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Dreiländertagung D-A-CH
24. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

28. - 30.09.2007, Innsbruck, Österreich

Marburger Sprachscreening (MSS) im Vergleich mit anderen sprachdiagnostischen Tests

Comparison between Marburger Sprachscreening and other language development tests

Vortrag

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Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. Sektion Phoniatrie der Österreichischen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirugie. Schweizerische Gesellschaft für Phoniatrie. Dreiländertagung D-A-CH, 24. Wissenschaftliche Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e.V.. Innsbruck, Österreich, 28.-30.09.2007. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2007. Doc07dgppV26

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2007/07dgpp42.shtml

Veröffentlicht: 28. August 2007

© 2007 Berger et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Einleitung: In den letzten Jahren ist eine Vielzahl von sprachdiagnostischen Verfahren entwickelt worden. Sie werden mit dem Ziel eingesetzt, sprachauffällige Vorschulkinder frühzeitig zu erkennen, um rechtzeitig eine Sprachförderung oder therapeutische Maßnahme einleiten zu können. Die Diagnostikverfahren müssen möglichst Kriterien eines Screenings erfüllen, wie zeitökonomisch vertretbar sein und gleichzeitig zuverlässige Aussagen zur Sprachentwicklung erbringen können. Das MSS war im Jahre 2003 Grundlage einer Sprachstandserhebung in Hessen an über 800 Kindern im Alter von 4.0-4.6 Jahren [1] und einer Folgeuntersuchung im Jahre 2005 [2].

Methode: Das MSS beinhaltet Subtests u.a. zum Sprachverständnis, zur Sprachproduktion, zum Wortschatz, zur Artikulation, Begriffsbildung und Grammatik. Zum Validitätsnachweis des MSS erfolgte eine vergleichende Untersuchung mit anderen sprachdiagnostischen Verfahren.

79 Kinder im Alter von 4.0-5.11 Jahren wurden sowohl mit dem MSS, Teddy-Test, Reynell, Ravensburger und dem SSV überprüft [3]. Neben dem Gesamtergebnis im MSS wurden auch einzelne Items der Subteste aus dem MSS mit den aufgeführten Sprachtests verglichen.

Die statistischen Bearbeitung erfolgte mittels Cohens Kappa und dem Spearmans Korrelationskoffezienten.

Ergebnis: Die einzelnen Subtests des MSS zeigten Übereinstimmungen zwischen 86%-60% mit anderen etablierten Testen. Damit ist der Einsatz als Sprachscreening auch weiterhin zu rechtfertigen. Eine Weiterentwicklung und Optimierung des Screeningsverfahrens ist dennoch erforderlich.


Text

Einleitung

Es ist unumstritten, dass eine intakte Sprachentwicklung nicht nur die soziale, emotionale, sondern auch die kognitive Entwicklung positiv beeinflusst.

Besonders auf dem Hintergrund der bekannten PISA-Studien wurde die Forderung nach der Notwendigkeit von frühzeitiger Sprachdiagnostik von Seiten der Gesellschaft und den Sozial- und Bildungsministerien gestellt. In den letzten Jahren sind deshalb eine Vielzahl von sprachdiagnostischen Verfahren von unterschiedlichen Fachdisziplinen entwickelt worden. Ziel aller dieser Bemühungen soll eine frühzeitige Erkennung sprachauffälliger Vorschulkinder sein, um rechtzeitig eine Sprachförderung oder andere therapeutische Maßnahmen einleiten zu können.

Sprachentwicklungsgestörte Kinder werden durch Fachleute unterschiedlicher Disziplinen betreut. Die Vertreter unseres Fachgebietes sind schon lange in die Diagnostik und Therapienentscheidung von sprachentwicklungsgestörten Kindern eingebunden. Die Zuweisung zur Diagnostik hängt allerdings von anderen Ärzten oder anderen Disziplinen ab.

Oftmals erfolgt die Abklärung einer Sprachentwicklungsstörung zu spät.

Möglichkeiten der Einflussnahme einer zeitigeren Zuweisung könnte sich durch Kontakte mit anderen, auch nicht medizinischen Partnern ergeben.

Voraussetzung dafür ist die Erarbeitung von Sprach „Screening“ Verfahren, die einerseits eine hohe Trennschärfe erwarten lassen und die z. B. von Erzieher/innen durchführbar sind. Die Diagnostikverfahren müssen deshalb möglichst Kriterien eines „Screenings“ erfüllen, wie in der Durchführung zeitökonomisch vertretbar sein und gleichzeitig zuverlässige Aussagen, in diesem Fall, zur Sprachentwicklung erbringen können.

Die bisher eingesetzten Screening-Verfahren oder Sprachteste bewerten meistens nur eine spezielle sprachliche Ebene. Bei der Erarbeitung des MSS wurde der Versuch unternommen, alle sprachentwicklungsrelevanten Aspekte und damit die 4 unterschiedlichen Sprachebenen zu überprüfen. Das MSS beinhaltet Subtests u.a. zum Sprachverständnis, zur Sprachproduktion, zum Wortschatz, zur Artikulation, Begriffsbildung und Grammatik.

Im Jahre 2003 wurde das MSS Grundlage für eine Sprachstandserhebung in Hessen an über 800 Kindern im Alter von 4.0-4.6 Jahren [1] und einer Folgeuntersuchung im Jahre 2005 teilnahmen [2].

