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21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie

10. bis 12.09.2004, Freiburg/Breisgau

Wangenabstriche zur genetischen Abklärung kindlicher Innenohrschwerhörigkeit

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  • author presenting/speaker Götz Schade - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Poliklinik für Hör, Stimm- und Sprachheilkunde, Hamburg, Deutschland
  • author Steffen-Sebastian Bolz - Ludwig-Maximilians-Universität, Institut für Physiologie, München, Deutschland
  • author Hanno Bolz - Institut für Humangenetik, Universität zu Köln, Köln, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP. Freiburg/Breisgau, 10.-12.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04dgppP11

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2004/04dgpp32.shtml

Veröffentlicht: 9. September 2004

© 2004 Schade et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Einleitung: Von Seiten der Eltern besteht auch im Hinblick auf die weitere Familienplanung häufig der Wunsch nach einer ursächlichen Abklärung einer Hörbehinderung ihrer Kinder.

Material und Methoden: Bei 25 Kindern mit Innenohrschwerhörigkeit wurden einfach und problemlos durchzuführende Wangenabstrichabnahmen zur humangenetischen Untersuchung auf das Vorliegen von Connexin 26 (Cx26)- und Cx30-Mutationen durchgeführt.

Ergebnisse: Von den beteiligten Eltern wurden die Testungen durchweg sehr positiv aufgenommen. Bei 8 der 25 Kinder mit angeborenen Innenohrschwerhörigkeit konnte eine genetische Ursache nachgewiesen werden. Zwei Kinder zeigten eine digenische Ursache und sechs Kinder eine Cx26 Mutation, die beide Allele (autosomal rezessiv) betraf. Wir konnten feststellen, dass nicht-syndromischer Hörverlust, der durch GJB2 Mutationen in Verbindung mit r(GJB6-D13S1830)-Muationen hervorgerufen wird, im Anfangsstadium der Erkrankung zu sehr unterschiedlicher Ausprägung des Hörverlustes führen kann.

Diskussion: Wangenabstriche sind für diese Diagnostik gut geeignet, auch wenn das so gewonnene Zellmaterial nur für die Testung auf häufig Innenohrschwerhörigkeit bedingende Mutationen (Cx26, Cx30) ausreicht. Eine humangenetische Beratung betroffener Familien soll dazu beitragen, die Wiederholungswahrscheinlichkeit von Hörstörungen bei zukünftigen Kindern besser abschätzen zu können. Die weiterführende klinische Diagnostik kann im Einzelfall gezielter erfolgen.

Abstract

Introduction: Patents, whose children have a hearing impairment, often want to know the reason for that - especially when family planning has not been finished.

Methods: In 25 children with hearing impairment caused by the inner ear problems DNA, recoverd from buccal smears, was used for genetic testing for mutaions in the GJB2 gene, that encodes Cx26 and Cx30.

Results: In 8 of the 25 children a genetic source of the hearing impairment could be found. In 2 childern a digenic reason and in 6 children a Cx26 muation in both allels (autosomal recessiv) could been diagnosed. We found that in non-syndromic hearing impairment the hearing loss can vary very much.

Conclusion: Buccal smears are suitable for genetic testings of mutations in the GJB2-gene in patients with hearing impairment. This method can help families with hearing impaired children to assess to risk of recurrence. Clinical diagnostic can be focused in some cases.


Text

Einleitung

Das Hörscreening bei Neugeborenen führt dazu, dass bei immer mehr Säuglingen eine angeborene Schwerhörigkeit bereits in den ersten Lebensmonaten diagnostiziert wird und die Kinder einer adäquaten Behandlung zugeführt werden können. Von Seiten der Eltern besteht - auch im Hinblick auf die weitere Familienplanung - häufig der Wunsch nach einer ursächlichen Abklärung der Hörbehinderung.

Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Pädaudiologen und Humangenetikern kann in diesem Zusammenhang zu einer klinisch und wissenschaftlich fruchtbaren Kooperation führen. Mit einfachen Methoden, wie der Entnahme von Wangenschleimhautabstrichen aus der Mundschleimhaut, können bereits ausreichende Zellmengen für eine humangenetische Untersuchung zur molekular-genetischen Abklärung der häufigsten Ursachen einer genetisch bedingten angeborenen Schwerhörigkeit gewonnen werden [1].

Material und Methoden

Nachdem nachgewiesen werden konnte, dass Wangenschleimhautabstriche für eine humangenetische Diagnostik angeborener Schwerhörigkeit ausreichend sind [1], führten wir eine weitere interdisziplinäre Studie durch, bei der Wangenabstriche für eine humangenetische Analyse abgenommen wurden. Im Gegensatz zur Blutabnahme erfordert dieses Vorgehen auch bei Neugeborenen einen nur sehr geringen Aufwand, wird gut toleriert und ist daher in der Regel problemlos durchzuführen [Abb. 1]. Eine molekular-genetische Diagnostik wird nur nach entsprechender Aufklärung der Eltern und deren Einverständnis durchgeführt.

