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20. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie e. V.

12. bis 14.09.2003, Rostock

Beidseitiges Reinke-Ödem : hilfreich bei einseitiger Rekurrensparese?

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  • corresponding author Christian Kothe - Poliklinik für Hör-, Stimm- und Sprachheilkunde, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Martinistr. 52, D-20246 Hamburg, Tel.: (040) 42803-2865, Fax: (040) 42803-6814
  • author Götz Schade - Poliklinik für Hör-, Stimm- und Sprachheilkunde, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Martinistr. 52, D-20246 Hamburg, Tel.: (040) 42803-2865, Fax: (040) 42803-6814
  • author Susanne Fleischer - Poliklinik für Hör-, Stimm- und Sprachheilkunde, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Martinistr. 52, D-20246 Hamburg, Tel.: (040) 42803-2865, Fax: (040) 42803-6814
  • author Markus Hess - Poliklinik für Hör-, Stimm- und Sprachheilkunde, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Martinistr. 52, D-20246 Hamburg, Tel.: (040) 42803-2865, Fax: (040) 42803-6814

Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie. 20. Wissenschaftliche Jahrestagung der DGPP. Rostock, 12.-14.09.2003. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2003. DocP08

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgpp2003/03dgpp020.shtml

Veröffentlicht: 12. September 2003

© 2003 Kothe et al.
Dieser Artikel ist ein Open Access-Artikel und steht unter den Creative Commons Lizenzbedingungen (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de). Er darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden, vorausgesetzt dass Autor und Quelle genannt werden.


Zusammenfassung

Wir berichten über eine 57 jährige Lehrerin, die uns aufgrund einer bekannten einseitigen Rekurrensparese nach vorangegangener Strumektomie vorgestellt wurde. Die videolaryngoskopische und -stroboskopische Untersuchung zeigte zusätzlich zur linksseitigen Rekurrensparese ein beidseitiges Reinke-Ödem bei guter Stimmfunktion. Aufgrund des beidseitigen Reinke-Ödems war der Glottisschluss vollständig möglich, obwohl die linke Stimmlippe in Paramedianstellung still stand. Eine operative Abtragung des beidseitigen Stimmlippenödems würde in diesem Fall zu einer deutlichen Verschlechterung der Stimmfunktion führen. Es konnte anhand dieses Beispiels gezeigt werden, dass in ausgewählten Fällen ein Reinke-Ödem dazu beitragen kann bei einem einseitigen Stimmlippenstillstand den Stimmklang zu optimieren. Regelmäßige laryngoskopische Kontrolluntersuchungen sind bei derartigen Befunden anzuraten und die Indikationsstellung zur operativen Therapie sollte in diesen Fällen entweder gar nicht oder sehr restriktiv gestellt werden.


Text

Einleitung

Das Reinke-Ödem, das nach dem deutschen Anatomen Friedrich Berthold Reinke [1] benannt ist, gehört nach Lehmann et al. [2] zu den vier häufigsten Kehlkopferkrankungen. Es ist bekannt, dass das Reinke-Ödem bevorzugt bei Frauen mittleren Alters auftritt, die rauchen und einer erhöhten Stimmbelastung ausgesetzt sind [3]. Nach der Diagnosestellung ist in den meisten Fällen die endolaryngeale mikrochirurgische Abtragung des Stimmlippenödems die Therapie der Wahl [4], [5], [6]. Wir berichten über den Fall einer Lehrerin mit einer bekannten einseitigen Rekurrensparese nach vorangegangener Strumektomie, bei der ein Reinke-Ödem einen vollständigen Glottisschluss möglich macht und damit eine gute Stimmfunktion aufrecht erhalten werden kann.

Material und Methoden

In unserer Poliklinik wurde eine 57 jährige Patientin mit einer einseitigen Rekurrensparese und einem Reinke-Ödem zu einer weiteren Diagnostik bzw. Therapieeinleitung vorgestellt. Die Rekurrensparese war unmittelbar nach einer Strumektomie bei einer Struma multinodosa ca. 1 Jahr zuvor aufgetreten. Nach einer eingehenden Anamneseerhebung wurde eine videolaryngoskopische und -stroboskopische Untersuchung durchgeführt. Das Elektroglottogramm zeigte ein regelmäßiges Biosignalmuster mit einer schnellen Schließungsphase und einer regelrechten Offenphase. Im auditiven Stimmbefund fiel in der Spontansprache ein weitestgehend klarer, gelegentlich knarrender Stimmklang auf. Im Stimmfeld wurden knapp zwei Oktaven erreicht und ein Schalldruckpegel von 50 dB bis 100 dB erzielt.