Ziel der vorgestellten Untersuchung war der Vergleich der Ergebnisse im MSS zu anderen etablierten sprachdiagnostischen Testen.

Methode

79 Kinder im Alter von 4.0-5.11 Jahren wurden sowohl mit dem MSS, Teddy-Test, Reynell, Ravensburger und dem SSV überprüft [3]. Alle Kinder waren zur Diagnostik der Sprachentwicklung bei Verdacht auf eine Sprachentwicklungsstörung oder -Verzögerung in der Klinik vorgestellt worden. Neben der Sprachdiagnostik, die immer in der gleichen Reihenfolge der Testung erfolgte, wurde bei allen Kindern eine entwicklungsbeeinträchtigende Hörstörung ausgeschlossen.

Die statistische Bearbeitung der Ergebnisse erfolgte mittels Cohens Kappa und dem Spearmans Korrelationskoffezienten.

Neben dem Gesamtergebnis im MSS wurden auch einzelne Items der Subteste (Sprachverständnis, Grammatik, Artikulation) aus dem MSS mit den aufgeführten Sprachtests verglichen.

Ergebnis

Die Untersuchung fand im Rahmen der klinischen Diagnostik statt. Alle Eltern gaben ihr Einverständnis zu der umfangreichen Überprüfung.

Die einzelnen Subtests des MSS zeigten Übereinstimmungen zwischen 86%-60% mit anderen etablierten Testen, sowohl für die Vierjährigen als auch fünfjährigen Kinder (Abbildung 1 [Abb. 1], Abbildung 2 [Abb. 2], Abbildung 3 [Abb. 3]).

Die Korrelationsberechnung weist nach, dass die Ergebnisse im MSS bezüglich des Gesamtergebnisses als auch einzelner Subtests im Vergleich mit anderer Sprachtests, sowohl für 4-Jährige als auch bei 5-Jährigen, als valide eingeschätzt werden können.

Diskussion

Die vergleichende Untersuchung des MSS mit anderen sprachdiagnostischen Verfahren erfolgte zum Nachweis der Validität des Sprach-Screenings. Bei der Entwicklung des MSS wurden wichtige Eckdaten der Sprachentwicklung als „Normdaten“ angenommen und waren Grundlage der Ergebnis-Bewertung.

Die ermittelten Ergebnisse dieser Untersuchung weisen nach, dass bereits jetzt mit den bestehenden einzelnen Items des MSS eine hohe Übereinstimmung mit den in der Diagnostik von sprachentwicklungsgestörten Kindern benutzten Test-Verfahren besteht. Besonders deutlich lässt sich das an der Übereinstimmung des SSV mit dem Gesamt MSS aufzeigen. Damit ist der Einsatz des MSS als Sprachscreening auch weiterhin zu rechtfertigen. Die Notwendigkeit der Fortentwicklung dieses Screenings und die Etablierung zu einem Test-Verfahren ist weiterhin sinnvoll und erforderlich.

Als Vorteil hat sich im Einsatz das MSS erwiesen, dass Erzieher/innen nicht nur die Durchführung selbst vornehmen können, sondern, dass sie auch die individuellen Beeinträchtigungen des Kindes erkennen. Die Möglichkeit einer positiven Intervention durch die Erzieher/innen kann sich daraus für den Kindergartenalltag ergeben.

Eine Weiterentwicklung und Optimierung des MSS zur sicheren Trennung zwischen auffällig/unauffällig ist dennoch erforderlich. Es muss außerdem kritisch hinterfragt werden, ob das Testalter zur Diagnostik von Sprachauffälligkeiten mit 4.0-4,5 Jahren gerechtfertigt ist oder ob wir nicht die Forderung nach frühzeitigerer Beurteilung der Sprachentwicklung erheben müssen. Hinweise auf Sprachentwicklungsstörungen lassen sich nach neuen Theorien zum Spracherwerb bereits mit 24 Monaten an unterschiedlichen Teilaspekten treffen [4]. Denkbar ist auch die Einbeziehung anderer für die Entwicklung bedeutender Parameter, wie die Überprüfung der Konzentrationsfähigkeit. Für unser Fachgebiet können sich daraus wichtige Aufgaben in der Früh-Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen ergeben, die intensiv genutzt werden sollten.


Literatur

1.
Berger R, Holler-Zittlau I, Dux W. Untersuchungen zum Sprachstand vierjähriger Vorschulkinder. Aktuelle phoniatrisch-pädaudiologische Aspekte 2004/2005. Bd.12.
2.
Berger R, Holler-Zittlau I. Ergebnisse einer Folgeuntersuchung der im Jahre 2003 ermittelten sprachauffälligen Vorschulkinder. 21. wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP 2004. www.egms.de/en/meetings/dgpp2004/04dgpp68.
3.
Grimm H. Störungen der Sprachentwicklung: Grundlagen - Ursachen - Diagnose - Intervention - Prävention. 2. überarbeitete Auflage. Göttingen: Hogrefe; 2003.
4.
Penner Z. Plädoyer für präventive Frühintervention bei Kindern mit Spracherwerbsstörungen. In: von Suchodoletz W, Hrsg. Therapie von Sprachentwicklungsstörungen. Stuttgart: Kohlhammer; 2002. ISBN: 3-17 017108-9. S.106-44.