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125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

22. - 25.04.2008, Berlin

Einfluß von Enterococcus ssp. auf Mortalität und Morbidität bei Patienten mit Perforationen im Gastrointestinaltrakt. Retrospektive Analyse der Jahre 2001-2005

Meeting Abstract

  • corresponding author M.K. Kaffarnik - Abteilung für Allgemein- und Visceralchirurgie des Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • M. Urban - Abteilung für Allgemein- und Visceralchirurgie des Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • J. Schulte-Mönting - Institut für Medizinische Biometrie und Medizinische Informatik des Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • S. Utzolino - Abteilung für Allgemein- und Visceralchirurgie des Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland
  • U.T. Hopt - Abteilung für Allgemein- und Visceralchirurgie des Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Berlin, 22.-25.04.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. Doc08dgch9349

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgch2008/08dgch280.shtml

Veröffentlicht: 16. April 2008

© 2008 Kaffarnik et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Enterococcus ssp. werden regelmässig bei Eröffnung intraabdomineller Hohlorgane im Abdomensekret nachgewiesen. Auch bei elektiven Darmeingriffen kommt es zum Austritt von Darminhalt in die Bauchhöhle. In der Regel erhalten diese Patienten prophylaktisch nicht Enterokokken-wirksame Antibiotika. Auch bei Perforationen gastrointestinaler Hohlorgane mit Peritonitis beinhaltet die kalkulierte Initialtherapie meist Wirkstoffe, die teilweise gegen Enterococcus faecalis, nicht aber gegen Enterococcus faecium wirksam sind. Die Behandlung von Enterokokken bei positivem Nachweis im Abdominalsekret nach Perforationen oder Operationen wird bis heute kontrovers diskutiert. Die gezielte Therapie von Enterococcus faecium muß entweder mit einem schlecht gewebegängigen Glycopeptid oder mit teuren Reservepräparaten erfolgen. Vor diesem Hintergrund und vor der Zunahme Vancomycin-resistenter Enterococcus ssp. (VRE) muß die Indikation zur gezielten Behandlung dieser Bakterien-Spezies in der Abdominalchirurgie genauer definiert werden. Es muß geklärt werden, welche Patientengruppe von einer Therapie der Enterokokken profitiert und bei welchen Patienten der Nachweis von Enterokokken ohne pathogene Relevanz gewertet werden kann. Ziel dieser Arbeit war es, basierend auf einem positiven oder negativen Enterokokkennachweis, signifikante Unterschiede im Verlauf der Erkrankung aufzudecken. Dafür wurden Patienten mit und ohne Enterokokkennachweis und Patienten mit Enterokokkennachweis, die nicht oder gezielt therapiert wurden, miteinander verglichen.

Material und Methoden: 473 Patienten mit Perforationen im Gastrointestinaltrakt wurden untersucht. Diese Patienten wurden in die Gruppen "kein Enterokokkennachweis" (1; n=217), "positiver Enterokokkennachweis ohne Behandlung" (2; n=110) und "positiver Enterokokkennachweis mit Behandlung" (3; n=136) unterteilt und miteinander verglichen. Primärer Endpunkt war die Letalität. Sekundäre Endpunkte waren die Morbidität (Anastomoseninsuffizienz, allgemeine Infektionen, Entwicklung einer Peritonitis im Verlauf), Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation (LOS-ICU) und Aufenthaltsdauer im Krankenhaus (LOS-Hospital). Ferner wurde untersucht, ob Alter, Geschlecht, Immunsuppression, Enterokokkennachweis, oder die Morbiditätsvariablen unabhängige Faktoren bezüglich des Verlaufes der Erkrankung waren. Als Hinweis für die Schwere der Erkrankung wurden am Tag 1, 5 und 15 der SOFA-Score (Sepsis-related Organ Failure Assessment) bestimmt.

Ergebnisse: Die Mortalitätsrate der Gruppe 3 war signifikant höher als die der Gruppen 1 und 2. Zwischen den Gruppen 1 und 2 gab es keinen Unterschied hinsichtlich der Letalität. LOS-ICU, LOS-Hospital und SOFA-Score waren höher in der Gruppe 1 als in Gruppe 2 und 3 zusammen, jedoch auch höher in Gruppe 3 verglichen mit Gruppe 2. Einziger unabhängiger Faktor, der Einfluß auf den Gesamtverlauf ausübt, war das Alter der Patienten.

Schlussfolgerung: Enterokokken sind kein unabhängiger Faktor im Krankheitsverlauf. Die Ergebnisse geben einen Hinweis darauf, daß der Nachweis von Enterokokken in der Abdominalchirurgie relevanter wird, je schwerer die Erkrankung verläuft. Enterokokken scheinen die Prognose dann zu verschlechtern, wenn sie behandelt, oder als behandlungsbedürftig angesehen werden (ein bekanntes, in einem anderen Kontext als healthy-worker-effect bezeichnetes, Phänomen). Der Nachweis von Enterococcus ssp. im intraabdominellen Sekret bei Patienten mit Perforationen im Abdominaltrakt kann häufig als Besiedelung gesehen werden und sollte nicht automatisch zu einer gezielten Therapie führen. Dadurch kann einer Resistenzentwicklung bei Reserveantibiotika vorgebeugt werden. Auch die Relevanz der VRE in der Abdominalchirurgie sollte neu definiert werden. Bei schweren Krankheitsverläufen oder Immunsuppression muß die gezielte Therapie von Enterococcus ssp. selbstverständlich erwogen werden.