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21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie

10. bis 12.09.2004, Freiburg/Breisgau

Weiterentwicklung des Vokaldifferenzierungstests für die Diagnostik bei Lese-Rechtschreibstörungen

Vortrag

  • author presenting/speaker Friederike Feldhusen - Universitäts-HNO-Klinik, Abteilung für Stimm- und Sprachstörungen sowie Pädaudiologie, Heidelberg, Deutschland
  • Monika Brunner - Universitäts-HNO-Klinik, Abteilung für Stimm- und Sprachstörungen sowie Pädaudiologie, Heidelberg, Deutschland
  • Christine Heinrich - Universitäts-HNO-Klinik, Abteilung für Stimm- und Sprachstörungen sowie Pädaudiologie, Heidelberg, Deutschland
  • Ute Pröschel - Universitäts-HNO-Klinik, Abteilung für Stimm- und Sprachstörungen sowie Pädaudiologie, Heidelberg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP. Freiburg/Breisgau, 10.-12.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04dgppV27

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2004/04dgpp53.shtml

Veröffentlicht: 9. September 2004

© 2004 Feldhusen et al.
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Gliederung

Zusammenfassung

Die Differenzierung von langen und kurzen Vokalen ist eine für die Anwendung der Dehnungs-Dopplungsregel in der Rechtschreibung nötige auditive Fähigkeit. Bereits 2002 haben wir einen ersten Vokaldifferenzierungstest vorgestellt, auf dessen Basis wir den Test weiterentwickelt haben. Wir wollen Zusammenhänge mit Rechtschreibung und Lautdifferenzierung aufzeigen.

Es wurden 8 dritte Grundschulklassen (N=141) untersucht. Der Vokaldifferenzierungstest wurde in 3 Teile gegliedert. Als Prüfwörter wurden ausschließlich Kunstwörter mit den Vokalen /a/, /e/, /i/, und /u/ verwendet. Die Testwörter aller Teile wurden auf CD aufgesprochen. Im 1. Teil wurden den Kindern 15 Minimalpaare (z.B. /duhs-duss/) vorgespielt. Die Kinder mussten in einer Tabelle ankreuzen, ob die Paare gleich oder ungleich waren. Im 2. Teil wurden 12 der im 1. Teil verwendeten Kunstwörter einzeln angeboten. Die Kinder mussten ankreuzen, ob der gehörte Vokal im Wort lang oder kurz war. Im 3. Teil sollten die Kinder 8 dieser Wörter nach Diktat schreiben und dabei gelernte Regeln anwenden.

Die Reliabilität (Cronbachs Alpha) war mit rtt=69 zufriedenstellend. Schwierigkeitsindices und Trennschärfekoeffizienten waren für Teil 2 und 3 ebenfalls zufriedenstellend. Es finden sich signifikante Korrelationen (Niveau 0,01%) zwischen den Ergebnissen des Heidelberger Lautdifferenzierungstest, der Rechtschreibleistung sowie der Fehlerzahl im Dehnungs-Dopplungsbereich und denen im Vokaldifferenzierungstest.


Text

Einleitung

Die Differenzierung von langen und kurzen Vokalen ist eine für die Anwendung der Dehnungs-Dopplungs-Regel in der Rechtschreibung nötige auditive Fähigkeit. Bereits 2002 haben wir einen ersten Vokaldifferenzierungstest vorgestellt. Auf Basis dieser Testform wurde der Test weiterentwickelt und es sollen mögliche Zusammenhänge mit der Rechtschreibung und Lautdifferenzierung aufgezeigt werden.

Methode

An der Untersuchung nahmen insgesamt 144 Kinder aus acht dritten Klassen mehrerer Regelgrundschulen teil. An 8 Vormittagen wurde jeweils eine dritte Klasse in den Räumen der Abteilung für Stimm- und Sprachstörungen sowie Pädaudiologie der Univ.-HNO-Klinik untersucht. In unterschiedlicher Reihenfolge wurde bei den Kindern eine audiologische Diagnostik (Ohrmikroskopie, Tympanometrie, Tonaudiometrie), die Überprüfung der Vokaldifferenzierung sowie der Lautdifferenzierung mit dem Heidelberger Lautdifferenzierungstest (H-LAD) durchgeführt. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde im Rahmen einer Gruppentestung in der Schule bei allen Kindern die Rechtschreibleistung mittels eines diagnostischen Rechtschreibtests (DRT 3) untersucht.

