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122. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie

05. bis 08.04.2005, München

Instrumentalisierung klinischer Pfade im Risko-Managment

Meeting Abstract

  • corresponding author M. Schnabel - Klinik für Unfall-, Widerherstellungs- und Handchirurgie der Philipps-Universität Marburg
  • M. Bäumlein - Klinik für Unfall-, Widerherstellungs- und Handchirurgie der Philipps-Universität Marburg
  • C. Biber - Klinik für Unfall-, Widerherstellungs- und Handchirurgie der Philipps-Universität Marburg
  • O. Heger - Institut für Medizinische Informatik der Philipps-Universität Marburg
  • K. A. Kuhn - Institut für Medizinische Informatik der Philipps-Universität Marburg
  • I. Kopp - Institut für theoretische Chirurgie der Philipps-Universität Marburg und AWMF Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Chirurgie. 122. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. München, 05.-08.04.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05dgch3794

Die elektronische Version dieses Artikels ist vollständig und ist verfügbar unter: http://www.egms.de/de/meetings/dgch2005/05dgch746.shtml

Veröffentlicht: 15. Juni 2005

© 2005 Schnabel et al.
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Gliederung

Text

Einleitung

Die Implementierung klinischer Pfade auf Basis überregionaler Leitlinien erfordert auf lokaler Ebene eine problem- und prozessorientierte, arbeitsplatzspezifische Ausarbeitung im Konsens aller Beteiligten (local tailoring, barrierenorientierte Intervention). Grundlage ist die logische Analyse des Behandlungsablaufs vor Ort (klinischer Algorithmus). Der konsentierte und vom Klinikumsvorstand autorisierte Pfad steht mit der Implementierung vor seiner eigentlichen Herausforderung. Durch die Einbindung des Pfades in das Krankenhausinformationssystem (KIS) kann dieser durch Online-Hilfestellungen sowie inhärente Remindereffekte als wirkungsvolles Instrument zur standardisierten Workflowsteuerung und -unterstützung operrationalisiert werden. Gleichzeitig eröffnet die KIS-Implementierung erweiterte Möglichkeiten im Risikomanagement.

Material und Methoden

Am Beispiel des interdisziplinären, interprofessionellen und schnittstellenübergreifend entwickelten klinischen Pfades „Proximale Femurfraktur“ der Klinik für Unfall-, Wiederherstellungs- und Handchirurgie wird die Implementierung im KIS mit den daraus resultierenden Möglichkeiten im Risikomanagement aufgezeigt.

Ergebnisse

Basierend auf den Erkenntnissen einer einjährigen prospektiven Beobachtungsstudie an 169 Patienten mit proximaler Femurfraktur (129 weiblich (76,3%) und 40 männlich (23,7); Altersmedian 80 Jahre (Range 60-102) mit einem 1-Jahres follow up von 96,6% erfolgte die Pfaderstellung. Eckpunkte des strukturierten Vorgehens zur Erstellung des interdisziplinären, interprofessionellen und schnittstellenübergreifenden klinischen Pfades „Proximale Femurfraktur“ waren neben Leitlinien- und Literaturrecherche, der Definition des Soll- und der Analyse des Ist-Zustands, der Durchführung einer formalen Barrierenanalyse, zur Identifikation förderlicher und hinderlicher Faktoren für die Verbesserung der Versorgungsqualität im Rahmen des Ist-Soll-Vergleichs, der Entwurf eines Torsoalgorithmus und erläuternder Checklisten, ein formale Konsensusverfahren, die Festlegung von Verantwortlichkeiten und Personalzuweisungen, der Praxistest am fiktiven Patienten und schließlich die Ausarbeitung des Algorithmus von Checklisten und Textversion, die Zusammenstellung der Indikatoren zur Beurteilung der Versorgungsqualität im Ist-Soll-Vergleich (Evaluation) sowie die Festlegung der Implementierungsstrategie (Pfad-Abbildung im Intranet, „academic detailing“, klinikinterne fachgruppenübgreifende Fortbildungen). Zur Implementierung im Krankenhausinformationssystem (KIS) wurde der Pfad in drei logische Abschnitte unterteilt. Der erste Abschnitt (15 von insgesamt 22 Pfadstationen) umfasst Diagnostik, Therapieplanung und –vorbereitung sowie die stationäre Aufnahme. Dieser Teil wurde mittlerweile vollständig im KIS abgebildet. Mit dem Pfadmodul im KIS wurden zusätzlich zur effektiveren Pfadumsetzung durch dessen Einbildung in den Routineablauf Elemente zur Fehlervorbeugung als Maßnahmen im Risko-Management implementiert. Durch die Verwendung des Pfadmoduls erfolgt die Betreuung des Patienten eng an den Vorgaben des Pfades, gleichzeitig werden dem jüngeren Arzt online erläuternde Pfadinformationen zur Verfügung gestellt und die angestrebte Vollständigkeit im Prozessmanagement verbessert. Zudem werden vom System zur Fehlervermeidung an kritischen Punkten Informationen eingefordert. Die bisherigen Erfahrungen mit der Pfadumsetzung im KIS sind positiv, wobei kaum Akzeptanzprobleme aufgetreten sind.

Schlussfolgerung

Behandlungspfade werden heute an vielen Krankenhäusern erstellt und konsentiert. Die Implementierung stellt nach den eigenen Erfahrungen die größte Herausforderung dar und ist mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Die zumeist passiven Edukationskonzepte (Disseminierung u.a. durch Fortbildung, Printform und Abbildung im Intranet) haben sich als ineffektiv erwiesen. Wird keine geeignete Implementierungsstrategie gewählt scheitert die Umsetzung des Pfades in die Praxis häufig, egal wie gut das Produkt Pfad ist, an den Erfordernissen des klinischen Alltages. Mit der Abbildung im KIS kann der Pfad zum Routinearbeitsinstrument werden, vorausgesetzt die digitale Umsetzung unterstützt den klinischen Workflow wirkungsvoll. Das Umsetzungskonzept wird von den Anwendern auf den Prüfstand gestellt und nicht anhand abstrakter Ziele, sondern am realen zeitlichen Aufwand im Vergleich zum herkömmlichen schriftlichen Vorgehen, implementierten bedarfsgerechten Hilfestellungen und der Intelligenz des Datenmanagements gemessen. Dabei muss es gelingen im KIS einen Grad an Verfügbarkeit für einmal eingegebene Informationen zu erreichen, der redundante Erfassungen ausschließt. Gleichzeitig muss die bedarfsgerechte Komposition der gespeicherten Daten für alltägliche Aufgaben (z.B. Order-Entry, Codierung, Arztbriefe) und spezielle Anforderungen (wissenschaftliche Auswertungen) unterstützt werden. Dem Oberflächendesign und der Abbildung der Masken zur Informationserfassung kommt ebenfalls eine große Bedeutung zu. Hierfür müssen von Seiten der Software-Ingenieur nicht nur die inhaltlichen sondern insbesondere die funktionellen Anforderungen der Anwender umgesetzt werden. Wir haben uns zum Ziel gesetzt einmal eingegebene Daten an möglichst vielen anderen Punkten im Online-Pfad wieder zur Verfügung zu stellen. Dies setzt ein möglichst schnittstellenfreies Gesamtsystem voraus, in dem Informationen problemlos jederzeit, losgelöst von Formularen und Funktionen abgerufen werden können. Gelingt die nutzerfreundliche Umsetzung und wird unter den Anwendern Akzeptanz erzielt, können implementierte Elemente zur Umsetzung von Maßnahmen im Risko-Management wirksam werden.