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124. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

01. - 04.05.2007, München

Das interdisziplinäre Ethikkonsil auf der operativen Intensivstation - Eine Entscheidung aus dem Bauch heraus?

Meeting Abstract

  • corresponding author A.M. Chromik - Chirurgische Klinik, St. Josef Hospital, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum
  • T. Wemhöner - Chirurgische Klinik, St. Josef Hospital, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum
  • C. Müller - Chirurgische Klinik, St. Josef Hospital, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum
  • H. Laubenthal - Klinik für Anästhesiologie, St. Josef Hospital, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum
  • U. Mittelkötter - Chirurgische Klinik, St. Josef Hospital, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum
  • W. Uhl - Chirurgische Klinik, St. Josef Hospital, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 124. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. München, 01.-04.05.2007. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2007. Doc07dgch7342

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgch2007/07dgch526.shtml

Veröffentlicht: 1. Oktober 2007

© 2007 Chromik et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Das Ethikkonsil (EK) auf der Intensivstation (ITS) beantwortet in einem interdisziplinären multiprofessionellen Team - unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens des Patienten - die Frage, ob bei einem kritisch Kranken die Therapie maximiert oder begrenzt werden soll. Dabei erfolgt die Einberufung eines EK allein aufgrund der subjektiven und klinischen Einschätzung von Mitgliedern des Behandlungsteams. Ziel der Arbeit war es, die Legitimation eines EK mit Hilfe eines intensivmedizinischen Score-Systems zu überprüfen und die Auswirkungen der getroffenen Entscheidungen auf den weiteren klinischen Verlauf zu untersuchen.

Material und Methoden: Es erfolgte eine prospektive Erfassung aller Patienten mit einem EK auf der operativen ITS des St. Josef-Hospitals Bochum über einen Zeitraum von 2 Jahren. Untersucht wurden Alter, Geschlecht, Art der Erkrankung, SOFA-Score zum Zeitpunkt der Aufnahme auf die ITS und zum Zeitpunkt des EK sowie Liegezeit bis zur Einberufung eines EK. Alter und Gesamt-Liegezeit auf der ITS wurden außerdem einem Vergleichskollektiv von Intensivpatienten ohne EK gegenübergestellt. Liegezeit auf der ITS und Mortalität wurden in Abhängigkeit von den vier möglichen Therapieentscheidungen (Therapiemaximierung, -begrenzung, -reduktion, -abbruch) berechnet. Angegeben wurden Mittelwerte und Standardfehler, die statistische Auswertung erfolgte mittels T-Test und Mann-Whitney Test (Signifikanzniveau mit p ≤ 0.05).

Ergebnisse: Innerhalb des Beobachtungszeitraums wurde auf der ITS bei n = 52 Patienten (30 Frauen, 22 Männer) ein EK durchgeführt. Das Alter dieser Patienten war mit 76,6 Jahren (± 1,65) um 8,3 Jahre höher als das Alter des Vergleichskollektivs ohne EK (68,3 Jahre ± 0,57) (p ≤ 0.001, T-Test). Die Gesamtliegezeit auf der ITS betrug für EK-Patienten 33,8 Tage (± 5,96) gegenüber 6,18 Tage (± 0,30) im Vergleichskollektiv (p ≤ 0,001, Mann-Whitney-Test). Der SOFA-Score lag zum Zeitpunkt des EK mit 7,52 (± 0,48) signifikant höher als bei Aufnahme auf die ITS mit 4,29 (± 0,42) (p ≤ 0,001, T-Test). Die EK-Entscheidungen lauteten: Therapiemaximierung bei n = 9 (17,3%), Therapiebegrenzung n = 25 (48,1%), Therapiereduktion n = 4 (7,7%) und Therapieabbruch n = 14 (26,9%). Nach Therapiemaximierung war die mittlere Liegezeit mit 38,22 Tagen (± 27,10) signifikant länger als nach allen anderen Therapieentscheidungen (p ≤ 0.05, Mann-Whitney-Test). Nach Therapiemaximierung konnten 3 von 9 Patienten entlassen werden (33%), die übrigen 6 (67%) sind auf der ITS verstorben. Nach einer EK-Entscheidung anders als Therapiemaximierunng verstarben 42 von 43 Patienten (97,7%). Die Gesamtletalität aller EK-Patienten lag somit bei 92,3%.

Schlussfolgerung: Zum Zeitpunkt der Indikationsstellung für ein EK lag eine signifikante Verschlechterung des SOFA-Scores im Verlauf vor. Somit sind klinische Einschätzung des Behandlungsteams und SOFA-Score bei der Indikationsstellung für ein EK gleichwertig. Patienten, die ein EK erhalten, haben einen Sofa-Score, der eine in dieser Studie beobachtete Letalität von 92,3% erwarten läßt. Somit ist eine Letalität von 67% für die Patienten mit Therapiemaximierung bereits als Erfolg zu werten und zeigt, dass das EK die Funktion eines Diskriminators hat – zwischen maximaler Therapieanstrengung trotz schlechter Prognose und maßvoller Therapiebegrenzung für hoffnungslose Fälle, denen dadurch ein humanes Sterben ermöglicht wird.