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90. Versammlung des Vereins Rhein-Mainischer Augenärzte

Verein Rhein-Mainischer Augenärzte

04.11.2017, Marburg

Der akute Winkelblock, das akute Winkelblockglaukom

Meeting Abstract

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  • O. Schwenn - Bürgerhospital Frankfurt/Main

Verein Rhein-Mainischer Augenärzte. 90. Versammlung des Vereins Rhein-Mainischer Augenärzte. Marburg, 04.-04.11.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. Doc15

doi: 10.3205/17rma15, urn:nbn:de:0183-17rma156

Published: November 3, 2017

© 2017 Schwenn.
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Definition: Die aktuelle Glaukomdefinition „progressive structural optic nerve damage“ ist völlig unabhängig vom Augeninnendruck und funktionellen Einschränkungen und stellt das Fortschreiten (Progression) des Krankheitsbildes und die strukturelle Sehnervenveränderung ganz in den Vordergrund. Entsprechend wird der sogenannte „Glaukomanfall“, bzw. das „akute Winkelblockglaukom“ als Begriffe der neuen Glaukomdefinition nicht mehr gerecht. Es sollte deshalb für das „akute Winkelblockglaukom“ der Begriff „akuter Winkelblock“ verwendet werden. Verläuft der Winkelblock chronisch, wird der erhöhte Augeninnendruck auch zu einem glaukomatösen Sehnervenschaden führen, so dass der Begriff „chronisches Winkelblockglaukom“ den Kriterien der neuen Glaukomdefinition gerecht wird und weiterhin Anwendung findet.

Sowohl für den akuten Winkelblock als auch das chronischen Winkelblockglaukom gilt die folgende morphologische Definition: Die Vorderkammer ist flach und die Iris so weit vorgewölbt, dass sie teilweise oder vollständig, intermittierend oder permanent den Zugang zum Trabekelmaschenweg blockiert.

Akuter Winkelblock, chronisches Winkelblockglaukom: Beim akuten Winkelblock kommt es durch vollständige Blockierung des Kammerwinkels zu einer exzessiven Steigerung des intraokularen Drucks (IODs).

Die Symptomatik des akuten Winkelblocks ist eindrücklich: Schwere vegetative Allgemeinsymptome wie Übelkeit und Erbrechen sowie häufig nicht präzise lokalisierbare Schmerzen können das Krankheitsbild begleiten. Das Auge zeigt eine gemischte Injektion, ein Epithelödem und eine Stromaquellung der Hornhaut, eine durch Sphinkterischämie lichtstarre, weite Pupille und einen verschlossenen Kammerwinkeleingang bei flacher Vorderkammer. Auch ohne Applanationstonometrie kann durch transpalpebrale Palpation die exzessive IOD-Steigerung verifiziert werden. Wird ein akuter Winkelblock verkannt und nicht therapiert, kann es zum „verschleppten Glaukomanfall“ kommen.

Das chronische Winkelblockglaukom ist definiert als ein intermittierender Winkelblock, der zur Ausbildung von Goniosynechien führt, die ihrerseits über eine Erhöhung des Abflusswiderstandes einen IOD-Anstieg mit glaukomatösem Papillenschaden bedingen. Die Symptomatik des chronischen Winkelblockglaukoms ist wenig eindrücklich, anamnestisch sind gelegentlich Episoden mit intermittierender Blockbildung zu ermitteln.

Epidemiologie: Der akute Winkelblock und das chronische Winkelblockglaukom zeigen eine genetische Disposition und eine unterschiedliche Verteilung in verschiedenen ethnischen Gruppen. Am häufigsten treten der akute Winkelblock und das chronische Winkelblockglaukom in Südostasien und bei Inuit auf. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, gelegentlich sind beim akuten Winkelblock primär beide Seiten betroffen.

Risikofaktoren: Der Hauptrisikofaktor ist die flache Vorderkammer. Da sich die Vorderkammer aufgrund der physiologischen Volumenzunahme der natürlichen Linse im Laufe des Lebens weiter abflacht, ist der akute Winkelblock eine typische altersabhängige Erkrankung. Auch die Struktur und Dicke der Irisbasis spielt eine Rolle.

