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Informelle Pflege bei Demenz nach Leistungsarten
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Published: | October 12, 2018 |
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Hintergrund: Demenz stellt eine gesellschaftliche Herausforderung dar und wird dies in Zukunft in noch stärkerem Ausmaß tun. In der Versorgung von Menschen mit Demenz spielt die informelle Pflege eine zentrale Rolle. Informell Pflegende erbringen allerdings nicht nur Leistungen der Grundpflege, sondern unterstützen den Betroffenen in verschiedenen Bereichen des Alltags. Haushaltsführung, die Einhaltung von Medikamentenregimen, die Regelung von Finanzen oder schlicht die Beaufsichtigung des Betroffenen finden sich unter den Aufgaben informell Pflegender. Bisherige Untersuchungen berücksichtigten informelle Pflege jedoch als Aggregat und betrachteten nicht die Ebene einzelner Leistungen.
Fragestellung: Wie stark ist der Zusammenhang zwischen informellen Einzelleistungen der Pflege und Demenz ausgeprägt ist?
Methode: Die Daten entstammen der 7. Welle der AgeCoDe/AgeQualiDe-Studie, einer seit dem Jahr 2003 durchgeführten Kohortenstudie. Teilnehmer wurden an 6 Studienzentren in Deutschland auf der Ebene von Hausarztpraxen rekrutiert. Teilnehmer wurden eingeschlossen, wenn sie mindestens 75 Jahre alt waren, zum Einschlusszeitpunkt nicht unter einer Demenz litten und mindestens einen Hausarztkontakt innerhalb des letzten Jahres hatten. Daten wurden im Interformat mittels einer umfassenden Fragebogenbatterie erhoben. Das Vorliegen einer Demenz wurde gemäß DSM-IV festgestellt. Der Schweregrad der Demenz basiert auf dem Clinical Dementia Rating. Acht verschiedene informelle Leistungen wurden berücksichtigt. Inanspruchnahme wurde dichotom operationalisiert. Fehlende Werte wurden mittels Multiple Imputation using Chained Equations (MICE) Verfahrens imputiert. Zur Bestimmung von Zusammenhängen zwischen der Inanspruchnahme einzelner Leistungen und Demenz/Demenzschwere wurden logistische Regressionsmodelle geschätzt. Diese wurden für verschiedene soziogemographische und klinische Parameter adjustiert.
Ergebnisse: Das durchschnittliche Alter der Stichprobe lag bei 89 Jahren (SAW: 3 Jahre). 46% der Menschen mit Demenz wurden im Pflegeheim versorgt. Von 864 Teilnehmern litten 18?% unter einer Demenz (sehr leicht: 4?%; leicht: 6?%; mittelgradig: 5?%; schwer: 3?%). Alle informellen Pflegeleistungen waren signifikant mit dem Vorliegen einer Demenz assoziiert. Besonders hervorzuheben sind „Beaufsichtigung“ (OR: 18,53), „Regelung finanzieller Angelegenheiten“ (OR: 11,38) und „Hilfe bei der Medikamenteneinnahme“ (OR: 8,48). Ähnliche Ergebnisse zeigten sich auch bei der Betrachtung nach dem Schweregrad. Für alle 3 Leistungen bestand eine signifikante Assoziation zwischen Schweregrad und Inanspruchnahme (Ausnahme: sehr leichte Demenz und Aufsicht). Hilfe bei der Haushaltsführung war am schwächsten mit Demenz assoziiert.
Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass alle informellen Pflegeleistungen mit Demenz assoziiert sind. Besonders ausgeprägt ist diese Assoziation bei Aufgaben, die der Pflegende leichter mit seinem Alltag verbinden kann. Beaufsichtigung erfolgt parallel zu Tätigkeiten, die Aufsichtsperson im Alltag erfüllt. Hilfe bei der Medikamenteneinnahme ist auf festgelegte Zeitpunkte begrenzt. Zur Regelung finanzieller Angelegenheiten, die in den meisten Fällen nicht akut sind, können Termine gelegt werden. Die schwachausgeprägte Assoziation zur Hilfe bei Haushaltsleistungen kann vor dem Hintergrund der Pflegeheimversorgung von Menschen mit Demenz interpretiert werden.
Praktische Implikationen: Informelle Pflege spielt bei der Versorgung der Demenz eine bedeutende Rolle. Dies findet in politischen Maßnahmen Berücksichtigung. Bei der versorgungspolitischen Einplanung informeller Pflege in die allgemeine Versorgung von Menschen mit Demenz sollte berücksichtigt werden, dass informell Pflegende zwar in allen Bereichen Einsatz zeigen, jedoch Bereiche, die hohe Flexibilität erlauben, bevorzugt sind.