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21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie

10. bis 12.09.2004, Freiburg/Breisgau

Erfahrungen mit der virostatischen Therapie bei Larynxpapillomatose

Vortrag

  • author presenting/speaker Jörg Sandmann - Universitäts-HNO-Klinik Charité, Abt. Phoniatrie und Pädaudiologie, Berlin, Deutschland
  • author Ingeborg Küchler - Charité, Institut für Biometrie, Berlin, Deutschland
  • author Dirk Verges - Universitäts-HNO-Klinik Charité, Abt. Phoniatrie und Pädaudiologie, Berlin, Deutschland
  • author Wolfram Seidner - Universitäts-HNO-Klinik Charité, Abt. Phoniatrie und Pädaudiologie, Berlin, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 21. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP. Freiburg/Breisgau, 10.-12.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04dgppV09

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2004/04dgpp19.shtml

Veröffentlicht: 9. September 2004

© 2004 Sandmann et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Die chirurgische Therapie der Larynxpapillomatose führt fast schicksalhaft zu einem stetigen Verfall der Stimmqualität mit den bekannten Beeinträchtigungen im persönlichen und beruflichen Umfeld. Eine Alternative bietet die lokale Injektion des Virostatikums Cidofovir nach sanfter chirurgischer Volumenreduktion des Papillomgewebes.

Wir berichten über Therapieergebnisse von 8 mit Cidofovir behandelten Patienten im Vergleich zu 12 ausschließlich chirurgisch behandelten Kranken. Die Aussagen stützen sich auf Lokalbefunde, Rezidivhäufigkeit, Messung von Sprech- und Singstimmprofilen, Hörbeurteilungen sowie einer Befragung nach der Voice-related Quality of Life.

Die Kombination einer schleimhautschonenden chirurgischen Volumenreduktion mit der virostatischen Therapie vermag den bei häufigen Papillomrezidiven unausweichlichen Untergang der Stimme zu bremsen. Allerdings lassen sich noch keine eindeutigen Aussagen über eine Verminderung der Rezidivhäufigkeit machen.


Text

Einleitung

Die chirurgische Therapie der Larynxpapillomatose führt fast schicksalhaft zu einem stetigen Verfall der Stimmqualität mit den bekannten Beeinträchtigungen im persönlichen und beruflichen Umfeld. Eine Alternative bietet die lokale Injektion des Virostatikums Cidofovir nach sanfter chirurgischer Volumenreduktion des Papillomgewebes. Wir stellten uns die Frage, inwieweit dieser Therapieansatz subjektiv und objektiv zu besseren Therapieergebnissen bei der Papillombehandlung führt.

Material

Wir wählten 5 mit Cidofovir behandelte Patienten aus, zugleich 8 Papillompatienten, die in den letzten zehn Jahren ausschließlich chirurgisch behandelt worden waren. Neben den Lokalbefunden wurden von allen Patienten Sing- und Sprechstimmprofile ausgewertet sowie eine Befragung hinsichtlich der Beschwerden durchgeführt.

Sprechproben eines unter Studiobedingungen mit einem DAT-Rekorder aufgenommenen Referenztextes standen für Hörbeurteilungen zur Verfügung.

Methode

Zunächst wurden die chirurgisch behandelten Patienten ermittelt, von denen Befunde im Zeitintervall von mindestens 12 Monaten zwischen Behandlungsbeginn und -ende vorlagen. Hinzu kamen die in den letzen 12 Monaten mit Cidofovir behandelten Patienten.

Vor und nach der jeweiligen Therapie wurden die Ergebnisse der Singstimmprofilmessungen verglichen. Da jedoch ein Vergleich anhand der üblichen Parameter bei der Beurteilung von Singstimmprofilen angesichts der großen interindividuellen Variabilität nicht sinnvoll erschien, entschieden wir uns für einen Flächenvergleich zwischen den Kurven lauten und leisen Singens.

Zusätzlich bestimmten wir bei den gemessenen Sprechstimmprofilen die Dynamik in dB (A) und das Intervall zwischen leisestem und lautestem Ton in Halbtonschritten vor und nach Therapie.

Die Sprechproben des Referenztextes führten wir unter Wohnzimmerakustik einem Auditorium von fünf normalhörenden Versuchspersonen vor. Der mittlere Schallpegel an den Hörerplätzen betrug 70 dB. Die Testpersonen beurteilten die Stimmqualität nach dem RBH-System, zusätzlich wurden die Merkmale Spannung, Instabilität, Nasalität und Klangfähigkeit (SINK) eingeschätzt.

Darüber hinaus wurden von allen Patienten Aussagen über ihre stimmliche Situation vor und nach der Therapie nach dem Voice-related Quality of Life-Index eingeholt.