Zur Testung der Vokaldifferenzierung wurde der vorliegende Test von 2002 nach teststatistischer Analyse modifiziert. Die Testung wurde in 3 Teile aufgeteilt. Im 1. Teil werden 15 Minimalpaare, im 2. Testteil 12 Einzelwörter getestet. Im 3. Teil wird ein Diktat von 8 Prüfwörtern durchgeführt. Als einsilbige Testwörter wurden diesmal ausschließlich Kunstwörter verwendet. Es wurden die Vokale /a/, /e/, /i/ und /u/ eingesetzt. Um möglichst eine Veränderung der Vokallänge durch die Länge der Konsonanten zu verhindern, wurden am Wortanfang lediglich die stimmhaften Konsonanten /d/, /g/ und /b/ mit kurzer Voice-Onset-Time verwendet. Im Auslaut wurden Frikative, Klinger und Plosive gleichmäßig verteilt (z.B. /bess/, /bunn/, /dup/). Sämtliche Testwörter wurden für alle 3 Teile auf CD aufgesprochen. Die Kinder erhielten für jeden Testteil eine Ankreuztabelle bzw. ein Diktatblatt, sodass der Test auch als Gruppentestung durchgeführt werden kann. Eine vorverfasste Anleitung mit Erklärungs- und je zwei Übungsbeispielen für Teil 1 und 2 wurden von der Untersucherin vorgetragen. Ein Zeitlimit für die Untersuchungsdauer wurde nicht festgelegt. Die Kinder mussten im 1. Teil erkennen und entsprechend ankreuzen, ob die gehörten Minimalpaare (z.B. /duhs-duss/ oder /gasch-gasch/) gleich oder ungleich sind. Im 2. Teil wurden 12 der bereits im 1. Teil verwendeten Kunstwörter den Kindern einzeln dargeboten. Diesmal mussten die Kinder ankreuzen, ob der im Wort gehörte Vokal lang oder kurz ist. Gewertet wurde in beiden Teilen die Anzahl der richtigen Antworten. Im 3. Teil sollten die Kinder 8 der bereits verwendeten Kunstwörter nach Diktat (von CD) aufschreiben. Sie sollten dabei versuchen, bereits gelernte Rechtschreibregeln anzuwenden. Dabei wurde das Kunstwort als richtig geschrieben gewertet, wenn aus der Schreibung hervorging, dass der Vokal entsprechend der Vokallänge richtig ins Wort eingebettet wurde. So wurde z.B. das Kunstwort /dus/ auch als richtig geschrieben gewertet, wenn eine Vokalverlängerung durch ein /h/ also /duhs/ oder auch eine Vokaldopplung vorgenommen wurde /duus/. Abweichungen in den Konsonanten wurden bei richtiger Vokallänge nicht als falsch gewertet.

Ergebnisse

Nach Ausschluss von 3 Kindern aufgrund von mittelohrbedingten Hörstörungen konnten 141 Kinder in die Auswertung miteinbezogen werden. Die Kinder waren im Mittel 9;1 Jahre alt. Das jüngste Kind war 7;7 Jahre alt, das älteste 11;5. Die Geschlechtsverteilung war mit 71 (50,6%) Jungen und 70 (49,4%) ausgeglichen.

Bei der zuerst durchgeführten Aufgabenanalyse zeigte sich bei 5 Minimalpaaren im 1. Testteil eine ungenügende Trennschärfe, 6 Items wiesen eine geringe Trennschärfe auf. Auch die Schwierigkeitsindices waren sehr hoch. Dieser Testteil ist somit, bei im Mittel 14 richtig gelösten Antworten als zu leicht einzustufen. Im 2. Teil war eines der Testwörter nicht trennscharf (/bunn/) und wurde deshalb entfernt. Im 3. Teil wiesen alle 8 Items zufriedenstellende Trennschärfekoeffizienten auf. Dabei lagen 5 der Prüfwörter im Bereich einer hohen Schwierigkeit. 2 Testwörter wurden von mehr als 50% der Kinder falsch markiert. Die Verteilung der Schwierigkeitsindices ergab für Testteil 2 insgesamt 3 Testwörter mittlerer Schwierigkeit, 2 hoher Schwierigkeit und 7 geringerer Schwierigkeit. Im Mittel wurden im 2. Testteil 9 Wörter richtig erkannt und im 3. Teil im Mittel 5 Wörter richtig geschrieben. Die Reliabilität des Tests (Cronbachs Alpha) war mit rtt= 73 zufriedenstellend.

Anhand der Prozentrangverteilung ist ein Ergebnis von 7 (entspricht einem Prozentrang von 13) oder weniger richtig erkannten Testwörtern im Untertest 2 als unterdurchschnittlich zu bewerten. Im Untertest 3 liegen 3 richtig geschriebene Wörter im unteren Durchschnittsbereich (Prozentrang PR = 18), weniger im unterdurchschnittlichen Bereich. Im Testteil 1 sind 13 richtig erkannte Minimalpaare bereits deutlich unterdurchschnittlich (PR = 10).

Es finden sich signifikante Korrelationen (Spearman-Rho; Niveau 0,01) zwischen den Ergebnissen des Heidelberger Lautdifferenzierungstests, der Rechtschreibleistung sowie der Fehlerzahl im Dehnungs-Dopplungsbereich und denen im Vokaldifferenzierungstest.

Diskussion

Aufgrund der Ergebnisse halten wir den jetzt vorliegenden Test für geeignet, Schwächen im Bereich der Differenzierung von Vokallängen aufzuzeigen. Der insgesamt leichte erste Testteil sollte dabei vorrangig als Vorübung interpretiert werden. Da zwischen Untertest 2 und 3 eine signifikante Korrelation besteht, halten wir die Konzeption des Diktats von Kunstwörtern für sinnvoll, um etwaige Schwächen aufzuzeigen. Eine weitere Erhöhung der Normstichprobe durch weitere Testungen ist geplant.