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21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie

10. bis 12.09.2004, Freiburg/Breisgau

Einflussfaktoren auf die Nasalanz

Vortrag

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  • author presenting/speaker Rainer Müller - Universitätsklinikum der TU Dresden, Klinik und Poliklinik für HNO-Heilkunde, Dresden, Deutschland
  • Albrecht Niemz - Hoyerswerda, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP. Freiburg/Breisgau, 10.-12.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04dgppV36

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2004/04dgpp62.shtml

Veröffentlicht: 9. September 2004

© 2004 Müller et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Einleitung: In der Literatur sind die Angaben zu Einflussfaktoren auf die Nasalanz sehr widersprüchlich. An unterschiedlichen Probandengruppen soll daher die Bedeutung von Einflussfaktoren analysiert werden.

Methode: Bei insgesamt 180 Probanden wurde anhand von 3 Altersgruppen (Durchschnitt 14, 24, 72 Jahre), einer Cochlea-Implant- und einer Hörgerätegruppe (Durchschnitt 16 und 26 Jahre) der Einfluss von Alter, Geschlecht, Gewicht, Lautstärke, Körperstellung und Hörvermögen mit unterschiedlichen Testmaterialien untersucht.

Ergebnisse: Mit zunehmendem Alter besteht eine geringe Tendenz zur Abnahme der Nasalanz, Geschlechtsunterschiede treten erst in höherem Alter auf. Bei Frauen nimmt mit zunehmendem Alter die Nasalanz ab, bei Männern zu. Das Gewicht hat einen signifikanten Einfluss auf die Nasalanz. CI- und Hörgeräteträger weisen eine höhere Nasalanz als Normalhörige auf. Mit erhöhter Sprechlautstärke nimmt die Nasalanz in "Nasalsätzen" ab, dagegen in "Oralsätzen" zu. Retro- und Anteflexion des Kopfes führen zu Nasalanzabnahme in "Nasalsätzen", während Körperlageveränderungen keinen Einfluss haben.

Diskussion: Die Untersuchung einzelner Einflussgrößen auf die Nasalanz ist aufgrund der gegenseitigen Beeinflussung schwierig und mit der Literatur schwer vergleichbar. Die Nasalanz wird durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst.


Text

Einleitung

Die Messergebnisse der Nasalanz beim normalen Sprechen können durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst werden. Die Angaben hierzu sind in der Literatur widersprüchlich. Studien haben gezeigt, dass die Nasalanz durch die phonetische Zusammensetzung des Sprachstimulus, die Muttersprache [1], [4], regionale Dialekte [4], das Geschlecht [2], [4], das Alter [3], [4] und die Rasse [6] beeinflusst wird. Demgegenüber fanden aber Van Doorn und Purcell [8] sowie Litzow und Dalston [5] keine Geschlechts- und Altersabhängigkeiten. Watterson et al. [9] konnten keinen Einfluss der Lautstärke auf die Nasalanz nachweisen. Zajac et al. [10] zeigten, dass die Nasalanz unabhängig von der Tonhöhe, aber abhängig von den verwendeten Mikrofonen ist. Ebenso wurde kein wesentlicher Unterschied der Nasalanz von Personen mit und ohne Zahnprothesen gefunden [7]. Ziel der vorliegenden Studie ist die Analyse einzelner Einflussfaktoren auf die Nasalanz an unterschiedlichen Probandengruppen und mit verschiedenen Testmaterialien.

Material und Methode

Bei insgesamt 180 Probanden wurde anhand von 3 Altersgruppen (Durchschnittsalter 14, 24, 72 Jahre) einer Cochlea-Implant - und einer Hörgerätegruppe (Durchschnittsalter 16 und 26 Jahre) der Einfluss von Alter, Geschlecht, Gewicht, Lautstärke, Körperstellung und Hörvermögen auf die Nasalanz untersucht. Ausgeschlossen waren Personen mit Funktionsstörungen der Nasenatmung und des Gaumensegels. Die Nasalanz wurde mit dem Nasometer (Modell 6200, Fa. Kay Elemetrics Corporation Microsoft, USA) bestimmt. Über zwei durch die Nasometerplatte getrennte Richtmikrofone mit einer Dynamikbreite von 50 dB, die über eine Halterung vor Nase und Mund platziert wurden, erfolgte die Aufnahme der nasalen und oralen Schallenergie. Im Nasometer wurden die Signale durch einen 300-Hz-Breitbandfilter mit einer Zentrumsfrequenz von 500 Hz getrennt gefiltert, analog verstärkt und digitalisiert. In einem Personalcomputer erfolgte die Datenabspeicherung, Bearbeitung und Ermittlung der Nasalanzwerte. Hohe Nasalanzwerte werden bei einem hohen Anteil nasaler Schallenergie, wie bei den Nasalkonsonanten „m", „n" „ng" und niedrige Nasalanzwerte bei einem hohen Anteil oraler Schallenergie, wie bei den Vokalen erreicht. Die statistische Auswertung erfolgte als Varianzanalyse. Als Testmaterialien wurden die Vokale „a, e, i, o, u" kurz hintereinander gesprochen, die Vokale einzeln lang phoniert, die Sätze: „Die Schokolade ist sehr lecker." sowie „Nenne meine Mama Mimi!" aus dem Heidelberger Rhinophonietestbogen für Nasometeruntersuchungen und die Texte „Nordwind und Sonne", „Ein Kindergeburtstag" und ein Auszug aus dem Text „Der große Gesang" von Strittmatter verwendet. Variationen der Sprechlautstärken waren normal versus laut und kräftig. Neben der sitzenden Position wurden die zusätzlichen Körperstellungen Retroflexion und Anteflexion des Kopfes sowie Rückenlage untersucht.

