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GMS Zeitschrift für Audiologie — Audiological Acoustics

Deutsche Gesellschaft für Audiologie (DGA)

ISSN 2628-9083

Impact of speech rate and noise on speech recognition in Göttingen and HSM sentence test

Einfluss von Sprechtempo und Störgeräusch auf das Sprachverstehen im Göttinger und im HSM-Satztest

Originalarbeit

  • corresponding author Alexandra Winkler - Institut für Hörtechnik und Audiologie, Jade Hochschule Oldenburg, Deutschland; Exzellenzcluster „Hearing4All“, Oldenburg, Deutschland
  • Anne Schlüter - Institut für Hörtechnik und Audiologie, Jade Hochschule Oldenburg, Deutschland; Exzellenzcluster „Hearing4All“, Oldenburg, Deutschland
  • Tina Gebauer - Institut für Hörtechnik und Audiologie, Jade Hochschule Oldenburg, Deutschland
  • Josephine Seifert - Institut für Hörtechnik und Audiologie, Jade Hochschule Oldenburg, Deutschland
  • Laura Tuschen - Institut für Hörtechnik und Audiologie, Jade Hochschule Oldenburg, Deutschland
  • Andreas Radeloff - Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde am Evangelischen Krankenhaus Oldenburg, Carl von Ossietzky Universität, Oldenburg, Deutschland; Exzellenzcluster „Hearing4All“, Oldenburg, Deutschland; Forschungszentrum Neurosensorik, Carl von Ossietzky Universität, Oldenburg, Deutschland
  • Inga Holube - Institut für Hörtechnik und Audiologie, Jade Hochschule Oldenburg, Deutschland; Exzellenzcluster „Hearing4All“, Oldenburg, Deutschland

GMS Z Audiol (Audiol Acoust) 2021;3:Doc02

doi: 10.3205/zaud000014, urn:nbn:de:0183-zaud0000145

Published: March 12, 2021
Published with erratum: March 24, 2021

© 2021 Winkler et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Zusammenfassung

Das Sprachverstehen von Cochlea-Implantat (CI)-Trägern kann u. a. mit dem Hochmair-Schulz-Moser-(HSM)-Satztest oder dem Göttinger Satztest (GÖSA) überprüft werden. Beide Satztests bestehen aus Alltagssätzen, unterscheiden sich aber in der Artikulation, im Sprechtempo, im verwendeten Störgeräusch und in der Kalibrierung. Im klinischen Alltag wird der GÖSA im Vergleich zum HSM für CI-Träger teilweise als zu schwierig angesehen. Die Sprechrate als Maß für das Sprechtempo ist mit 279 Silben/min beim GÖSA höher als beim HSM mit 222 Silben/min. Die standardmäßig verwendeten Störgeräusche (CCITT-Rauschen beim HSM und GÖnoise beim GÖSA) bewirken eine unterschiedliche Verdeckung des Sprachmaterials. Um den Einfluss des Störgeräuschs und des Sprechtempos zu erfassen, wurde das Sprachverstehen bei CI-Trägern und bei einer Kontrollgruppe ohne Hörbeeinträchtigung (NH-Gruppe) mit beiden Sprachtests bestimmt. Als Störgeräusche dienten in beiden Sprachtests das CCITT-Rauschen und ein sprachsimulierendes Rauschen (GÖnoise im GÖSA und ein aus seinem Sprachmaterial generiertes Störgeräusch im HSM). Weiterhin wurde die Sprechrate der Sprachmaterialien so verändert, dass der HSM und der GÖSA jeweils eine Sprechrate von 222 und von 279 Silben/min aufwiesen. Pro Satztest wurden damit die Schwellen für ein Sprachverstehen von 50% (SRT50) bei zwei verschiedenen Sprechraten und zwei verschiedenen Störgeräuschen, also vier Messkonditionen ermittelt. Die Darbietung der Signale erfolgte in einer gedämmten Freifeldkabine über einen Lautsprecher, der sich frontal vor dem Probanden befand. Die SRT50-Werte im GÖSA unterschieden sich für die vier Messkonfigurationen weder für die CI-Träger noch für die NH-Gruppe signifikant voneinander. Beim HSM hingegen hatten die Sprechrate und das verwendete Störgeräusch einen signifikanten Einfluss auf das Sprachverstehen. Mit zunehmender Sprechrate erhöhte (verschlechterte) sich der SRT50. Das sprachsimulierende Rauschen führte im Vergleich zum CCITT-Rauschen zu besseren SRT50-Werten bei den CI-Trägern, während sich die SRT50-Werte für die NH-Gruppe verschlechterten. Bei Verwendung der gleichen Kalibrierung sind die SRT50-Werte für den HSM mit erhöhter Sprechrate in der NH-Gruppe für das sprachsimulierende Rauschen und in der CI-Gruppe für das CCITT-Rauschen mit den SRT50-Werten für den GÖSA vergleichbar.

