Artikel
Computersimulation komplexer ligamentärer Instabilitäten des Beckens
Suche in Medline nach
Autoren
Veröffentlicht: | 16. Oktober 2008 |
---|
Gliederung
Text
Einleitung: Instabile Beckenringfrakturen vom Typ B und C sind eindeutig definiert und werden neben den knöchernen Verletzungen durch die Aufhebung der ligamentären Integrität im hinteren Beckenring charakterisiert. Diese ligamentären Verletzungen können derzeit nur ungenau diagnostiziert werden, sind aber eine Ursache für die deutliche Diskrepanz zwischen wirklicher und computertomographisch angenommener Instabilität. Zur Identifizierung komplexer pelviner und spinopelviner Fragestellungen stellen numerische Simulationen eine Möglichkeit dar. Ein speziell entwickeltes, biomechanisch validiertes Finite-Elemente Computermodell (FEC) des Beckens wurde zur Beantwortung dieser Fragestellung genutzt.
Methode: Das FEC basiert auf einem CT-Datensatz eines human Beckens mit angerenzenden Wirbelkörpern L4-L5. Zur Integration der ligamentären Strukturen wurde der Datensatz eines 7 Tesla MRTs genutzt. Verwendet wurde ein 7 Tesla Magnet (90 cm Bohrung, Magnex, Oxford, UK) mit einer Avanto Gradienten Spule mit Sonata Gradientenverstärker (31 mT/m, 150 µs/(mT/m)) in DESS Sequenz. Bandscheiben und gelenkige Verbindungen wurden mittels Mooney-Rivlin-Stoffgesetz eingefügt. Zur Validierung wurde ein frisches humanes Kadaversemibecken in eine Materialprüfmaschine des Typs LFEM 600/100/10“ (Walter + Bai AG Löhningen, CH) kraftschlüssig eingespannt. Zur Simulation ligamentärer Instabilitäten wurden unter Berücksichtigung des Hysteresisphänomens mehrzyklische Belastungen jeweils vor und nach gezielter Ligamentresektion appliziert. Die Becken wurden über die Ableitung einer Vielstellenmessanlage beruhend auf 12 induktiven Wegaufnehmer Typ “W 10TK“ (Hottinger Baldwin) auf räumliche Verschiebungen und Spannungen untersucht. Analog zum experimentellen Versuchsetup wurden die Versuche unter gleichen Messbedingungen numerisch simuliert. Es fand die Methode der Steifigkeitsvariation statt. Verschiebungen und Stresszonen nach Ligamentausfall wurden über lokale Koordinatensysteme in x-, y- und z-Achse erfasst.
Ergebnisse: Durch die Auswertung der numerischen und experimentellen Ergebnisse konnte die Bedeutung der pelvinen Ligamenta spezifiziert werden. Insbesondere die Ligg. sacrotuberalia et sacrospinalia zeigen stärkeren Einfluss auf den elastischen Lastabtrag des hinteren Beckens als in der Literatur angegeben. Neben der Restriktion der Nutationsbewegung sind sie am horizontalen transartikulären Lastabtrag beteiligt. Eine Verletzung beider bedingt eine Zunahme der intraartikulären Beweglichkeit um 2,231mm. Diese Mikroinstabilitäten stellen eine Ursache für chronische Schmerzzustände und arthrotische Veränderungen nach instabilen Beckenringfrakturen dar.
Schlussfolgerung: Das vorgestellte FE-Modell stellt ein anatomisch exaktes, experimentell validiertes Modell zur Ausarbeitung verschiedenster Fragestellungen in der Beckenmechanik und perspektivisch zur erweiterten OP-Planung dar. Es ist systemoffen und kann auf spezielle Fragestellungen hin optimiert werden.