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172. Versammlung des Vereins Rheinisch-Westfälischer Augenärzte

Verein Rheinisch-Westfälischer Augenärzte

29.01. - 30.01.2010, Bonn

Kritische Anmerkungen zum IQWiG-Bericht: „Früherkennungsuntersuchungen von Sehstörungen bei Kindern bis zum 6. Lebensjahr”

Meeting Abstract

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  • Joachim Esser - Essen

Verein Rheinisch-Westfälischer Augenärzte. 172. Versammlung des Vereins Rheinisch-Westfälischer Augenärzte. Bonn, 29.-30.01.2010. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2010. Doc10rwa41

doi: 10.3205/10rwa41, urn:nbn:de:0183-10rwa415

Published: March 10, 2010

© 2010 Esser.
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Der Behauptung des Berichts des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), „dass weder ein Beleg noch ein Hinweis auf den Nutzen eines Vorschul-(Amblyopie-)Screenings vorliegen“ wird widersprochen, da statistisch auch vom IQWiG als relevant akzeptierte Studien dies durchaus nachweisen.

Der Behauptung, dass sich „weder Belege noch klare Hinweise finden, dass die zeitlich vorverlagerte Behandlung von Sehstörungen (im Vorschulalter) der Behandlung im Schulalter (oder später) überlegen ist“ wird widersprochen, da alle historischen, empirischen Studien (beginnend mit der Publikation von Sattler 1927 bis ca. 1980), die durchweg höhere Endvisusresultate nachweisen konnten, je früher die Behandlung begann, völlig außer Acht gelassen werden. Von 142 vom IQWiG recherchierten Therapie-Studien (nach 1980) werden nur 7 berücksichtigt, da die anderen keine randomisierten, kontrollierten Studien waren. Ferner werden die Ergebnisse neurophysiologischer Studien, die bei der Amblyopiebehandlung eindeutig einen Wettlauf gegen die Zeit nachweisen (Hubel & Wiesel etc.), nicht berücksichtigt. Zudem kann die völlig ungerechtfertigte Überbetonung eines potenziellen Schadens durch eine Amblyopietherapie bei falsch-positiv Gescreenten augenärztlicherseits nicht nachvollzogen werden.

Der Behauptung, „vielmehr finden sich Hinweise, dass eine spätere Behandlung der Amblyopie im Schulalter möglicherweise zu vergleichbaren Ergebnissen führt“, wird widersprochen, da dieser in einer einzigen Studie (Scheiman 2005) herausgestellte Therapieerfolg durch starke Subgruppenbildung herausgerechnet wird: von den 507 Kindern der Studie, waren 17 (=3,35% des Gesamtkollektivs) ältere, nicht vorbehandelte, von denen 8=47% mit Brille plus Okklusion plus Naharbeit mehr als zwei Zeilen gebessert wurden (Responder). Dies soll laut IQWiG zeigen, wie erfolgreich eine Amblyopietherapie noch bei Kindern im Alter von 13 bis 17 Jahren sei. Kern der Aussage der Arbeit von Scheiman ist es aber, dass die Erfolgsquote einer intensiven Amblyopietherapie bei älteren Kindern größer ist, als bisher angenommen. Das heißt aber bei weitem nicht, dass eine frühere Therapie nicht erheblich erfolgreicher ist. Die vom IQWiG geforderten randomisierten, kontrollierten Therapiestudien (die z.B. eine amblyopes Vorschulkind über Jahre hinweg unbehandelt liessen) sind ethisch nicht vertretbar.