sind. Darüber hinaus ist durch die Verkehrspsychologie belegt, dass der Sehsinn des Menschen am Meisten zur Erfassung der Verkehrssituation beiträgt. Daher stellt sich die Frage, welche Prozesse der menschlichen Wahrnehmung und Handlungsausführung während der Fahraufgabe fehlerhaft sind und inwieweit diese z.B. durch das Altern bedingt, normativ zur Unfallentstehung beitragen.
Methodik: Um das im Rahmen der Studie berichtete Erleben der Unfallbeteiligten zu bewerten, wurde ein Fehlermodell in Anlehnung an das Modell von Rasmussen entwickelt, welches in 5 Schritten die Aussagen der Untersuchungsteilnehmer analysiert. Ausgangspunkt der Analyse ist die Wahrnehmung des Unfallbeteiligten während der Unfallentstehung und das daraus resultierende Verhalten (Reaktion). Dieses Vorgehen bei der Fehleranalyse erlaubt es, zwischen Auslassungen beim Erkennen der Situation und/oder der ausgeführten Handlung zu unterscheiden und entsprechend auch zu gewichten. Dazu wurden Unfallbeteiligte in einem Flächenstaat seit dem Jahr 2002 standardisiert befragt.
Ergebnisse: Bis dato konnten mehr als 600 Fahrer in die Auswertung eingehen. Das Ergebnis zeigt, dass die häufigste Unfallursache das „Übersehen“ von relevanten Informationen ist. Die Gründe für das „Übersehen“ sind vielfältig. Der Anteil der Personen, die auf Grund von körperlichen Einschränkungen Informationen nicht rechtzeitig erkannt haben, ist dabei gering. Vielmehr zeigt sich, dass der Fahrer in bestimmten Situationen innerhalb des komplexen Systems Straßenverkehr durch die Reizüberflutung überfordert scheint.
Schlussfolgerungen: Um Unfälle aktiv zu verhindern, sollte der Mensch auf die Assistenz von intelligenter Fahrzeugtechnik zurückgreifen können, da er die stetig komplexer werdende Umweltbedingung im Straßenverkehr nicht immer ausreichend präzise, in den zur Verfügung stehenden geringen Zeitintervallen, mit seinem Sehsinn erfassen kann. Um Hinweise für die Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen zu erhalten, ist es erforderlich, die Pre-Crash-Phase intensiver zu erforschen. Dies könnte dazu führen, dass die Anzahl an Verkehrsunfällen trotz steigender Verkehrsbeteiligung bedeutsam sinkt.