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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Informelle Pflege bei Demenz nach Leistungsarten

Meeting Abstract

  • Christian Brettschneider - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung, Hamburg
  • Andre Hajek - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung, Hamburg
  • Janine Stein - Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP), Leipzig
  • Tobias Luck - Hochschule Nordhausen, ISRV – Institut für Sozialmedizin, Rehabilitationswissenschaften und Versorgungsforschung, Nordhausen
  • Silke Mamone - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, AG Medizinische Statistik und IT-Infrastruktur, Hannover
  • Birgitt Wiese - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Allgemeinmedizin, AG Medizinische Statistik und IT-Infrastruktur, Hannover
  • Edelgard Mösch - Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, München
  • Dagmar Weeg - Technische Universität München, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, München
  • Angela Fuchs - Heinrich-Heine Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Institut für Allgemeinmedizin, Düsseldorf
  • Michael Pentzek - Heinrich-Heine Universität Düsseldorf, Medizinische Fakultät, Institut für Allgemeinmedizin, Düsseldorf
  • Jochen Werle - Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim
  • Siegfried Weyerer - Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim
  • Tina Mallon - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Allgemeinmedizin, Hamburg
  • Hendrik van den Bussche - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Allgemeinmedizin, Hamburg
  • Kathrin Heser - Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie/Psychotherapie, Bonn
  • Michael Wagner - Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie/Psychotherapie, Bonn
  • Martin Scherer - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Allgemeinmedizin, Hamburg
  • Wolfgang Maier - Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie/Psychotherapie, Bonn
  • Steffi G. Riedel-Heller - Universität Leipzig, Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP), Leipzig
  • Hans-Helmut König - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Gesundheitsökonomie und Versorgungsforschung, Hamburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf162

doi: 10.3205/18dkvf162, urn:nbn:de:0183-18dkvf1621

Published: October 12, 2018

© 2018 Brettschneider et al.
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Text

Hintergrund: Demenz stellt eine gesellschaftliche Herausforderung dar und wird dies in Zukunft in noch stärkerem Ausmaß tun. In der Versorgung von Menschen mit Demenz spielt die informelle Pflege eine zentrale Rolle. Informell Pflegende erbringen allerdings nicht nur Leistungen der Grundpflege, sondern unterstützen den Betroffenen in verschiedenen Bereichen des Alltags. Haushaltsführung, die Einhaltung von Medikamentenregimen, die Regelung von Finanzen oder schlicht die Beaufsichtigung des Betroffenen finden sich unter den Aufgaben informell Pflegender. Bisherige Untersuchungen berücksichtigten informelle Pflege jedoch als Aggregat und betrachteten nicht die Ebene einzelner Leistungen.

Fragestellung: Wie stark ist der Zusammenhang zwischen informellen Einzelleistungen der Pflege und Demenz ausgeprägt ist?

Methode: Die Daten entstammen der 7. Welle der AgeCoDe/AgeQualiDe-Studie, einer seit dem Jahr 2003 durchgeführten Kohortenstudie. Teilnehmer wurden an 6 Studienzentren in Deutschland auf der Ebene von Hausarztpraxen rekrutiert. Teilnehmer wurden eingeschlossen, wenn sie mindestens 75 Jahre alt waren, zum Einschlusszeitpunkt nicht unter einer Demenz litten und mindestens einen Hausarztkontakt innerhalb des letzten Jahres hatten. Daten wurden im Interformat mittels einer umfassenden Fragebogenbatterie erhoben. Das Vorliegen einer Demenz wurde gemäß DSM-IV festgestellt. Der Schweregrad der Demenz basiert auf dem Clinical Dementia Rating. Acht verschiedene informelle Leistungen wurden berücksichtigt. Inanspruchnahme wurde dichotom operationalisiert. Fehlende Werte wurden mittels Multiple Imputation using Chained Equations (MICE) Verfahrens imputiert. Zur Bestimmung von Zusammenhängen zwischen der Inanspruchnahme einzelner Leistungen und Demenz/Demenzschwere wurden logistische Regressionsmodelle geschätzt. Diese wurden für verschiedene soziogemographische und klinische Parameter adjustiert.

Ergebnisse: Das durchschnittliche Alter der Stichprobe lag bei 89 Jahren (SAW: 3 Jahre). 46% der Menschen mit Demenz wurden im Pflegeheim versorgt. Von 864 Teilnehmern litten 18?% unter einer Demenz (sehr leicht: 4?%; leicht: 6?%; mittelgradig: 5?%; schwer: 3?%). Alle informellen Pflegeleistungen waren signifikant mit dem Vorliegen einer Demenz assoziiert. Besonders hervorzuheben sind „Beaufsichtigung“ (OR: 18,53), „Regelung finanzieller Angelegenheiten“ (OR: 11,38) und „Hilfe bei der Medikamenteneinnahme“ (OR: 8,48). Ähnliche Ergebnisse zeigten sich auch bei der Betrachtung nach dem Schweregrad. Für alle 3 Leistungen bestand eine signifikante Assoziation zwischen Schweregrad und Inanspruchnahme (Ausnahme: sehr leichte Demenz und Aufsicht). Hilfe bei der Haushaltsführung war am schwächsten mit Demenz assoziiert.

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass alle informellen Pflegeleistungen mit Demenz assoziiert sind. Besonders ausgeprägt ist diese Assoziation bei Aufgaben, die der Pflegende leichter mit seinem Alltag verbinden kann. Beaufsichtigung erfolgt parallel zu Tätigkeiten, die Aufsichtsperson im Alltag erfüllt. Hilfe bei der Medikamenteneinnahme ist auf festgelegte Zeitpunkte begrenzt. Zur Regelung finanzieller Angelegenheiten, die in den meisten Fällen nicht akut sind, können Termine gelegt werden. Die schwachausgeprägte Assoziation zur Hilfe bei Haushaltsleistungen kann vor dem Hintergrund der Pflegeheimversorgung von Menschen mit Demenz interpretiert werden.

Praktische Implikationen: Informelle Pflege spielt bei der Versorgung der Demenz eine bedeutende Rolle. Dies findet in politischen Maßnahmen Berücksichtigung. Bei der versorgungspolitischen Einplanung informeller Pflege in die allgemeine Versorgung von Menschen mit Demenz sollte berücksichtigt werden, dass informell Pflegende zwar in allen Bereichen Einsatz zeigen, jedoch Bereiche, die hohe Flexibilität erlauben, bevorzugt sind.