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172. Versammlung des Vereins Rheinisch-Westfälischer Augenärzte

Verein Rheinisch-Westfälischer Augenärzte

29.01. - 30.01.2010, Bonn

Entscheidungstrategien des IQWIG am Beispiel der Amblyopieprophylaxe

Meeting Abstract

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  • Stefan Lange - Köln

Verein Rheinisch-Westfälischer Augenärzte. 172. Versammlung des Vereins Rheinisch-Westfälischer Augenärzte. Bonn, 29.-30.01.2010. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2010. Doc10rwa40

doi: 10.3205/10rwa40, urn:nbn:de:0183-10rwa402

Published: March 10, 2010

© 2010 Lange.
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Hintergrund: Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) ist ein unabhängiges wissenschaftliches Institut, das den Nutzen medizinischer Maßnahmen untersucht. Es wird dabei im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) oder des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) tätig. In § 35b Abs. 1 und § 139a Abs. 4 SGB V ist festgelegt, dass die Bewertungen des medizinischen Nutzens nach den international anerkannten Standards der so genannten Evidenzbasierten Medizin (EbM) zu erfolgen haben. Weiterhin sind bei den Nutzenbewertungen insbesondere folgende patientenrelevante Endpunkte zu betrachten: die Verbesserung des Gesundheitszustandes, eine Verkürzung der Krankheitsdauer, eine Verlängerung der Lebensdauer, eine Verringerung der Nebenwirkungen sowie eine Verbesserung der Lebensqualität.

Methoden: Im Jahr 2005 erhielt das IQWiG vom G-BA den Auftrag, den Nutzen einer Früherkennungsuntersuchung von Sehstörungen bei Kindern bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres (im Sinne eines universellen Sehscreenings) zu bewerten. Der Begriff „Sehstörungen“ wurde auf Amblyopie und amblyogene Risikofaktoren konkretisiert. Für die Bearbeitung dieses Auftrags erfolgte gemäß EbM-Methodik eine systematische Literaturrecherche und -bewertung nach einem vorab festgelegten (Berichts-)Plan. Es sollten dabei folgende Studien identifiziert werden: (1) Studien, die den Nutzen eines Screenings direkt im Vergleich zu einem Vorgehen ohne Screening oder im Vergleich unterschiedlicher Screeningstrategien untereinander untersuchten („Screeningstudien“); (2) Studien, die den Nutzen einer vorgezogenen Behandlung untersuchten („Behandlungsstudien“); (3) Studien, die die diagnostische Güte verschiedener diagnostischer Maßnahmen zur Früherkennung einer Amblyopie oder der Risikofaktoren für eine Amblyopie untersuchten („Diagnosestudien“).

Ergebnisse: Durch die Literaturrecherche wurden 5 Screeningstudien, 7 Behandlungsstudien und 27 Diagnosestudien (von diesen behandelten 3 auch eine Screeningfragestellung, so dass insgesamt 36 Studien resultieren) identifiziert. In den Studien fanden sich Ergebnisse zur Sehschärfe sowie zu den ergänzend betrachteten Zielgrößen Strabismus und Refraktionsfehler. Zu weiteren relevanten Zielgrößen (zum Beispiel zu Lebensqualität, psychischer Gesundheit, Zufriedenheit, schulischer und beruflicher Entwicklung) liegen keine Daten vor. Auch zu potenziell schädlichen Aspekten eines Screenings bzw. einer vorgezogenen Behandlung konnten aufgrund einer nur unzureichenden Datenlage keine belastbaren Aussagen getroffen werden. Die überwiegende Zahl der Studien war von eingeschränkter Qualität, sodass die Ergebnisse nur sehr eingeschränkt interpretiert werden konnten. Letztendlich ließen sich aus den Studien weder Belege noch klare Hinweise auf einen Nutzen oder Schaden durch ein Screening ableiten, allerdings auch nicht auf das Fehlen eines Nutzens oder Schadens.

Schlussfolgerungen: Auch wenn die gefundene unmittelbare und mittelbare Evidenz dem möglichen Nutzen eines Screeningprogramms nicht grundsätzlich entgegensteht, so scheint es doch zum jetzigen Zeitpunkt nicht gerechtfertigt, hieraus die Begründung für eine Intensivierung der bereits bestehenden Früherkennungsmaßnahmen abzuleiten, die in der überwiegenden Zahl der Fälle augengesunde (im Sinne von nicht behandlungsbedürftige) Kinder betreffen würde, und dies ohne studienbasierte Kenntnis der potenziell schädlichen Folgen für unvermeidbar übertherapierte Kinder.