Ergebnisse

Cidofovir-Therapie

[Tab. 1]

Chirurgische Therapie

[Tab. 2]

Die Dynamik des Sprechstimmprofils nimmt bei der Gruppe der mit Cidofovir behandelten Patienten fast ebenso ab wie die in der chirurgisch therapierten Kontrollgruppe, allerdings vergrößert sich das Intervall des Frequenzanstiegs beim Versuch zu rufen bei den meisten mit Cidofovir behandelten Patienten.

In der chirurgisch behandelten Gruppe nimmt es bei der überwiegenden Zahl der Patienten nach Therapie ab. Die Hörbeurteilungen haben jedoch ergeben, dass das vergrößerte Intervall beim Rufen mit einem Klangzuwachs einhergeht.

Das Singstimmfeld vergrößert sich bei den mit Cidofovir behandelten Patienten - mit einer Ausnahme - in allen Fällen nach Therapie erheblich.

Bei den chirurgisch behandelten Patienten ist bei 5 von 8 Patienten eine Abnahme der Fläche nach Therapie zu verzeichnen, bei den übrigen drei finden sich nur geringfügige Zunahmen.

Die Auswertung der subjektiven Einschätzungen der eigenen Stimme vor und nach der Therapie unter Verwendung des Voice-related Quality of Life-Index ergab bei den medikamentös behandelten Patienten durchweg eine Einordnung vor der Therapie zwischen mittel und stark belastend (30 - 40 von 50 möglichen Punkten), nach der Therapie wurden nur noch leichte Einschränkungen empfunden (10 - 15 Punkte).

In der Gruppe der chirurgisch behandelten Patienten lag die Einschätzung vor Therapie mit mittelgradigen Beschwerden günstiger (20 - 25 Punkte), das Ergebnis nach Therapie wurde ebenfalls nur als leichte Einschränkung empfunden (10 - 20 Punkte).

Diskussion

Die funktionellen Ergebnisse nach Papillombehandlung exakt miteinander zu vergleichen, um damit verschiedene Therapiemethoden zu bewerten, ist problematisch oder sogar unmöglich, Dennoch lassen sich Tendenzen erkennen, auch wenn man nur einzelne Parameter wie Singstimmfeld, Sprechstimmprofil, perzeptive Beurteilungen sowie subjektive Einschätzungen der eigenen Stimme wählt.

Die semiobjektiven Daten zeigen im Falle der Behandlung mit Cidofovir eine in vier von fünf Fällen deutliche Vergrößerung des Singstimmfeldes. Bei den chirurgisch behandelten Patienten fällt eine gleichsinnige Veränderung nur in 2 von 8 Fällen auf. Zudem wird das Intervall der Tonhöhenänderung bei Stimmsteigerung (Rufstimme) bei der Hälfte der medikamentös behandelten Patienten größer, bei den chirurgisch Behandelten in 6 von 8 Fällen kleiner.

Hinsichtlich des Tonhöhenumfanges und der Dynamik in der Singstimme scheint sich hier eine Überlegenheit der medikamentösen Therapie zu bestätigen. Kritisch zu beurteilen bleibt, dass die Dynamik des Sprechstimmprofils sowohl in der Cidofovirgruppe als auch in der Gruppe chirurgisch behandelter Patienten in fast allen Fällen abnimmt.

Betrachtet man die subjektive Zufriedenheit mit dem Therapieergebnis, so führen beide Therapieformen zum Eindruck einer bloß leichten Einschränkung.

Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass von allen Patienten aus der mit Cidofovir behandelten Gruppe der Stimmklang vor der Behandlung als mittel- bis hochgradig belastend empfunden wurde, während die chirurgisch therapierten Patienten den präoperativen Zustand als leicht bis mittelgradig belastend einstuften. Dieser Umstand mag seine Ursache unter anderem darin haben, dass die Beurteilung retrospektiv erfolgte und die bei allen chirurgisch behandelten Patienten ohne Ausnahme größere Zeitspanne seit der Therapie sowie die damit möglicherweise verbundene bessere Akzeptanz des stimmlichen Schicksals zu einer verklärteren Sicht des Status vor der Behandlung geführt haben. Die Ausprägung der Befunde spielte bei dieser Einschätzung keine wesentliche Rolle.

Zusammenfassend kann abgeleitet werden, dass die Kombination aus sanfter Volumenreduktion von Papillomherden mit anschließender lokaler antiviraler Therapie gegenüber einer rein chirurgischen Behandlung zu einer Zunahme der durch Dynamik und Tonhöhenumfang mitbestimmten Stimmfeldgröße führt. Subjektiv wird die Qualität des Ergebnisses gleich beurteilt, wobei die Änderung des Zufriedenheitsgrades bei der medikamentös behandelten Gruppe eindrucksvoller ist.

Leider lassen sich keine eindeutigen Aussagen über eine Verminderung der Rezidivhäufigkeit ableiten.


Literatur

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