Schlüsselwörter: HSM, GÖSA, CI, Sprechtempo, Zeitkompression, Störgeräusch, Sprachverstehen

Abstract

Speech recognition for cochlear implant (CI) users can be derived using the Hochmair-Schulz-Moser-(HSM) sentence test or the Göttingen sentence test (GÖSA). Both tests use everday sentences, but they differ in articulation, speech tempo, interfering noise and calibration. The GÖSA is regarded in clinical practice as being more difficult to understand for CI users than HSM. Speech rate as a measure of speech tempo of GÖSA is 279 syllables/min and higher than the speech rate of HSM (222 syllables/min). The typical interfering noises, which are used (CCITT noise for HSM and GÖnoise for GÖSA), cause different masking patterns of speech material. Speech recognition was determined using different noises and speech rates for HSM and GÖSA for CI users and people without hearing impairment (NH). CCITT noise and speech simulating noises (GÖnoise for GÖSA and a noise generated from the speech material of HSM) were used for GÖSA and HSM. Speech rate of GÖSA and HSM was changed to present both speech materials at 222 and 279 syllables/min. Therefore, speech recognition thresholds (SRT50) for a score of 50% correct were measured for four different conditions per speech test (two different noises and two different speech rates). All signals (noise and speech) were presented in a sound attenuated booth using one loudspeaker, which was placed in front of the listeners. There was no significant difference in SRT50-values for all GÖSA conditions for both groups of participants. SRT50-values in HSM significantly differed depending on speech rate and noise. SRT50-values increased with increasing speech rate. CI users showed significantly increased SRT50-values in CCITT whereas for group NH, decreasing SRT50 values in CCITT were observed. When using the same calibration, SRT50 values for HSM with higher speech rate were comparable to those for GÖSA for group NH in speech simulating noise and for group CI in CCITT.

Keywords: HSM, GÖSA, CI, speech rate, time compression, noise, speech recognition


Einleitung

Ein wichtiger Aspekt in der alltäglichen Kommunikation ist das Sprachverstehen in Ruhe und in störgeräuschbehafteten Hörsituationen. Eine Einschränkung im Hörvermögen geht oft einher mit einer Einschränkung der Lebensqualität und der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Nach der Leitlinie „Cochlea-Implantat Versorgung“ ist ein Hauptziel einer Versorgung mit einem Cochlea-Implantat (CI) „die berufliche und gesellschaftliche Inklusion sowie die aktive Möglichkeit der lautsprachlichen Kommunikation.“ ([1], Abschnitt 9.3. S. 42). Im Rahmen der Basis- und Folgetherapie erfolgt die Erstanpassung und schrittweise Optimierung des CI. Dabei wird das Hör- und Sprachverstehen anhand verschiedener audiologischer Testverfahren in Ruhe und im Störgeräusch überprüft. Welche Sprachtests und welche Messkonditionen verwendet werden sollen, um das Sprachverstehen nach der Implantation zu ermitteln, geht aus der Leitlinie jedoch nicht hervor. Steffens [2] beschreibt, dass die Wichtigkeit der audiologischen Fragestellung für die Wahl des Testverfahrens entscheidend sei. Beispielsweise würde sich für die Erfassung des Sprachverstehens in alltagsrelevanten Störgeräuschen ein Rauschen des International Collegium of Rehabilitative Audiology (sog. ICRA-Rauschen nach Dreschler et al., [3]) eignen. Im klinischen Bereich werden hingegen zur Beurteilung des reinen Therapieerfolgs meistens Sprachtests mit stationären Störgeräuschen verwendet. Bei Vergleichsmessungen hinsichtlich des Sprachverstehens (z. B.: mit und ohne CI, unterschiedliche Einstellungen des CI) sollte berücksichtigt werden, dass die Messkondition (Wahl des Störgeräuschs, Darbietungsart des Störgeräuschs) einen signifikanten Einfluss auf das Sprachverstehen hat [4], [5].

Nach Hoth und Müller-Deile [6], [7] kann das Sprachverstehen bei CI-Versorgung am genauesten und effektivsten mit dem Oldenburger Satztest (OLSA nach Wagener et al., [8], [9], [10]) erfasst werden. Der OLSA zählt zu den Matrixtests [11]. Das Sprachmaterial wurde mit Hilfe einer Matrix von 50 Wörtern zu meist sinnfreien Sätzen gleicher Struktur (Name – Verb – Zahl – Adjektiv – Objekt) zufällig zusammengesetzt. Jede Wortart hat zehn Alternativen, die von den Probanden vor der Datenaufnahme erlernt werden müssen. Dafür werden zwei Trainingslisten empfohlen [10]. Ein Vorteil dieser Matrixstruktur ist, dass die Sätze durch die Austauschbarkeit der Wörter beliebig oft wiederholt werden können. Nachteilig beim OLSA ist der höhere Zeitaufwand durch die Trainingslisten und bei CI-Trägern muss ein Sprachverstehen mit dem OLSA in Ruhe bei 65 dB SPL von mindestens 75% erreicht werden, um reliable Messergebnisse zu erhalten [12].