Ergebnisse

Die videolaryngoskopische und -stroboskopische Untersuchung zeigte, dass die linke Stimmlippe paramedian bis intermediär still stand und dass der linke Aryknorpel nach medial hin verlagert war. In Abb. 1 [Abb. 1] wird das Reinke-Ödem, das linksseitig stärker ausgeprägt ist als rechtsseitig, bei einer forcierten Inspiration demonstriert. Abb. 2 [Abb. 2] zeigt das videostroboskopische Bild der gleichen Patientin bei Phonation. Das Reinke-Ödem ermöglicht der Patientin einen vollständigen Stimmlippenschluss und somit eine gute Stimmqualität, obwohl die linke Stimmlippe schlaff und exkaviert still steht. Eine operative Abtragung des Stimmlippenödems würde in diesem Fall aller Voraussicht nach zu einer deutlichen Verschlechterung der Stimmfunktion führen, da sich der Stimmlippenschluss sicherlich verschlechtern würde.

Diskussion

In Einzelfällen kann ein Reinke-Ödem dazu beitragen, dass ein vollständiger Glottisschluss möglich ist und damit eine gute Stimmqualität aufrecht erhalten werden kann. Mit einer forcierten und tiefen Inspiration des Patienten ist für den behandelnden Arzt häufig eine exaktere Größenbestimmung des Reinke-Ödems während der klinischen Untersuchung möglich [7], [8]. Insbesondere bei Patienten, die beruflich einer erhöhten Stimmbelastung ausgesetzt sind, sollte beim Vorliegen einer einseitigen Rekurrensparese und eines Reinke-Ödems die Indikationsstellung zur operativen Abtragung des Stimmlippenödems erst nach einer eingehenden Stimmdiagnostik gestellt werden, um eine mögliche Stimmverschlechterung zu vermeiden. Wenn das Reinke-Ödem eine Größe erreicht, dass es zu einer Dyspnoe oder sogar zu einem obstruktiven Atemwegshindernis kommt, ist selbstverständlich aufgrund der respiratorischen Beeinträchtigung des Patienten ein operativer Eingriff zu empfehlen. Bei kleineren Stimmlippenödemen wird manchmal aus phonatorischer Indikation zu einem operativen Eingriff geraten, um die Stimmqualität zu verbessern. In jedem Fall sollten engmaschige laryngoskopische Kontrolluntersuchungen erfolgen, damit dysplastische Schleimhautanteile frühzeitig erkannt und gegebenenfalls biopsiert werden können.


Literatur

1.
Reinke F (1895) Untersuchung über das menschliche Stimmband. Fortschr Med 12: 469-478
2.
Lehmann W, Pampurik J, Guyot J-P (1989) Pathologies Observed in Microlaryngoscopy. Oto-Rhino-Larynol 51: 206-215
3.
Raabe J, Pascher W (1999) Das Reinke-Ödem: Eine Untersuchung zu Fragen der Ätiologie, der Prognose und der Wirksamkeit therapeutischer Interventionen. Laryngo-Rhino-Otol 78: 97-102
4.
Keilmann A, Biermann G, Hörmann K (1997) CO2-Laser vs. konventionelle Mikrolaryngoskopie bei gutartigen Veränderungen der Stimmlippe. Laryngo-Rhino-Otol 76: 484-489
5.
Kleinsasser O (1974) Mikrolaryngoskopie und endolaryngeale Mikrochirurgie. Teil II Rückblick auf 2500 Fälle. HNO 22: 69-83
6.
Zeitels SM, Hillmann RE, Bunting GW, Vaughn T (1997) Reinke´s edema: phonatory mechanisms and management strategies. Ann Otol Laryngol 106: 533-543
7.
Kothe C, Schade G, Fleischer S, Hess M (2002) Die forcierte Inspiration - ein nützliches Kriterium zur Diagnostik des Reinke-Ödems? HNO 50: 756-757
8.
Kothe C, Schade G, Fleischer S, Hess M (2003) Forced inspiration: a laryngoscopy-based maneuver to assess the size of Reinke´s edema. Laryngoscope 113: 741-742