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Der Wert der klinischen Untersuchung zum Ausschluss einer Beckenfraktur nach stumpfem Trauma: Eine diagnostische Meta-Analyse
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Veröffentlicht: | 11. November 2003 |
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Fragestellung
Die routinemäßige Röntgendiagnostik nach schwerem stumpfen Trauma ist in den letzten Jahren in die Diskussion gekommen. Wir untersuchten in einer Meta-Analyse diagnostischer Studien, ob die klinische Untersuchung bei V.a. Beckenfraktur hinreichend sensitiv und spezifisch ist, um eine Beckenfraktur auszuschließen.
Methoden
Über verschiedene Datenbankrecherchen (Medline, Embase, Cochrane) und Handsuchen wurden Studien gesucht, die die diagnostische Wertigkeit der klinischen Befunderhebung bei Patienten mit V.a. Beckenfraktur prüften. Die Ergebnisse der Einzelstudien wurden über Vierfeldertafeln extrahiert und über das Inverse der Varianz gewichtet. In der Meta-Analyse kamen ein Random-Effects-Modell und die summarische ROC-Kurve zur Anwendung. Über die Software MetaTest© (Version 0.6) wurden zu den Gesamtschätzern für Sensitivität und Spezifität 95%-Konfidenzintervalle (95%-KI) berechnet.
Ergebnisse
Die Daten von 12 Studien mit 5454 Patienten konnten verwendet werden und ergaben insgesamt eine Sensitivität von 90% (95%-KI 85% bis 93%) und eine Spezifität von ebenfalls 90% (95%-KI 84% bis 94%) für die Wertigkeit der klinischen Untersuchung im Erkennen von Beckenfrakturen. In allen Studien wurden die klinische Befunderhebung und die radiologische Diagnostik in ähnlicher Weise durchgeführt. Jedoch variierten die Primärstudien und ihre Ergebnisse je nachdem, ob Patienten mit eingeschränktem Bewusstsein aus- oder mit eingeschlossen worden waren: Sensitivität 92% versus 87%, Spezifität 92% versus 83%. Dagegen fanden sich keine relevanten Unterschiede zwischen pro- (n= 8) und retrospektiven (n= 4) Studien, sowie Studien an Kindern (n= 3) oder Erwachsenen (n= 9). Von den 49 falsch-negativen Fällen, in denen also die Fraktur in der Untersuchung übersehen worden war, waren der größte Teil entweder kleinere, klinisch primär irrelevante Frakturen, oder die Diagnostik war durch Begleitverletzungen beeinträchtigt worden. Lediglich drei relevante Frakturen bei wachen, kooperativen Patienten wurden übersehen, was einer Sensitivität von nahezu 100% (3 von 549) entspricht.
Schlussfolgerungen
Nach stumpfem Trauma kann auf eine radiologische Routinediagnostik des knöchernen Beckens verzichtet werden, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind: 1. Der Patient ist ausreichend ansprechbar (z.B. GCS ≥13). 2. Der Patient ist älter als drei Jahre. 3. Der Patient klagt über keinerlei Schmerzen in der Beckenregion. 4. Es finden sich keine äußeren Frakturzeichen (Deformität, Ekchymosen, Hämaturie). 5. Die Kompression des Beckens ist in beiden Ebenen schmerzfrei. 6. Die Rotation und Flexion in den Hüften ist schmerzfrei.