Alternativ zum OLSA können nach Müller-Deile [7] auch der Hochmair-Schulz-Moser-Satzest (HSM, [13], [14]) oder der Göttinger Satztest (GÖSA, [15]) verwendet werden. HSM und GÖSA enthalten sinnbehaftete Alltagssätze, unterscheiden sich aber im Sprachmaterial, der Durchführungsart und hinsichtlich des zu verwendenden Störgeräuschs. Der HSM besteht aus 30 Listen mit je 20 Sätzen. Jede Liste enthält 14 Sätze (mit je drei bis acht Wörtern) und sechs Fragesätze [14]. Der GÖSA enthält 400 Sätze (à drei bis sieben Wörter), die zu zehn Listen mit jeweils 20 Sätzen verschiedener Länge zusammengesetzt sind. Die Listen des GÖSA sind in der Phonem- und Wortanzahl gleich und kein Satz wird wiederholt [15]. Im Gegensatz zum OLSA benötigt der GÖSA aufgrund seiner Alltagssatzstruktur keine Trainingsphase, um das Sprachmaterial kennenzulernen. Allerdings haben die Sätze einen hohen Wiedererkennungswert. Mehrfache Nutzung gleicher Listen würde fälschlicherweise zur einer Verbesserung des Sprachverstehens führen. Daher empfiehlt Müller-Deile [7], die genutzten Listen des GÖSA frühestens nach einem Jahr zu wiederholen. Diese Einschränkung sollte aufgrund der Alltagssatzstruktur auch auf den HSM zutreffen.

Beim Vergleich von GÖSA und HSM im Rahmen der CI-Anpassung beschreibt Müller-Deile [7], dass der GÖSA für die Patienten schwieriger zu verstehen sei als der HSM. Diese Beobachtung könnte durch unterschiedliche Sprechercharakteristiken, Artikulation oder Sprechtempo bedingt sein, da sich diese signifikant auf das Sprachverstehen auswirken [16], [17], [18]. Bei der Erstellung des HSM erschien „Hochdeutsch mit leicht bayrischer Färbung wünschenswert“ (S. 93, [14]), während der GÖSA mit einem Sprecher aus Berlin aufgenommen wurde. Müller-Deile (S. 584–5, [7]) beschreibt die Artikulation des GÖSA als schnell (279 Silben/min), undeutlich und umgangssprachlich, hingegen die Aufsprache des HSM als „deutlich artikulierte Bühnensprache mit normaler Sprechgeschwindigkeit“ (222 Silben/min). Dabei stellt sich die Frage, welche Sprechrate einem langsamen und einem schnellen Sprechtempo entspricht und welche Relation zum Alltag besteht. Untersuchungen zeigten, dass das Sprechtempo unter anderem vom Alter, dem Geschlecht, der Pausendauer, dem Informationsgehalt, der eigenen Sprechgewohnheit, der emotionalen Verfassung und der sozialen Herkunft abhängig ist [19], [20], [21]. Nach Gebhard [20] könnte eine Sprechrate von 254–280 Silben/min für die deutsche Sprache als normal angesehen werden. Somit wäre der HSM langsam gesprochen und der GÖSA an der Grenze zum schnelleren Sprechtempo. Andere Studien erreichten ähnliche Werte für die untere Grenze (langsames Sprechtempo), wobei die obere Grenze (schnelleres Sprechtempo) variierte und bis 474 Silben/min betrug [22], [23].

Ein anderer Einflussfaktor auf das Sprachverstehen im Störgeräusch ist die Verdeckungswirkung der Störgeräusche auf das Sprachmaterial. Die höchste Verdeckungswirkung wird erzielt, wenn das Störgeräusch aus dem Sprachmaterial geniert wird und somit das gleiche Leistungsdichtespektrum aufweist [24]. Beim GÖSA wird standardmäßig das sprachsimulierende Rauschen nach Müller [25] verwendet, das aus den Wörtern des Reimtests nach von Wallenberg und Kollmeier [26] generiert wurde. Beim HSM kommt, wie beim Freiburger Einsilbertest [27], hingegen das CCITT-Rauschen [28] aus einer Empfehlung der internationalen Fernmeldeunion (ITU) als Störgeräusch zum Einsatz.

Als Vergleichspunkt für das Sprachverstehen im Störgeräusch wird oft der Signal-Rausch-Abstand (SNR), der zu 50%-igem Sprachverstehen führt (Sprachverständlichkeitsschwelle, engl. Speech Recognition Threshold, SRT50) genutzt. In diesem Punkt weist die Diskriminationsfunktion die höchste Steigung auf, so dass kleine Unterschiede im SNR eine hohe Änderung im Sprachverstehen bewirken können. Beim Vergleich der SRT50-Werte verschiedener Sprachtests muss jedoch die jeweilige Kalibrierung berücksichtigt werden. In Winkler und Holube [29] wurde gezeigt, dass die Spitzenpegel der Freiburger Einsilber dem Pegel des Störgeräuschs entsprechen. DIN EN ISO 8253-3 (2012) [30] fordert jedoch, dass der Sprachpegel wie auch der Störgeräuschpegel als äquivalente Dauerschalldruckpegel (Leq) angegeben werden und somit die digitalen RMS-Werte (Root Mean Square) von Sprachmaterial und Störgeräusch übereinstimmen sollen. Für den Freiburger Einsilbertest resultiert die unterschiedliche Kalibrierung in einer Pegeldifferenz von 6,5 dB. Beim GÖSA wird die Leq-Kalibrierung für Sprache und Störgeräusch nach DIN EN ISO 8253-3 (2012) [30] verwendet. Für den HSM ist jedoch die Einpegelung der Sprache relativ zum CCITT-Rauschen unbekannt, so dass ein Vergleich von klinisch ermittelten Sprachtestergebnissen für GÖSA und HSM nicht möglich ist.

