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Beidseitige Stimmlippenlähmung nach Intubationsnarkose
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Veröffentlicht: | 12. September 2003 |
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Gliederung
Zusammenfassung
Einleitung: Treten nach Intubationsnarkosen (ITN) Stimmlippenlähmungen auf, stellt die Ankylose oder Subluxation des Aryknorpels eine vieldiskutierte Differentialdiagnose dar. Ist nach ITN eine neurogene Motilitätsstörung elektromyographisch nachzuweisen, müssen andere Schädigungsmechanismen diskutiert werden. Material und Methode: Am anatomischen Präparat wurde der Verlauf des N. recurrens dargestellt und ein möglicher Schädigungsmechanismus durch den Druck eines hochsitzenden Tubus-Cuff nachvollzogen. Das klinische Bild eines 37-jährigen Patienten, beim dem eine bds. Stimmlippenlähmung nach ITN auftrat, wird in diesem Zusammenhang beschrieben. Ergebnisse: Nachdem der N. recurrens feine Äste an die Unterseite des M. cricoarytaenoideus posterior abgegeben hat, zieht er um das Cricothyroid-Gelenk herum zur endolaryngealen Muskulatur. Nach Einbringen des Tubus ist die Druckeinwirkung des Cuffs auf die Nervenäste darstellbar. Bei dem 37-jährigen Patienten trat nach der ITN eine beidseitige inkomplette Stimmlippenlähmung in Intermediärstellung auf. Elektromyographisch konnte eine neurogene Motilitätseinschränkung belegt werden. Diskussion: Sowohl am anatomischen Präparat als auch bei dem vorgestellten klinischen Fall ist eine Läsion des endolaryngealen Anteils des N. recurrens durch den Druck eines hochsitzenden Tubus-Cuff denkbar. Dies könnte ein weiteres Schädigungsmodell zur kontrovers diskutierten Subluxation oder Ankylose des Aryknorpels darstellen.
Text
Einleitung
Treten nach Intubationsnarkosen (ITN) Stimmlippenlähmungen auf, so wird insbesondere dann an eine Traumatisierung der Stellknorpel durch den Intubationsvorgang gedacht, wenn der chirurgische Eingriff kopf-, hals- und thoraxfern erfolgte. Hier stellt die Ankylose oder Subluxation des Aryknorpels eine vieldiskutierte Differentialdiagnose dar [Ref. 1], [Ref. 2].
Neben diesen Möglichkeiten einer mechanischen Schädigung des Kehlkopfgerüstes wurde jedoch schon früh eine mögliche intubationsbedingte Läsion motorischer Kehlkopfnerven in Betracht gezogen. Insbesondere beim ins Kehlkopfinnere ziehenden Anteil des N. recurrens kam hierfür ein Schädigungsmechanismus durch Tubus- bzw. Cuffdruck in Frage [Ref. 3], [Ref. 4].
An einem anatomischen Präparat soll der mögliche Schädigungsmechanismus nachvollzogen und an einem klinischen Fall die Differentialdiagnostik dargestellt und diskutiert werden.
Material und Methode
Am anatomischen Präparat wurde der Verlauf des endolaryngealen Anteils des N. recurrens unter dem Operationsmikroskop dargestellt. Nach Entfernung des Schildknorpels wurde dieser durch eine gleichförmige transparente Platte ersetzt. Anschließend wurde ein Tubus mit hochliegendem Cuff in das Kehlkopflumen eingebracht und der Cuff auf Höhe der Stimmlippen „geblockt".
Das klinische Bild eines 37-jährigen Patienten, beim dem eine bds. Stimmlippenlähmung nach ITN auftrat, wird in diesem Zusammenhang anhand der videostroboskopischen und elektrophysiologischen Befunde beschrieben.
