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Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft. Wissenschaftlicher Kongress zur Positionsbestimmung der Familienmedizin in Deutschland.

Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin der Universität Witten/Herdecke

11.11.2011, Witten

Nicht professionelle Gewissheit, sondern persönliche Erfahrungen prägen hausärztliche Krankheitskonzepte, zum Beispiel die zu Kopfschmerzen

Meeting Abstract

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Familienmedizin in der hausärztlichen Versorgung der Zukunft. Wissenschaftlicher Kongress zur Positionsbestimmung der Familienmedizin in Deutschland. Witten, 11.-11.11.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11iaf01

doi: 10.3205/11iaf01, urn:nbn:de:0183-11iaf013

Published: November 8, 2011

© 2011 Brockmann.
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Bei einer hohen Prävalenz von Kopfschmerzen in der Bevölkerung hat jede/r Mensch (Frauen mehr als Männer) Erfahrungen mit Kopfschmerzen. Beim Erzählen über diese Erfahrungen wird der Wunsch sichtbar, gerade bei starken Kopfschmerzen den Grund zu finden bzw. gefährliche Gründe / Ursachen auszuschliessen. Auch bei vertrauten, wiederkehrenden Kopfschmerzen machen sich Menschen darüber Gedanken, welche Auslöser oder Gründe dafür zu benennen sind, z.B. Hektik, Zeitdruck, Überanstrengung der Augen, schlechte Luft, wenig Schlaf, Wetterumschwung, Hunger, Kaffee, Alkohol. Sie wollen also eine Begründung finden, einen „Schuldigen“ identifizieren.

Jeder von sich trägt dabei ein ganz persönliches Konzept in sich und hat auch ganz unterschiedliches Leid empfunden. Jeder hat dabei andere Ideen, woher die Kopfschmerzen kommen und wie sie wieder gehen. Kopfschmerzen auf den Grund gehen zu wollen, ist offensichtlich ein uralter Wunsch, der sich in der Medizingeschichte wieder findet. Man denke an Schädeltrepanationen oder die Bemühungen, den Schädel zu durchleuchten, sprich zu röntgen. Dahinter lässt sich der Wunsch erahnen, die Schmerzen sinnlich zu erfassen, in den Kopf hinein zu schauen.

Wer denkt, dass Ärztinnen und Ärzte sich mit Kopfschmerzen rein fachlich beschäftigen, also bei sich selbst die Erklärungen oder Lösungen verwenden, die sie in Studium und Profession gelernt haben, und persönliche Ideen, laienhafte Erklärungen und in der Familien angewendete Konzepte oder „Rezepte“ keine Rolle (mehr) spielen, muss sich nach Auswertung des Projekts „hausärztliche Krankheitskonzepte (KAUSA)“ eines besseren belehren lassen.

In dem Projekt wurde anhand verschiedener Krankheitsbilder ergründet, ob und wie sich aus Erzählungen von Hausärzten etwas über ihre persönlichen Konzepte dazu ableiten lässt, ob also eine Offenlegung von Gefühlen, Gedanken, Motiven beim Sprechen über ein Symptom erfolgen kann. Gerade wegen der Vermischung des Fachwissens (mit einer Gewissheit aufgrund der ärztlichen Professionalisierung vorgetragen) mit persönlichen biographischen Erfahrungen war aber eine solche Analyse aus den Erzählungen der Ärzte schwierig.

Ein Vorschlag für eine neue Definition von „Krankheitskonzepten“ konnte in dem Projekt entwickelt werden. Gewichtiger Bestandteil sind dabei eigene biografische Erfahrungen, Erlebnisse und Traditionen in der Familie und in der Kindheit sowie Prägungen durch die soziokulturelle Umgebung.


Literatur

1.
Friedman AP. The headache in history, literature, and legend. Bull N Y Acad Med.1972;48:661-81.
2.
Kreher S, Brockmann S, Sielk M, Wilm S, Wollny A. Hausärztliche Krankheitskonzepte, Analyse ärztlicher Vorstellungen zu Kopfschmerzen, akutem Husten, Ulcus cruris und Schizophrenie. Studien zur Gesundheits- und Pflegewissenschaft. Bern: Verlag Hans Huber; 2009.
3.
Sigerist HE. Anfänge der Medizin. Zürich: Europa-Verlag; 1963.