Ziel dieser Untersuchung war deshalb die Analyse der Einflussfaktoren auf den SRT50 für GÖSA und HSM bei Probanden ohne Hörbeeinträchtigung (im Folgenden NH-Gruppe genannt) und bei CI-Trägern. Dazu wurde einerseits die Kalibrierung des HSM untersucht. Andererseits wurden die Sprechraten und Störgeräusche von GÖSA und HSM auf den jeweils anderen Sprachtest angepasst.


Methoden

An den Messungen nahmen zwölf Probanden ohne Hörbeeinträchtigung (NH-Gruppe) und zehn Probanden (CI-Gruppe), die beidseitig mit CI versorgt waren, teil. Tabelle 1 [Tab. 1] gibt einen Überblick über beide Probandengruppen.

Die tonaudiometrischen Hörschwellen der NH-Gruppe wurden seitengetrennt mit dem Audiometer Siemens Unity 2 (Signia GmbH, Erlangen) und dem Kopfhörer Sennheiser HDA 200 (Sennheiser electronic GmbH & Co. KG, Wedemark) nach DIN 8253-1 (2011) [31] ermittelt. Dabei war für jedes Ohr ein Hörvermögen von maximal 10 dB HL im Frequenzbereich von 250 Hz bis 8 kHz zulässig, wobei bei höchstens zwei Frequenzen ein Hörverlust von maximal 15 dB HL erlaubt war. Das Alter und das Hörvermögen entsprachen den Vorgaben der DIN EN ISO 8253-3 (2012) [30]. Die Anforderungen an otologische Normalität (Gesundheitszustand, Lärmeinwirkung, Einnahme ototoxischer Wirkstoffe, erblich bedingter Hörverlust, Ohrkrankheiten, ein nicht durch Cerumen verschlossener Gehörgang) nach DIN EN ISO 8253-1 (2011) [31] der NH-Gruppe wurde durch eine Otoskopie und durch mündliche Befragung überprüft.

Für die Verwendung eines adaptiven Verfahrens zur Bestimmung des Sprachverstehens von 50% (SRT50), muss das Sprachverstehen in Ruhe oberhalb von 50% liegen [32]. Für die NH-Gruppe wurde dies als gegeben angesehen, da sie ein strenges Kriterium bezüglich des Tonhörvermögens erfüllen mussten. Für die CI-Gruppe wurde das Sprachverstehen in Ruhe als Einschlusskriterium überprüft. Um eine Gewöhnung der Probanden an den Sprecher, die Artikulation und die Sprechgeschwindigkeit des GÖSA vor der eigentlichen Datenaufnahme und damit einen möglichen Vorteil des GÖSA gegenüber dem HSM zu vermeiden, wurde das Sprachverstehen der CI-Gruppe mit dem Freiburger Einsilbertest im Freifeld erfasst. Das Sprachverstehen mit CI musste bei einem Schalldruckpegel von 65 dB SPL mindestens 60% betragen, um an der Studie teilnehmen zu können (s. Tabelle 2 [Tab. 2]). Alle Probanden der CI-Gruppe waren hochgradig bis an Taubheit grenzend schwerhörig und bilateral mit einem Sprachprozessor der Fa. Cochlear versorgt. Tabelle 2 [Tab. 2] enthält die Informationen über den Implantationszeitpunkt, das Implantat und den Sprachprozessor.

Um Lerneffekte beim GÖSA auszuschließen, lag die letzte GÖSA-Messung bei beiden Probandengruppen mindestens ein Jahr zurück. Der HSM war allen Probanden unbekannt. Die Studie wurde von der Kommission für Forschungsfolgenabschätzung und Ethik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (Drs. 34/2017) genehmigt.

Apparatur

Die Messsignale wurden mittels der Oldenburger Messapparatur (OMA, Forschungsversion, HörTech gGmbH, Oldenburg [33]) in einer gedämmten, doppelwandigen Hörkabine (IAC GmbH, Niederkrüchten) präsentiert. Die Ausgabe der Signale erfolgte über die Soundkarte Typ RME Fireface UC (Audio AG, Heimhausen), und einen Genelec 8030A Lautsprecher (Audio Pro Heilbronn Elektroakustik GmbH, Heilbronn). Die Sprache und das Störgeräusch wurden frontal aus einem Lautsprecher (S0N0), der sich ca. 1,2 m vor den Probanden befand, dargeboten. Die Aufgabe der Probanden war es, die verstandenen Wörter zu wiederholen. Der Versuchsleiter gab die richtigen Antworten über einen Touchscreen (ProLite T1932MSC, iiyama International Corporate, Hoofddorp, Niederlande), der mit dem PC (Latitude E6540, Dell GmbH, Frankfurt am Main) verbunden war, ein.