In den vergangenen zwei Jahren wurden im Rahmen dieser Studie erneut bei 25 Kindern mit pädaudiologisch sicher nachgewiesener Innenohrschwerhörigkeit Wangenabstriche zur humangenetischen Untersuchung auf das Vorliegen von Connexin 26 (Cx26)- und Cx30-Mutationen abgenommen. Im Falle familiärer Schwerhörigkeit wurde eine humangenetische Beratung durchgeführt, der sich, bei Interesse der Patienten, die Rekrutierung weiterer Familienmitglieder für die nachfolgende molekulargenetische Untersuchung anschloss.

Ergebnisse

Von den beteiligten Eltern wurden die Testungen durchweg positiv aufgenommen. Bei acht der 25 Kinder mit angeborener Innenohrschwerhörigkeit konnte eine genetische Ursache nachgewiesen werden. Zwei Kinder zeigten eine digenische Ursache (s. u.) und sechs Kinder eine Cx26 Mutation, die beide Allele (autosomal rezessiv) betraf [Abb. 2]. Im Rahmen dieser Studie, an der nur Kinder mit nicht-syndromischem Hörverlust (NSHL) teilnahmen, konnten wir feststellen, dass ein digenischer NSHL, der durch GJB2 Mutationen in Verbindung mit r(GJB6-D13S1830)-Muationen hervorgerufen wird, im Anfangsstadium der Erkrankung zu sehr unterschiedlicher Ausprägung des Hörverlustes führen kann. Sowohl Hörrestigkeit als auch Verläufe mit z.T. nur mittelgradiger Schwerhörigkeit im Säuglingsalter sind möglich [Abb. 3] [2].

In einer Familie mit autosomal-dominant vererbter progredienter Schwerhörigkeit identifizierten wir durch genetische Kopplungsuntersuchungen einen Aminosäureaustausch im Motorprotein Myosin-7A [3]. Dieser beeinträchtigt nachweislich die Interaktion von Myosin-7A mit Calmodulin.

Diskussion

Eine enge Zusammenarbeit von Pädaudiologen und Humangenetikern hilft den betroffenen Familien innenohrschwerhöriger Kinder in vielen Fällen, mehr über die Ursache dieser Erkrankung zu erfahren. Wangenschleimhautabstriche sind hierfür gut geeignet, auch wenn das so gewonnene Zellmaterial nur für die Testung auf häufig Innenohrschwerhörigkeit bedingende Mutationen (Cx26, Cx30) ausreicht. Eine humangenetische Beratung betroffener Familien durch den Facharzt für Humangenetik soll dazu beitragen, die Wiederholungswahrscheinlichkeit von Hörstörungen bei zukünftigen Kindern besser abschätzen zu können. Die weiterführende klinische Diagnostik kann im Einzelfall - entsprechend der genetischen Diagnose - gezielter erfolgen. So können einige Untersuchungen - wie etwa die kraniale Magnetresonanztomographie - den betroffenen Kindern nach einer genetischen Diagnosesicherung erspart werden.

Durch die molekulargenetische Analyse des hier beschriebenen Patientenkollektivs konnten neben den Fällen, die auf Mutationen auf beiden Cx26-Allelen beruhen, zwei Familien mit digenischer Schwerhörigkeit (doppelte Heterozygotie für Cx26- bzw. Cx30-Mutationen) sowie eine Familie mit einer seltenen dominanten Myosin-Mutation identifiziert werden [2], [3].


Literatur

1.
Schade G, Kothe C, Ruge G, Hess M, Meyer CG. Screening auf Connexin 26-Mutationen mit Wangenschleimhautmaterial zur nicht-invasiven Diagnostik genetisch bedingter Innenohrschwerhörigkeit. Laryngo Rhino Otologie 82 (2003): 397-401
2.
Bolz H, Schade G, Ehmer S, Kothe C, Hess M, Gal A. Phenotypic variability of non-syndromic hearing loss in patients heterozygous for both c.35delG of GJB2 and the 342-kb deletion involving GJB6. Hearing Research 188 (2004): 42-46
3.
Bolz H, Bolz S, Schade G, Kothe C, Mohrmann G, Pohl U, Hess M, Gal A. Impaired calmodulin binding of myosin 7A causes autosomal dominant hearing loss (DFNA 11 Human Mutation (2004): im Druck