Artikel
Verhaltensneuropsychologie der Nahrungsdeprivation
Suche in Medline nach
Autoren
Veröffentlicht: | 24. Oktober 2007 |
---|
Gliederung
Text
Ziel einer Serie von Untersuchungen war die Identifikation neuropsychologischer und neurophysiologischer Parameter klinischer und subklinischer Zustände der Nahrungsdeprivation.
Neben einer ausführlichen neuropsychologischen Begleitdiagnostik wurde das „Konditional-Assoziative Lernen“ jeweils unter Verwendung neutraler und individuell bedrohlicher, eß-störungsbezogener Stimuli eingesetzt. Durchgeführt wurden klinisch-neuropsychologische Studien an Anorexie- und Bulimiepatientinnen, Zwangs- und Phobiepatientinnen sowie gesunden Kontrollpersonen. Des Weiteren wurden gesunde Probandinnen im Rahmen des Buchinger-Fastens und des „Übernachtfastens“ sowie Teilnehmerinnen der „Weight Watcher“-Kurse untersucht. Außerdem wurden mit Hilfe einer fMRT-Studie an gesunden Probanden die beim KAL relevanten neuronalen Strukturen analysiert.
Bei durchgängig unauffälligen klinisch-neuropsychologischen Maßen fanden sich wiederholt spezifische Defizite nur der Anorexie- und Zwangspatientinnen beim konditional-assoziativen Lernen neutralen Materials. Äquivalente Defizite fanden sich auch bei den Teilnehmerinnen der beiden Fastenparadigmen, nicht jedoch bei denen der Weight Watcher-Kurse. Die fMRT-Studie ergab darüber hinaus, dass gesunde Probanden beim konditional-assoziativen Lernen neutralen Materials umschriebene Aktivierungen in den für den Aufbau belohnungsgesteuerter Handlungen relevanten Bereichen der Basalganglien zeigten. Diese Veränderungen traten ausschließlich kurz vor dem Eintreten positiven feedbacks auf.
Die bisherigen Befunde legen nahe, dass durch das Konditional-Assozitive Lernen gerade emotional uneindeutigen, neutralen Materials die Sicherheit der Belohnungserwartung abgebildet wird. Diese im vorliegenden Lernparadigma nur internal generierbare Belohnungssicherheit könnte vom Ernährungsstatus abhängig sein und im Umkehrschluß einen neuropsychologischen Marker der Nahrungsdeprivation darstellen. Offensichtlich tritt die Umstellung der für die Belohnungserwartung relevanten neuronalen Schaltkreise bereits nach sehr kurzer Zeit der Nahrungsdeprivation auf. Die mögliche Bedeutung dieser Überlegungen zeigt sich auch in den vorläufigen Ergebnissen erster Untersuchungen mit sechsmonatigem follow up nach Abschluß einer stationären Verhaltenstherapie. Hier zeigten die Patientinnen einen schlechteren Gesundheitsstatus, die bereits zum Aufnahmezeitpunkt markante Defizite im Konditional-Assoziativen Lernen neutralen, nicht jedoch eindeutig bedrohungsrelevanten Materials aufwiesen. Wegen der offensichtlichen Relevanz des in Frage stehenden Konstruktes besonders auch für den subklinischen Bereich laufen derzeit Studien zur den kognitiven Auswirkungen unzureichenden Ernährungsverhaltens in der nicht an manifesten Eß-Störungen erkrankten Normalbevölkerung.