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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

ISSN 2366-5017

Antwort auf den Leserbrief von J. Hissbach, S. Zimmermann & W. Hampe

Leserbrief Studierendenauswahl

  • Iris Kesternich - Universität Leuven, Fachbereich Ökonomie, Leuven, Belgien
  • Heiner Schumacher - Universität Leuven, Fachbereich Ökonomie, Leuven, Belgien
  • corresponding author Joachim Winter - Universität München, Volkswirtschaftliche Fakultät, Seminar für Empirische Wirtschaftsforschung, München, Deutschland
  • Martin R. Fischer - Klinikum der Universität München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland
  • Matthias Holzer - Klinikum der Universität München, Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin, München, Deutschland

GMS J Med Educ 2017;34(2):Doc15

doi: 10.3205/zma001092, urn:nbn:de:0183-zma0010924

Dieses ist die deutsche Version des Artikels.
Die englische Version finden Sie unter: http://www.egms.de/en/journals/zma/2017-34/zma001092.shtml

Eingereicht: 20. März 2017
Überarbeitet: 20. März 2017
Angenommen: 20. März 2017
Veröffentlicht: 15. Mai 2017

© 2017 Kesternich et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Leserbrief

Wir bedanken uns für den Leserbrief "Studierendenauswahl kann den Allgemein- und Landarztmangel nicht lösen" von J. Hissbach, S. Zimmermann & W. Hampe [1] zu unserem Artikel "Student characteristics, professional preferences, and admission to medical school." GMS J Med Educ. 2017;34(1):Doc5 [2].

Für das von uns in der multiplen Regressionsanalyse verwendete bivariate Probitmodell ist die Angabe eines Pseudo-R² unüblich. Die Güte unseres Modells kann z.B. durch einen Chi-Quadrat-Test charakterisiert werden, mit dem die Null-Hypothese, dass alle Koeffizienten des Modells gleichzeitig nicht von Null verschieden sind, mit einem p-Wert von 0.029 abgelehnt wird. Wir halten unsere Ergebnisse deshalb für aussagekräftig – mit den im Artikel gemachten methodischen Einschränkungen bzgl. der Repräsentativität der Stichprobe und der Tatsache, dass es sich lediglich um die Selbsteinschätzungen der Studierenden und nicht um deren tatsächliche Berufswahl handelt.

22% der Studierenden, die eine hausärztliche Tätigkeit auf dem Land anstreben (n=16), haben in unserer Stichprobe nach eigenen Angaben für mindestens ein Semester gewartet sowie 18% der zukünftigen Nicht-Landärzte. Die durchschnittliche Anzahl der Wartesemester lag bei 2.12 unter allen 73 Teilnehmern mit Landarztwunsch versus 1.40 unter allen zukünftigen Nicht-Landärzten. Wenn man nur die Studierenden berücksichtigt, die mindestens ein Wartesemester in Anspruch genommen haben, liegt die durchschnittliche Anzahl von Wartesemestern jedoch bei 7.96 („Nicht-Landärzte“) beziehungsweise 9.69 („Landärzte“). Damit liegt die Anzahl der Wartesemester in unserer Stichprobe deutlich unter der durchschnittlichen Wartezeit von 7 Jahren [3].

Studierende aus der Wartesemesterquote weisen einen geringeren Studienerfolg auf als die über andere Quoten zugelassenen Studierenden – so wie auch in unserem Artikel angemerkt (vgl. [4]). Es wäre sicher von großem Interesse, die Studierenden mit Wartesemestern und dem Wunsch, eine hausärztliche Tätigkeit auf dem Land auszuüben, in weiteren Studien näher zu untersuchen und ihnen in den ersten Studienjahren spezifische Studienangebote zu machen, um besser auf das unterschiedliche Vorwissen und die größeren Praxisvorerfahrungen einzugehen.

In der Tat enthält unser Datensatz keine Angaben zum freiwilligen sozialen Engagement unserer Studienteilnehmer. Die Intention unserer Diskussion war daher lediglich, die Möglichkeit einer auf freiwilligen Tätigkeiten vor Studienbeginn basierenden Auswahl aufzuzeigen. In aktuellen verhaltensökonomischen Forschungsarbeiten zeigen wir, dass aus früheren freiwilligen Engagements Rückschlüsse auf persönliche Präferenzen gezogen werden können [5]. Es erscheint also möglich, bestimmte Angaben auf dem Lebenslauf bei der Selektion der Studierenden zu verwenden, um den Haus- und Landärztemangel abzumildern. Ob sich dieser Ansatz in der Praxis bewähren würde, muss an dieser Stelle selbstverständlich offen bleiben.

Von großer Bedeutung ist ohne Frage die ausreichende curriculare Berücksichtigung ambulanter Versorgung in Stadt und Land im hausärztlichen und primärversorgenden Kontext. Dafür sind die strukturellen Voraussetzungen in Deutschland dank allgemeinmedizinischer Lehrstühle an nunmehr fast allen Medizinischen Fakultäten und ausgedehnter Lehrpraxennetzwerke besser denn je.

Grundsätzlich kann man die Frage stellen, inwieweit es bereits bei Zulassung zum Medizinstudium überhaupt möglich ist, die späteren Berufswünsche der Absolventen verlässlich vorherzusagen. Aus dem Bedarf des Gesundheitssystems und den Präferenzen der derzeitigen Studierenden abgeleitete Kriterien für eine Studierendenselektion sind sicher nicht unproblematisch. Sie stellen nach unserer Auffassung neben Anreizen, die erst nach Studienende greifen, jedoch eine potenzielle Steuerungsmöglichkeit dar, um beispielsweise den Anteil von Absolventen des Medizinstudiums, die eine hausärztliche Tätigkeit auf dem Land anstreben, zu erhöhen. Ob dieses offensichtlich politisch gesetzte Ziel tatsächlich erreicht werden kann, müssen zukünftige Untersuchungen zeigen, die den Zusammenhang zwischen verschiedenen denkbaren Auswahlkriterien und den tatsächlichen Berufswahlentscheidungen der zukünftigen Ärztinnen und Ärzte untersuchen.


Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

1.
Hissbach J, Zimmermann S, Hampe W. Student selection cannot resolve the lack of general practitioners and country doctors. GMS J Med Educ. 2017;34(2):Doc16. DOI: 10.3205/zma001093 Externer Link
2.
Kesternich I, Schumacher H, Winter J, Fischer MR, Holzer M. Student characteristics, professional preferences, and admission to medical school. GMS J Med Educ. 2015;34(1):Doc5. DOI: 10.3205/zma001082 Externer Link
3.
Heidmann J, Schwibbe A, Kadmon M, Hampe W. Warten aufs Medizinstudium – Sieben lange Jahre. Dtsch Arztebl. 2016;113:A1636-A1637.
4.
Kadmon G, Resch F, Duelli R, Kadmon M. Predictive value of the school-leaving grade and prognosis of different admission groups for academic performance and continuity in the medical course – a longitudinal study. GMS J Med Educ. 2014;31(2):Doc21. DOI: 10.3205/zma000913 Externer Link
5.
Heinz M, Schumacher H. Signalling cooperation. Working Paper No. 1094. London: Centre for Economic Policy Research; 2015. Zugänglich unter/available from: https://www.econstor.eu/bitstream/10419/145648/1/VfS_2016_pid_6591.pdf Externer Link