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67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie
89. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie
44. Tagung des Berufsverbandes der Fachärzte für Orthopädie

11. bis 16.11.2003, Messe/ICC Berlin

Massentransfusion beim Polytrauma: Gibt es eine kritische Transfusionsmenge?

Meeting Abstract (DGU 2003)

  • corresponding author Stefan Huber-Wagner - Chirurgische Klinik und Poliklinik - Klinikum Innenstadt - Ludwig-Maximilians-Universität München, Nußbaumstraße 20, 80336, München, Phone: 089/5160-2511
  • M. Qvick - Chirurgische Klinik und Poliklinik - Klinikum Innenstadt - Ludwig-Maximilians-Universität München, Nußbaumstraße 20, 80336, München, Phone: 089/5160-2511
  • K.-G. Kanz - Chirurgische Klinik und Poliklinik - Klinikum Innenstadt - Ludwig-Maximilians-Universität München, Nußbaumstraße 20, 80336, München, Phone: 089/5160-2511
  • W. Mutschler - Chirurgische Klinik und Poliklinik - Klinikum Innenstadt - Ludwig-Maximilians-Universität München, Nußbaumstraße 20, 80336, München, Phone: 089/5160-2511
  • DGU AG Polytrauma der - Chirurgische Klinik und Poliklinik - Klinikum Innenstadt - Ludwig-Maximilians-Universität München, Nußbaumstraße 20, 80336, München, Phone: 089/5160-2511

Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie. Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie. 67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, 89. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie und 44. Tagung des Berufsverbandes der Fachärzte für Orthopädie. Berlin, 11.-16.11.2003. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2003. Doc03dguA19-10

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgu2003/03dgu0140.shtml

Veröffentlicht: 11. November 2003

© 2003 Huber-Wagner et al.
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Gliederung

Text

Fragestellung

Fast jeder fünfte Polytraumatisierte erhält innerhalb der ersten 24h≥10 Erythrozytenkonzentrate (=EK), und erfüllt somit die Kriterien der Massentransfusion (=MT). MT kann pathophysiologische Reaktionen triggern, die schließlich im Organversagen enden können. Anhand einer Auswertung von 8125 Patienten mit bzw. ohne MT soll der Stellenwert der MT beleuchtet werden und die Frage beantwortet werden, ob es eine kritische Grenze für die Transfusionsmenge gibt, ab der kaum noch mit einem Überleben des Patienten zu rechnen ist.

Methoden

Anhand einer Auswertung der prospektiv erhobenen Daten von 8125 Patienten des Traumaregisters der DGU (1993-2001) wurden folgende Daten erfasst: Alter, Geschlecht, ISS, RRsyst, Hb-Wert im Schockraum (=SR); Anzahl der EK, Multiorganversagen (=MOV), Sepsis und Überlebensrate.

4 Gruppen wurden gebildet:

I. Pat. ohne MT (0-9EK/24h initial, n=7065)

II. Pat. mit MT (10-19EK/24h initial, n=658)

III. Pat. mit MT (20-29EK/24h initial, n=255)

IV. Pat. mit MT (≥30EK/24h initial, n=147)

Ergebnisse

Alter und Geschlecht variierten kaum (Alter 39 J, 71% männl.).

I: Der ISS betrug 23,4, der RRsyst am Unfallort betrug 119mmHg, im SR 124mmHg. Der Hb-Wert im SR betrug 11,6g/dl. Es wurden im Mittel 2 EK transfundiert. Bei 1881 Pat. kam es zu einem MOV (26,6%; Confidenzintervall=CI95%:25,6-27,7%), bei 599 Pat. zur Sepsis (8,4%;CI95%:7,8-9,1%). Die Überlebensrate (=ÜR) betrug 87% (CI95%:86,2-87,7%).

II: Der ISS betrug 33,3, der RRsyst am Unfallort betrug 99mmHg, im SR 103mmHg. Der Hb-Wert im SR betrug 8,8g/dl. Im Mittel wurden 13,4 EK transfundiert. Bei 340 Pat. kam es zu einem MOV (51,7%;CI95%:47,9-55,5%), bei 99 Pat. zur Sepsis (15%;CI95%:12,3-17,8%). Die ÜR betrug 65,3% (CI95%:61,7-69%).

III: Der ISS betrug 39,1, der RRsyst am Unfallort betrug 90mmHg, im SR 92mmHg. Der Hb-Wert im SR betrug 8,4g/dl. Im Mittel wurden 23,3 EK transfundiert. Bei 146 Pat. kam es zu einem MOV (57,3%;CI95%:51,2-63,3%), bei 46 Pat. zur Sepsis (18%;CI95%:13,3-22,8%). Die ÜR betrug 45,9% (CI95%:39,8-52,0%).

IV: Der ISS betrug 40,2, der RRsyst am Unfallort betrug 89mmHg, im SR 84mmHg. Der Hb-Wert im SR betrug 7,1g/dl. Im Mittel wurden 40,2 EK transfundiert. Bei 97 Pat. kam es zu einem MOV (66%;CI95%:58,3-73,6%), bei 30 Pat. zur Sepsis (20,4%;CI95%:13,9-26,9). Die ÜR betrug 40,8% (CI95%:32,9-48,8%).

Alles Mittelwerte

Schlussfolgerungen

Anhand der vorliegenden Daten lässt sich feststellen, dass mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von weniger als 5% mindestens jeder zweite polytraumatisierte Patient mit MT überlebt. Selbst bei erheblichen Transfusionsmengen (=30EK; im Mittel 40 EK!) überlebt mindestens jeder dritte Patient. Die weit verbreitete Meinung, Traumapatienten mit MT hätten eine minimale Überlebenswahrscheinlichkeit, lässt sich somit widerlegen. Eine kritische Transfusionsmenge kann nicht angegeben werden. Für Krisen und Notstandsgebiete wirft das die Frage auf, welcher Patient angesichts knapper Resourcen einer MT zugeführt wird.