Ergebnisse
Nachdem der N. recurrens feine Äste an die Unterseite des M. cricoarytaenoideus posterior abgegeben hat, zieht er kranial unmittelbar um das Cricothyroid-Gelenk herum zur endolaryngealen Muskulatur. Dort folgen die Verzweigungen zum M. vocalis und M. thyroarytaenoideus lateralis [Abb. 1].
Nach Einbringen des Tubus ist die Druckeinwirkung des Cuffs auf den paraglottischen Raum erkennbar. Da die Schildknorpelplatte (transparente Ersatzplatte) die äußere Begrenzung dieses Raumes bedeutet, resultiert eine Druckbelastung auf die dort befindlichen Nervenäste des N. recurrens [Abb. 2].
Bei dem 37-jährigen Patienten wurde 6 Wochen nach der ITN ein beidseitiger Stimmlippenstillstand in Intermediärstellung diagnostiziert. Bei stark eingeschränkter Adduktion war das Abduktionsvermögen beidseits regelrecht [Abb. 3], [Abb. 4].
Im Verlauf konnte mehrmals elektromyographisch eine neurogene Motilitätseinschränkung durch Ableitung aus dem M. vocalis belegt werden. Die Ableitungen aus dem M. cricothyreoideus waren beidseits regelrecht.
Die Lähmung erholte sich trotz intensiver konservativer Therapie innerhalb der folgenden 8 Monate nicht. In der Serologie waren erhöhte Rheumafaktoren bei bekannter Polyarthritis nachweisbar. Eine infektiöse Genese der Stimmlippenlähmung durch Herpes Simplex- und Varizellen Zoster-Viren sowie Borrelien konnte serologisch ausgeschlossen werden.
Diskussion
In der laryngealen Elektromyographie war eine Lähmung des inneren Astes des Nervus laryngeus superior nachzuweisen. Somit scheiden die möglichen Differentialdiagnosen einer intubationsbedingten Aryluxation oder Ankylose und einer Motilitätseinschränkung auf dem Boden der bekannten chronischen Polyarthritis aus. Intubationsbedingte Stimmlippenlähmungen sind in der Literatur beschrieben [Ref. 5]. Eine Schädigung des endolaryngealen Astes des N. recurrens wurde hierbei angenommen [Ref. 4], [Ref. 6].
In unserer Arbeit bestätigte sich sowohl am anatomischen Präparat als auch bei dem vorgestellten klinischen Fall die Möglichkeit einer Läsion des endolaryngeal verlaufenden Anteils des N. recurrens durch den Druck eines hochsitzenden Tubus-Cuff. Dies könnte ein weiteres Schädigungsmodell zur kontrovers diskutierten Subluxation oder Ankylose des Aryknorpels darstellen. Zur Differentialdiagnostik laryngealer Motilitätsstörungen nach ITN ist neben der Videostroboskopie die Elektromyographie unentbehrlich.
Literatur
- 1.
- Paulsen FP, Rudert HH, Tillmann BN (2000) New insights into the pathmechanism of postintubation arytaenoid subluxation. Anaesthesiology 92(5):1505-1507
- 2.
- Rieger A, Hass I, Gross M, Gramm HJ, Eyrich K (1996) Intubation trauma of the larynx- a literature review with special reference to arytaenoid cartilage dislocation. Anaesthesiol Intensivmed Notfallmed und Schmerzther 31(5):281-287
- 3.
- Rudert H (1984) Über seltene intubationsbedingte innere Kehlkopftraumen. HNO 32: 393-398
- 4.
- Hahn FW, Martin JT, Lillie JC (1970) Vocal-cord paralysis with endotracheal intubation. Arch Otolaryng 92: 226-229
- 5.
- Friedrich T, Hänsch U, Eichfeld U, Steinert U, Staemmler A, Schönfelder M (2000) Die Recurrensparese als Intubationsschaden? Chirurg 71: 539-544
- 6.
- Ellis PD, Pallister WK (1975) Recurrent laryngeal nerve palsy and endotracheal intubation. J Laryngol Otol 89(8): 823-826