Die Kalibrierung der Störgeräusche wurde mit einem Freifeldmikrofon (GRAS 40 AF mit Vorverstärker 26TK, G.R.A.S.-Tippkemper GmbH & Co. KG, Oelde-Stromberg) und einem Schallpegelmesser (Norsonic Nor118 mit Kalibrator Nor1251, Norsonic-Tippkemper GmbH, Oelde-Stromberg) an der Sitzposition, die der Kopfmitte der Probanden entsprach, durchgeführt. Die Sprachsignale des GÖSA wiesen den gleichen digitalen mittleren Langzeitpegel (sog. root-mean-square Pegel: RMS) wie das GÖnoise auf. Für den HSM wurde für die Messung der auf der CD vorliegende Unterschied im RMS zwischen Sprache und CCITT-Rauschen beibehalten.

Signale

Der Schalldruckpegel der Sprache wurde bei beiden Tests konstant bei 65 dB SPL gehalten, während der Störschallpegel variiert wurde. Das Störgeräusch wurde nicht kontinuierlich dargeboten, d.h. es begann 0,5 s vor dem ersten Wort jedes Satzes und endete 0,5 s nach dem letzten Wort jedes Satzes. Beim HSM wurde das prozentuale Sprachverstehen für Listen mit 20 Sätzen bei festen SNR-Werten (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]) bestimmt. An das erreichte prozentuale Sprachverstehen wurde für jeden Probanden eine Diskriminationsfunktion nach Brand und Kollmeier [34] (siehe Gleichung 1) angepasst und der SRT50 bestimmt. Dabei gibt p das prozentuale Sprachverstehen, LSNR den dargebotenen SNR und s50 die Steigung im SRT50 an.

Gleichung 1:

Formel 1

Für den GÖSA wurden ebenfalls Listen mit je 20 Sätzen verwendet. Im Gegensatz zum HSM, bei dem pro Messkondition vier Listen zur Bestimmung des SRT50 zum Einsatz kamen, wurde jedoch der SNR in Abhängigkeit vom Sprachverstehen adaptiv variiert, so dass der SRT50 mit einer Testliste bestimmt werden konnte.

Der SRT50 wurde für beide Sprachtests im CCITT-Rauschen (rote Kurve in Abbildung 1 [Abb. 1]) ermittelt, das beim HSM standardmäßig zum Einsatz kommt. Zusätzlich kam beim GÖSA das standardmäßig verwendete sprachsimulierende GÖnoise zum Einsatz (siehe Abbildung 1 [Abb. 1], rechts, blau). Um durch das Störgeräusch bedingte Unterschiede auflösen zu können, wurde zudem für den HSM ein sprachsimulierendes Rauschen aus den HSM-Sätzen erzeugt (siehe Abbildung 1 [Abb. 1], links, blau). Dazu wurde angelehnt an Wagener et al. [8] das gesamte Sprachmaterial des HSM 30fach überlagert. In Abbildung 1 [Abb. 1] sind die Leistungsdichtespektren der verwendeten Signale (Sprache und Störgeräusche) bei gleichem Leq dargestellt. Für die Analyse der Sprachsignale wurden alle Sätze des jeweiligen Tests ohne Pausen zwischen den Sätzen aneinandergereiht und analysiert.

Um den Einfluss der Sprechrate auf das Sprachverstehen zu untersuchen, wurde zum einen die Sprechrate des GÖSA verringert und zum anderen diejenige des HSM erhöht. Die Sprechrate beider Satztests wurde mithilfe von PRAAT (Freeware, Version 6.0.34, [35]) und der darin enthaltenen Funktion „lengthen“ so modifiziert, dass beide Sprachtests mit den Sprechraten 222 und 279 Silben/min zur Verfügung standen. Die Funktion „lengthen“ basiert auf dem Pitch-Synchronous-Overlap-Add-Verfahren [36], bei dem die Grundfrequenz der Sprecher erhalten bleibt. Somit wurde der SRT50 für HSM und GÖSA in den folgenden vier Messkonditionen in randomisierter Reihenfolge bestimmt:

  • Sprachsimulierendes Rauschen bei einer Sprechrate von 222 Silben/min (SR222)
  • Sprachsimulierendes Rauschen bei einer Sprechrate von 279 Silben/min (SR279)
  • CCITT-Rauschen bei einer Sprechrate von 222 Silben/min (CCITT222)
  • CCITT-Rauschen bei einer Sprechrate von 279 Silben/min (CCITT279)

Statistische Auswertung

Die statistische Auswertung erfolgte mit dem Statistikprogramm SPSS (Version 26, IBM Deutschland GmbH, Ehningen). Das Signifikanzniveau betrug für die gesamte Auswertung α=0,05. Die ermittelten SRT50-Werte waren nach Prüfung mit dem Shapiro-Wilk-Test normalverteilt. Somit erfolgte die Auswertung mit einer einfaktoriellen ANOVA mit Messwiederholung. Post hoc wurden t-Tests für abhängige Stichproben mit Bonferronikorrektur durchgeführt.