Ergebnisse

Eine signifikante Altersabhängigkeit der Nasalanz wurde nicht festgestellt. Im Kindesalter ergab sich kein signifikanter Unterschied der Nasalanz zwischen den Geschlechtern. Im Jugendalter zeigte sich die Tendenz des weiblichen Geschlechtes zu einer höheren Nasalanz im Vergleich zum männlichen Geschlecht ohne jedoch signifikant zu sein. Die Nasalanz der älteren männlichen Testpersonen liegt mit 33 % signifikant über den Werten weiblicher Testpersonen, die eine durchschnittliche Nasalanz von 28 % aufwiesen. Die Sprechlautstärke hatte einen signifikanten Einfluss auf die Nasalanz. Für den Satz „Die Schokolade ist sehr lecker.", der keine Nasale enthält, nahm die Nasalanz bei erhöhter Lautstärke zu, für den Satz „Nenne meine Mama Mimi!", der viele Nasale enthält, ab. In Retro- und Anteflexion des Kopfes kam es beim hochnasalen Satz „Mimi" zu einer signifikanten Nasalanzabnahme. Die Nasalanz bei aufrechter Sitzposition und in Rückenlage unterschieden sich nicht. Das Gewicht der Testpersonen beeinflusste nicht deren Nasalanzwerte. Sowohl Hörgeräteträger als auch mit einem Cochlea Implant versorgte Testpersonen wiesen eine signifikant höhere Nasalanz als Normalhörende auf, wobei die Werte der CI-Träger gegenüber den Hörgeräteträgern noch höher lagen. Besonders auffallend war die stärkere Nasalierung der Vokale und des Satzes „Die Schokolade ist sehr lecker." bei den CI-Trägern.

Diskussion

Die Untersuchung einzelner Einflussgrößen auf die Nasalanz ist aufgrund der gegenseitigen Beeinflussung und der Abhängigkeit von zahlreichen schwer standardisierbaren Faktoren (z.B. Tonus, Atmung, Intellekt) schwierig und mit der Literatur schwer vergleichbar. Die vorliegende Studie hat jedoch gezeigt, dass das Hörvermögen einen wesentlichen Einflussfaktor darstellt. Hörgeschädigte setzen die Nasalierung in der Sprache zur Eigenwahrnehmung ein.


Literatur

1.
Anderson RT (1996) Nasometric values for normal Spanish-speaking females: a preliminary report. Cleft Palate Craniofac J 33: 333 - 336
2.
Fletcher SG (1978) Diagnosing speech disorders from cleft palate. Grune and Stratton, New York, pp 92 -157
3.
Hutchinson JM, Robinson KL, Nerbonne MA (1978) Patterns of nasalance in a sample of normal gerontologic subjects. J Commun Disord 11: 469 - 481
4.
Leeper HA, Rochet AP, MacKay IRA (1992) Characteristics of nasalance in Canadian speakers of English and French. Presented at the International Conference on Spoken Language Processing, Banff, Canada
5.
Litzaw LL, Dalston RM (1992) The effect of gender upon nasalance scores among normal adult speakers. J Commun Disord 25: 55 - 64
6.
Mayo R, Floyd LA, Warren DW, Dalston RM, Mayo CM (1996) Nasalance and nasal area values: cross-racial study. Cleft Palate Craniofac J 33: 143 - 149
7.
Scarsellone JM, Rochet AP, Wolfaardt JF (1999) The influence of dentures on nasalance values in speech. Cleft Palate Craniofac J 36: 51 - 56
8.
Van Doorn J, Purcell A (1998) Nasalance levels in the speech of normal Australian children. Cleft Palate Craniofac. J. 35: 287 - 292
9.
Watterson T, York SL, McFarlane SC (1994) Effects of vocal loudness on nasalance measures. J Commun Disord 27: 257 - 262
10.
Zajac DJ, Lutz R, Mayo R (1996) Microphone sensitivity as a source of variation in nasalance scores. J Speech Hear Res 39: 1228 - 1231