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123. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

02. bis 05.05.2006, Berlin

Die asymptomatische Carotisstenose – eine Studie wird zum Problem

Meeting Abstract

  • corresponding author D. Böckler - Abteilung für Gefäßchirurgie
  • H. Schumacher - Abteilung für Gefäßchirurgie
  • S. Ockert - Abteilung für Gefäßchirurgie
  • J.-R. Allenberg - Abteilung für Gefäßchirurgie

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 123. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Berlin, 02.-05.05.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06dgch4613

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgch2006/06dgch188.shtml

Veröffentlicht: 2. Mai 2006

© 2006 Böckler et al.
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Gliederung

Text

Einleitung: Die ACST-Studie konnte erstmalig bei asymptomatischen Patienten den Nachweis einer effizienten Schlaganfallprävention durch eine Operation erbringen. Warum und für wen wird diese randomisierte Studie trotz Evidenzlevel I zum Problem?

Material und Methoden: Das Problem entsteht bei der Übertragung der Studienergebnisse in den klinischen Alltag. Die „absolute Risikoreduktion“ (ARR, ACST: 5.4%) durch die Karotis-TEA, im Langzeitverlauf einen Schlaganfall zu erleiden, wird von der perioperativen Komplikationsrate bestimmt. D.h., eine niedrige individuelle Komplikationsrate erhöht den prophylaktischen Wert der Karotis-TEA – und umgekehrt. Durch eine geringe perioperative Schlaganfallrate wird somit die absolute Risikoreduktion erhöht und die Anzahl der zu operierenden Patienten, die numbers needed to treat (NNT, ACST:19), erniedrigt. Der sog. break even point, d.h. der Zeitpunkt, ab dem der Patient nach seiner Operation von dem prophylaktischen Effekt der Operation langfristig profitiert, (ACST: 2 J.) verschiebt sich zugunsten der Operation graphisch nach links bzw. zeitlich nach vorne. Der Patient profitiert von einer Operation schon nach Wochen bis wenigen Monaten.

Ergebnisse: Eine bundesweit durchgeführte Qualitätssicherungsstudie der Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung konnte folgenden Effekt belegen: Die Ergebnisse der Karotis-TEA verbessern sich mit der Zunahme der Operationsfrequenz. Dies ist ein Argument für die Forderung der Krankenkassen nach Mindestmengen in der Chirurgie. Übertragen wir diese statistischen Zahlenberechnungen in die Praxis, erkennt man, für wen die Studie ein Problem darstellt: Für den Patienten, denn er soll bzw. muss in einem Zentrum mit geringer Komplikationsrate operiert werden. Er selbst kennt die internen Qualitätsdaten der jeweiligen Kliniken nicht und hat dazu auch keinen Zugang. Für den zuweisenden Arzt, denn er steht vor dem gleichen Problem: Er kennt die Ergebnisse „seines eigenen“ Gefäßchirurgen nicht. Diese existieren zwar, sind aber z.B. im Internet nicht publiziert. Für den Gefäßchirurgen wird die ACST-Studie zum Problem, weil nun zu fordern ist, dass die Karotis-TEA nur noch in Zentren durchgeführt werden sollte. Diese müssen über eine hohe Expertise, eine kontstant hohe Operationsfrequenz mit nachweisbar niedriger Komplikationsrate verfügen. Kleinere Abteilungen mit geringem Aufkommen müssen diese Operation an ein Zentrum abgeben. Zudem entwickelt sich ein Ausbildungsdilemma: Wenn die Operation auf dem höchsten nur möglichen Niveau durchzuführen ist, stellt die Carotis-TEA beim asymptomatischen Patienten somit auch keine Ausbildungsoperation mehr dar. Trotzdem muss der zukünftige Gefäßchirurg diese Operation beherrschen und im Rahmen seiner Ausbildung mit bestmöglicher Operationstechnik erlernen und trainieren.

Schlussfolgerung: Die ACST-Studie konnte belegen, dass die Karotis-TEA bei asymptomatischen Patienten der alleinigen bestmöglichen konservativen Therapie überlegen ist. Dennoch müssen weitere Selektionskriterien für dienjenigen Patienten mit asymptomatischer Carotisstenose identifiziert werden, die unbehandelt das größte Risiko eines Schlaganfalles trägen und somit am meisten von einer Operation profitieren würden. Jeder Chirurg muß dabei sein persönlichee operative Schlaganfallrate kennen. Qualitätssicherung, Zentrumsbildung und Mindestmengendiskussion erlangen vor dem Hintergrund der vermeintlichen Therapiealternative Carotisstenting eine zusätzliche Bedeutung.