Ergebnisse

Die Abbildungen wurden mit dem Programm Matlab (R2018a, Mathworks, Natick, USA) erstellt. Zunächst erfolgte eine Analyse der Sprachsignale und ihrer Störgeräusche (siehe Abbildung 2 [Abb. 2]). Für den GÖSA stimmen die Leq der Sätze und des GÖnoise bis auf eine Abweichung von 0,2 dB überein. Diese Abweichung liegt innerhalb des nach DIN EN ISO 8253-3 (2012) [30] akzeptablen Toleranzbereichs von ±0,5 dB. Beim HSM weicht der Leq der Sätze jedoch um –6,3 dB vom CCITT-Rauschen ab, d.h. das Sprachmaterial des HSM ist um 6,3 dB leiser als das CCITT-Rauschen. Die zusätzlichen Berechnungen der Pegel nach Fast- und Impuls-Bewertung (Abbildung 2 [Abb. 2], Mitte und rechts) lassen vermuten, dass bei der Testerstellung der impulsbewertete Schalldruckpegel der HSM-Sätze auf den Leq des CCITT-Rauschens eingepegelt wurde.

In Abbildung 3 [Abb. 3] sind die individuellen SRT50-Werte der Probanden für jede Messkondition und jede Gruppe dargestellt. Alle Ergebnisse beziehen sich auf die standardmäßige Kalibrierung der jeweiligen Sprachtests und entsprechen damit den Ergebnissen der klinischen Praxis.

Die Standardabweichung der SRT50-Werte ist bei der NH-Gruppe geringer (maximal ±1,0 dB) als bei der CI-Gruppe (maximal ±2,9 dB). Für die NH-Gruppe ergibt sich für die Standardkonfigurationen HSM im CCITT-Rauschen bei einer Sprechrate von 222 Silben/min und GÖSA im GÖnoise bei einer Sprechrate von 279 Silben/min der gleiche mediane SRT50 von –6,0 dB SNR. Für die CI-Gruppe ergeben sich beim Vergleich der beiden Standardkonfigurationen geringere (bessere) SRT50-Werte im GÖSA als im HSM. Während für den GÖSA keine Systematik für die vier Messkonditionen erkennbar ist, steigen die SRT50-Werte beim HSM bei Erhöhung der Sprechrate an. Die Verwendung des sprachsimulierenden Rauschens im Vergleich zum CCITT-Rauschen führt bei der NH-Gruppe zu einer Verschlechterung (SRT50 erhöht sich) und bei der CI-Gruppe zu einer Verbesserung (SRT50 verringert sich) des Sprachverstehens.

Für einen besseren Vergleich zwischen HSM und GÖSA sind in Abbildung 4 [Abb. 4] die SRT50-Werte als Boxplot für jede Messkondition und jede Probandengruppe dargestellt. Dabei wurde die unterschiedliche Kalibrierung des HSM berücksichtigt, indem von den SRT50-Werten des HSM 6,3 dB subtrahiert wurden. Durch diese Korrektur entsprechen alle Ergebnisse einer Leq-Kalibrierung von Sprache und Störgeräusch. Die SRT50-Werte liegen, wie aufgrund des Hörvermögens vermutet, für die NH-Gruppe im negativen und für die CI-Gruppe im positiven Bereich unabhängig vom Sprachtest, vom Störgeräusch und von der Sprechrate.

Die einfaktorielle ANOVA mit Messwiederholung für beide Testverfahren ergab einen signifikanten Unterschied zwischen den verschiedenen Messkonditionen für die NH-Gruppe (F(7, 71,63)=177,52, p<0,001) und die CI-Gruppe (nach Greenhouse-Geisser-Korrektur: F(3,27, 29,45)=67,48, p<0,001). In Tabelle 3 [Tab. 3] sind die p-Werte der Post-hoc-Analyse mit t-Tests für beiden Probandengruppen angegeben. Bei der einzelnen Betrachtung der Sprachtests ergaben sich sowohl für die CI- als auch für die NH-Gruppe keine signifikanten Unterschiede im SRT50 für Messkonditionen des GÖSA. Hingegen haben Störgeräusch und Sprechrate für beide Probandengruppen einen signifikanten Einfluss auf die SRT50-Werte der Messkonditionen beim HSM:

  • Wird die Sprechrate, bei gleichem Störgeräusch, erhöht, verschlechtert sich der SRT50 signifikant.
  • Wird das Störgeräusch bei gleichbleibender Sprechrate verändert, verändern sich die SRT50 ebenfalls signifikant.

Beim Vergleich der SRT50-Werte im HSM und GÖSA ist ersichtlich, dass sich für die NH-Gruppe die Messkondition SR279 beim HSM nicht signifikant von den GÖSA-Ergebnissen unterscheidet. Für die CI-Gruppe ist dies für die Messkondition CCITT279 beim HSM im Vergleich zu den GÖSA-Messkondition (bis auf SR222) der Fall. Beim Vergleich der SRT50-Werte für HSM und GÖSA für die jeweilige Standarddurchführung (GÖSA im GÖnoise mit einer Sprechrate von 279 Silben/min und HSM im CCITT-Rauschen mit einer Sprechrate von 222 Silben/min) ergaben sich signifikante Unterschiede im Sprachverstehen für beide Probandengruppen. Die SRT50-Werte für den HSM sind signifikant geringer als für den GÖSA.


