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61. Jahrestagung der Norddeutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (NDGKJ)

Norddeutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V.

11.05. - 13.05.2012, Kiel

War die Begrenzung der infektiösen Endokarditis (IE)-Prophylaxe in den internationalen und nationalen Leitlinien richtig?

Meeting Abstract

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  • R. Eyermann - Kinder- und Jugendmedizin, Kinderkardiologie, Sportmedizin, München

Norddeutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. 61. Jahrestagung der Norddeutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (NDGKJ). Kiel, 11.-13.05.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12ndgkjP1

doi: 10.3205/12ndgkj01, urn:nbn:de:0183-12ndgkj010

Published: May 8, 2012

© 2012 Eyermann.
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Die Leitlinie zur Prophylaxe der infektiösen Endokarditis (IE) im Rahmen zahnärztlicher und anderer mukosa-verletzender Eingriffe wurde vor einigen Jahren (ab 2007) erheblich begrenzt. Das Konzept von Effektivität und Effizienz der medikamentösen IE-Prophylaxe war nur eine Annahme (nur Evidenz IIb/C, keine einzige DBPRCT). Fachübergreifend hatten daher sowohl US- als auch europäische Experten bzw. Fachgesellschaften die Empfehlung zur Antibiotika-Prophylaxe auf Patienten mit höchsten Risikokonstellationen begrenzt (Evidenz IIa/B):

  • Patienten mit Klappenersatz (mechanische und biologische Prothesen),
  • Patienten mit rekonstruierten Klappen bei Verwendung alloprothetischen Materials in den ersten 6 Monaten nach OP,
  • Patienten mit früherer Endokarditis,
  • Patienten mit angeborenen Herzfehlern
    • Zyanotische Herzfehler, nicht oder palliativ mit systemisch-pulmonalem Shunt operiert
    • Operierte Herzfehler mit Implantation von Conduits (mit oder ohne Klappe) oder residuellen Defekten, d.h. turbulenter Blutströmung im Bereich des prothetischen Materials
    • Alle operativ oder interventionell unter Verwendung von prothetischem Material behandelten Herzfehler in den ersten 6 Monaten nach OP.
  • Patienten nach HTX mit Valvulopathie,

Die Leitlinien-Änderung wurde in der Ärzteschaft kontrovers aufgenommen, auf epidemiologische Auswirkungen war man gespannt. Zur Compliance mit den Leitlinien vor und nach Änderung der IE-Prophylaxe sind in Deutschland noch keine epidemiologischen Studiendaten bekannt, jedoch aus England. Radikal hatte das britische Institut „NICE“ in seinen Guidelines die Antibiotikaprophylaxe bei zahnärztlichen und zahlreichen anderen Eingriffen komplett gestrichen. Aktuell wurden die Auswirkungen nun evaluiert: Verglichen wurden Daten von Antibiotikaverordnungen und Diagnosestatistiken stationärer Patienten langjährig vor und nach Herausgabe der neuen Guidelines. Ein Anstieg der Erkrankungs- wie auch Todesfälle an IE um mehr als 15% nach Leitlinienänderung wurde als signifikant gewertet. Die Erkrankungs- sowie Letalitätszahlen an IE entwickelten sich ähnlich wie vor der Leitlinien-Änderung. Drastisch war der Rückgang der medikamentösen IE-Prophylaxeverordnungen seit neuer Leitlinien-Einführung, 80% bei Zahnärzten und 64% bei Ärzten 12 Monate vor versus 14–25 Monate nach Leitlinien-Einführung. Abbildung 1 [Abb. 1]

Konklusion: Erste epidemiologische Studiendaten aus England belegen, dass die Begrenzung der medikamentösen IE-Prophylaxe richtig war und es nicht zu zusätzlichen, durch Antibiotika-Prophylaxe verhinderbaren IE-Fällen kommt. Erste Registerdaten aus der ALKK scheinen dies auch für Deutschland zu bestätigen. Die IE selbst bleibt aber nach wie vor eine ernste Erkrankung mit weiterhin hoher Morbidität und Letalität.