Artikel
Evidenzbasierte und anatomische Überlegungen zu einer neuen Repositionstechnik bei ventraler Schulterluxation
Suche in Medline nach
Autoren
Veröffentlicht: | 19. Oktober 2004 |
---|
Gliederung
Text
Fragestellung
Ventrale Schulterluxationen werden im mitteleuropäischen Raum vorwiegend nach Hippokrates oder Kocher reponiert. Dies entspricht auch der Lehrmeinung der deutschsprachigen Lehrbücher, bei diesen Methoden wurden jedoch zahlreiche Komplikationen beschrieben. Experten empfehlen daher schonendere Verfahren wie die Methoden nach Stimson oder Matsen. Viele der häufig angewendeten Techniken wurden aber bisher nicht evaluiert. Somit besteht aktuell eine erhebliche Diskrepanz zwischen gängiger Praxis, Datenlage und Expertenmeinung. Um eine wissenschaftlich fundierte Begründung für die Anwendung einer optimalen Repositionstechnik geben zu können wurde neben anatomischen Überlegungen eine systematische Literaturrecherche unternommen.
Methoden
Die Literaturrecherche wurde anhand der medizinischen Datenbank Medline ohne Beschränkungen hinsichtlich Zeitraum oder Sprache durchgeführt. Die Repositionstechniken wurden neben weiteren Parametern v.a. hinsichtlich primärer Erfolgsrate und iatrogener Komplikationen bewertet. Nach kritischer Beurteilung der Literatur wurde unter Berücksichtigung anatomischer Prinzipien ein insgesamt schlüssiges evidenzbasiertes Repositionsmanöver entwickelt und mit der prospektiven Evaluation der neuen Methode begonnen.
Ergebnisse
Es konnten 19 relevante Studien gefunden werden. Iatrogene Komplikationen wurden fast ausschließlich für die Methoden nach Hippokrates und Kocher beschrieben. Die bekannten Techniken nach Hippokrates, Arlt und Matsen wurden bisher nicht evaluiert. Die am besten evaluierten und gleichzeitig auch erfolgreichsten Methoden sind die Milch-Technik und die Skapula-Manipulation. Da auch diese Techniken einfache anatomische Prinzipien nicht berücksichtigen wurde eine Kombination aus Skapula-Manipulation und Milch-Technik unter gegenseitiger Vermeidung deren Nachteile mit dem Prinzip Skapula-Manipulation bei Overhead-Position und Ellbogenflexion als optimale Repositionstechnik entwickelt. Die Methode kann durch eine Person ausgeführt werden. Mit dieser neuen Methode konnten ab August 2003 durch den Erstautor 6 von 7 ventralen Schulterluxationen (5 traumatische Erstluxationen) ohne Narkose in weniger als 2 Minuten einfach reponiert werden. Nicht auf diese Weise zu reponieren war eine bereits 30 Stunden alte Luxation mit dislozierter Fraktur des Tuberkulum Majus. Speziell Patienten mit Rezidivluxation und entsprechenden Repositionserlebnissen waren von der einfachen Durchführung und Effektivität der neuen Methode beeindruckt.
Schlussfolgerungen
Die modifizierte Skapula-Manipulation stellt eine einfache, sehr erfolgreiche und für Arzt und Patient sehr angenehme neue Repositionsmethode bei ventraler Schulterluxation dar. Die Vorteile der Methode insbesondere gegenüber den häufig angewendeten Techniken können fundiert begründet werden. Nicht evaluierte und zudem komplikationsträchtige Methoden wie insbesondere diejenige nach Hippokrates sollten heute nicht mehr primär angewendet werden.