Diskussion

Diese Untersuchung diente dem Vergleich des Sprachverstehens von zwei unterschiedlichen Sprachtests mit Alltagssätzen bei CI-Trägern und Probanden ohne Hörbeeinträchtigung. Sowohl der HSM als auch der GÖSA waren mit allen Probanden (NH-Gruppe und CI-Gruppe) durchführbar. Über alle Messkonditionen hinweg wiesen nahezu alle Probanden vergleichbare relative Messergebnisse zueinander auf (s. Abbildung 3 [Abb. 3]). Probanden mit geringen SRT50-Werten im HSM hatten häufig auch im GÖSA geringe SRT50-Werte und umgekehrt. Die interindividuelle Streuung war für die CI-Gruppe aufgrund des unterschiedlichen Hörvermögens erwartungsgemäß größer als für die NH-Gruppe, deren Teilnehmer ein strenges Hörschwellen- und Alterskriterium erfüllen mussten.

Die Referenzwerte konnten, trotz der strengen Auswahl für die NH-Gruppe, nur für den GÖSA (–6,2 dB, s. [15]) aber nicht für den HSM in der Standard-Messkonfiguration erreicht werden. Schmidt et al. [14] gaben für den HSM einen SRT50-Wert von –7,2 dB SNR an. Der Unterschied von 1,2 dB zum SRT50 dieser Studie könnte an der Darbietung des CCITT-Rauschens liegen. Aus Schmidt et al. [14] geht nicht hervor, wie das CCITT-Rauschen dargeboten wurden, der geringere SRT50 lässt eine kontinuierliche Darbietung vermuten. Weiterhin unterscheidet sich das Probandenkollektiv im Alter (14–40 Jahre bei Schmidt et al., [14]), die Definition der Normalhörigkeit und die Vertrautheit der Probanden mit dem Testmaterial ist nicht bekannt.

Die SRT-Werte der CI-Gruppe für den GÖSA in der Standarddurchführung sind mit Müller et al. [37] vergleichbar. Im HSM erreichte die CI-Gruppe bei einem SNR von 10 dB ein deutlich besseres Sprachverstehen (70% im Median) als bei Illg et al. (50%, [38]) im nicht kontinuierlichen CCITT-Rauschen. Das Sprachverstehen in Ruhe (s. Tabelle 2 [Tab. 2]) als auch im HSM zeigen, dass die CI-Träger dieser Studie im Allgemeinen ein gutes Sprachverstehen besitzen. Daher konnte der GÖSA in dieser Studie als adaptives Verfahren eingesetzt werden. Eine Verallgemeinerung auf alle CI-Träger, auch diejenigen mit noch besserem oder auch schlechterem Sprachverstehen, ist jedoch nicht möglich. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei einigen CI-Trägern das Sprachverstehen mit Alltagssätzen in Ruhe geringer als 50% ist und somit das adaptive Verfahren nicht konvergiert. Für diese CI-Träger blieb nur die Möglichkeit der Messung bei festen SNR-Werten.

Für beide Probandengruppen zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im Sprachverstehen für alle vier Messkonditionen im GÖSA. Einerseits scheint die Reduktion der Sprechrate das Sprachverstehen nicht zu verbessern und andererseits scheint die Verwendung des CCITT-Rauschens die Verdeckungswirkung im Vergleich zum GÖnoise nicht zu reduzieren. Diese zweite Schlussfolgerung ist bei Betrachtung von Abbildung 1b [Abb. 1] plausibel. Das GÖnoise wurde nicht aus den Sätzen des GÖSA, sondern aus den Wörtern des Reimtests nach von Wallenberg und Kollmeier [26] generiert und weist somit nicht das gleiche Leistungsdichtespektrum wie der GÖSA auf. Das CCITT-Rauschen kann zwar die Feinstruktur des Sprachspektrums nicht nachbilden, zeigt aber in etwa einen ähnlichen frequenzabhängigen Verlauf.

Bei einem Vergleich von Ergebnissen verschiedener Sprachtests muss zunächst die unterschiedliche Kalibrierung der Sprachmaterialien berücksichtigt werden. Beim HSM wurde, wie beim Freiburger Einsilbertest, das Sprachmaterial nicht gemäß der Vorgabe von DIN EN 8253-3 [30] und der Umsetzung bei GÖSA und OLSA auf den Leq, sondern auf den Spitzenpegel kalibriert. Deshalb besteht ein Unterschied zwischen Sprachpegel und Rauschpegel von mehr als 6 dB. Bei Berücksichtigung dieses Kalibrierunterschieds verschieben sich die SRT50-Werte beim HSM entsprechend zu niedrigeren SNR. Wie erwartet, werden mit dieser Korrektur in der Standard-Messkondition des HSM bessere SRT50-Werte erreicht als in derjenigen des GÖSA. Allein eine Konfiguration des HSM mit einer Sprechrate von 279 Silben/min (NH-Gruppe: sprachsimulierendes Rauschen, CI-Gruppe: CCITT-Rauschen) wies keine signifikanten Unterschiede zu den SRT50-Werten im GÖSA auf.