Pathomechanismus: Dem Kammerwinkelverschluss vorausgehend kommt es bei anatomischer Disposition zu einem so genannten Pupillarblock, bei dem die Linse wie ein Kugelventil die Pupille verlegt: Insbesondere bei mittelweiter Pupille besteht eine sehr enge topographische Beziehung zwischen dem Pupillarsaum und der Linsenvorderfläche. Durch den Pupillarblock kommt es zu einem geringen Druckgradienten zwischen der Hinter- und der Vorderkammer, der zu einer konvexbogigen Vorverlagerung des Iris-Linsen-Diaphragmas und Blockade des Kammerwinkels führt. Die Apposition der Irisbasis an das Trabekelmaschenwerk wird durch den Druckgradienten im Drainagesystem des Kammerwassers begünstigt und konsolidiert. Aus der reversiblen Anlagerung kann eine Synechie mit dauerhafter Verschlechterung der Abflussfazilität entstehen.

Untersuchungstechniken: Hilfreich zur Beurteilung des Kammerwinkeleingangs ist die Gonioskopie. Dabei sollte auf die Visualisierbarkeit der Strukturen geachtet werden, die zum Kammerwinkel hin in folgender Abfolge lokalisiert sind: Schwalbe Linie, Trabekelmaschenwerk, Skleralsporn und Ziliarkörperband.

Bei der spaltlampenmikroskopischen Beurteilung des Kammerwinkeleingangs nach van Herick wird direkt am Limbus ein Lichtspalt vertikal auf die Hornhaut projiziert und der Zwischenraum zwischen Hornhautrück- und Irisvorderfläche relativ zur Hornhautdicke geschätzt, z. B. als „ein Achtel Hornhautdicke“.

Bei der Impressionsgonioskopie wird ein Kontaktglas verwendet, dessen Auflagefläche einen geringeren Durchmesser als die Hornhaut besitzt. Es kommt dadurch zu einer Impression der zentralen Vorderkammer und einer intraokularen Flüssigkeitsverschiebung in Richtung des Kammerwinkels, der sich dadurch entfaltet. Auf diese Weise kann zwischen einer Verlegung des Kammerwinkels durch reversible Apposition der Irisbasis oder durch Goniosynechien unterschieden werden.

Prophylaxe und Therapie: Eine Prophylaxe des akuten Winkelblocks mit Miotika ist nicht immer erfolgreich und aufgrund der unerwünschten Wirkungen der Medikation nicht Therapie der ersten Wahl.

Eine wirksame Prophylaxe ist mit einer Nd:YAG-Laser-Iridotomie möglich. Wichtig ist, dass eine Nd:YAG-Laser-Iridotomie per se nicht IOD-senkend wirkt. Sie sollte nur zur Prophylaxe oder Therapie eines Pupillarblocks Anwendung finden, während sie zur Therapie des Glaukoms völlig ungeeignet ist und den Krankheitsverlauf nachteilig beeinflussen kann.

Die wirksamste Prophylaxe des akuten Winkelblocks stellt eine Katarakt-Operation dar, so dass bei Disposition zum Winkelblock die Indikation zur Katarakt-Operation frühzeitig gestellt werden sollte.

Im manifesten Glaukomanfall ist eine effektive Senkung des IODs anzustreben. Dazu sind auch lokale Antiglaukomatosa anwendbar. Bedacht werden sollte, dass bei lichtstarrer Pupille durch Sphinkterparese im Rahmen der bestehenden schweren intraokularen Ischämie Parasympathomimetika keine Pupillenverengung bewirken können. Sie sind deshalb erst dann hilfreich, wenn bereits eine Senkung des Augeninnendrucks erreicht werden konnte, und eine positive Lichtreaktion der Pupille eine Funktionstüchtigkeit der Musculus sphincter pupillae anzeigt. Intravenös gegebene hyperosmolare Substanzen können durch Volumenverschiebung nach intravasal zu einer schweren kardialen Belastung führen.

Falls ein Anfall konservativ nicht durchbrochen werden kann, sollte statt einer Laser-Iridotomie eine chirurgische Iridektomie durchgeführt werden, da diese mit einer Lösung frischer Goniosynechien („anterior chamber deepening procedure“) kombiniert werden kann.