Im Gegensatz zum GÖSA sind die SRT50-Werte der vier Messkonditionen im HSM für beide Probandengruppen signifikant unterschiedlich. Eine Erhöhung der Sprechrate führt zu einer Verschlechterung der Schwellen bzw. zu einer Erhöhung der SRT50-Werte. Eine Änderung des Rauschens hat jedoch bei den beiden Probandengruppen unterschiedliche Effekte. Bei der NH-Gruppe verschlechtert sich das Sprachverstehen im sprachsimulierenden Rauschen im Vergleich zum CCITT-Rauschen. Dieser Effekt ist bei Betrachtung von Abbildung 1a [Abb. 1] plausibel. Das Leistungsdichtespektrum des CCITT-Rauschens weicht stark vom Sprachspektrum ab, während das sprachsimulierende Rauschen zu einer wesentlich besseren Verdeckung führt. Bei der CI-Gruppe sinken jedoch die SRT50-Werte beim HSM im sprachsimulierenden Rauschen im Vergleich zum CCITT-Rauschen ab, d.h. das Sprachverstehen ist im sprachsimulierenden Rauschen besser als im CCITT-Rauschen. Dies liegt möglicherweise darin begründet, dass das CCITT-Rauschen nach Abbildung 1a [Abb. 1] im Hauptsprachbereich zwischen 500 Hz und 4 kHz einen höheren Pegel als das sprachsimulierende Rauschen aufweist. Die NH-Gruppe kann scheinbar diese höhere Verdeckung des CCITT-Rauschens im Hauptsprachbereich durch wesentlich weniger Verdeckung bei tiefen und hohen Frequenzen mehr als auszugleichen als die CI-Gruppe.

Aus Abbildung 1 [Abb. 1] lässt sich außerdem schließen, dass bei Beschränkung auf den Hauptsprachbereich das CCITT-Rauschen im HSM und im GÖSA zu einer ähnlichen Verdeckung führt, so dass ähnliche SRT50-Werte bei einer Sprechrate von 279 Silben/min für CI-Träger plausibel erscheinen. Insgesamt führen jedoch die spektralen Unterschiede zwischen den Störgeräuschen und im Vergleich zur Sprache, sowie deren Effekt auf das Sprachverstehen zu der Forderung, dass in der Sprachaudiometrie nur sprachsimulierende Rauschen verwendet werden sollten, die bei Änderung des SNR zu gleichen Auswirkungen in allen Frequenzbereichen führen. Insbesondere das CCITT-Rauschen erscheint zur Verdeckung des HSM ungeeignet, zumal neben den unerwünschten frequenzabhängigen Verdeckungseffekten auch der Kalibrierunterschied für Vergleiche zu berücksichtigen ist.

Beim Vergleich von GÖSA und HSM ist fraglich, warum die Änderung der Sprechrate beim HSM jedoch nicht beim GÖSA den nach Schlueter et al. [16] erwarteten Effekt zeigt. Ein nachträglicher Vergleich der Differenzen der Leistungsdichtespektren von GÖSA und HSM bei den zwei Sprechraten ist in Abbildung 5 [Abb. 5] dargestellt. Der Pegel des HSM steigt im hochfrequenten Bereich in der langsameren Variante (222 Silben/min) im Vergleich zur schnelleren Variante (279 Silben/min) an, während derjenige des GÖSA absinkt. Die Pegelunterschiede sind zwar gering, aber sie könnten dazu führen, dass der Effekt der Sprechrate auf das Sprachverstehen im HSM verstärkt und im GÖSA reduziert ist. Eine eindeutige Trennung zwischen dem Einfluss der Sprechrate und der Leistungsdichtespektren lässt sich leider nicht ableiten.

Insgesamt scheint die subjektive Einschätzung, dass der HSM leichter zu verstehen ist als der GÖSA, nicht unbedingt oder zumindest nicht nur in dem unterschiedlichen Sprechtempo begründet zu sein. Einen wesentlichen Einfluss auf das Sprachtestergebnis hat das Störgeräusch, das bei einer Angleichung in Kombination mit der Korrektur der Kalibrierunterschiede zu ähnlichen SRT50-Werten für beide Sprachtests führt. Dabei kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die von Müller-Deile [7] beschriebene deutliche Artikulation des HSM im Vergleich zum GÖSA das Sprachverstehen für CI-Träger erleichtert.


Anmerkungen

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.

Danksagung

Die Autoren danken Kevyn Kogel für die Unterstützung bei der Erhebung der Messdaten, den Probanden für ihre Teilnahme an der Studie sowie Daniel Berg (HörTech gGmbH) und Martin Hansen für die technische Unterstützung. Weiterhin möchten wir Frau Kammermeier-Blessing für die Bereitstellung des HSM-Sprachmaterials zur wissenschaftlichen Untersuchung danken. Die Korrektur der englischsprachigen Textanteile erfolgte durch www.stels-ol.de. Diese Untersuchung wurde gefördert vom Promotionsprogramm Jade2Pro der Jade Hochschule sowie vom EFRE-Innovationsverbund VIBHear mit Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und Mitteln des Landes Niedersachsen.


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Erratum

Ergänzung in Kapitel „Diskussion“, letzter Absatz