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HTA im Entscheidungsprozess der GKV
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Published: | October 17, 2006 |
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Abstract
Einleitung
Bislang gelten für das System der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) noch folgende Ausgangsbedingungen:
- 1.
- Solidarprinzip
- 2.
- Gleicher Zugang zu Gesundheitsleistungen
- 3.
- Stabile Beitragssätze.
Diese – vom Prinzip her unvereinbar scheinenden Grundsätze – werden auch zukünftig Geltung haben, dies auch unabhängig davon, wohin sich die jetzige Form der Krankenversicherung perspektivisch entwickeln wird. Früher oder später wird jedes Gesundheitssystem u.a. aufgrund erheblicher Kostensteigerung durch den wissenschaftlichen Fortschritt bei neuen Diagnose- und Therapieverfahren an seine finanziellen Grenzen stossen. Das bedeutet letztendlich, dass politisch entschieden werden muss, welche (Grund)-Leistungen eine gesetzliche Krankenkasse zu welchem Preis (sprich monatlichem Beitragssatz) zur Verfügung stellen muss und kann. Basis solcher Entscheidungen sollte aber immer – wenn möglich - eine wissenschaftlich begründete Bewertung im Sinne eines Health Technology Assessments sein. Für die GKV wird das Mittel des HTA´s aber nicht nur auf die Methodenbewertung von Untersuchungs- und Behandlungsverfahren alleine beschränkt. Auch neue Versorgungsformen, die u.a. zur Qualitätssicherung aber auch – verbesserung eingeführt werden, können im Rahmen eines HTA´s auf ihre mögliche Zielerreichung bewertet werden.
HTA und Methodenbewertung
Die GKV hat sich bereits sehr früh mit den Methoden der evidenzbasierten Medizin insbesondere im Zusammenhang mit der Erstellung von HTA´s zu neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden beschäftigt. Ziel war es immer, dass – vor generellem Leistungsanspruch – neue Verfahren zunächst über geeignete Studien ihren Nutzen nachweisen müssen und – insbesondere im Interesse des Patientenschutzes – auch auf mögliche Risiken und Gefahren aufmerksam gemacht wird. Vor generellem Leistungsanspruch eines neuen Verfahrens in der GKV sollte als Ergebnis eines HTA´s erwartet werden, dass dieses im Vergleich zu bereits etablierten Verfahren besser (i.S. von wirksamer) oder bei gleicher Wirksamkeit zumindest risikoärmer sein muss. Gegebenenfalls wird zusätzlich auch bei ansonsten vergleichbarer Wirksamkeit und ähnlichem Risikopotential noch der Nachweis der Wirtschaftlichkeit herangezogen werden müssen. Methoden wie z.B. die roboterunterstützte Hüftgelenksendoprothetik (Robodoc®), die seit vielen Jahren im Markt sind und wo auf Basis wissenschaftlicher Studien kein Vorteil gegenüber der etablierten Methode nachgewiesen wurde, es aber Hinweise auf ein höheres Risikopotential gibt und gleichzeitig die Kosten erheblich höher sind gehören nicht in den Katalog der GKV und somit in eine solidarfinanzierte Regelversorgung.
Ausdrücklich zu begrüßen - weil es auch die klinische und wissenschaftliche Realität widerspiegelt - ist die in den Bewertungsverfahren des Gemeinsamen Bundesausschusses vorgesehene Erprobungsregelung für solche Verfahren, deren Nutzen zwar noch nicht ausreichend belegt ist, bei denen jedoch damit zu rechnen ist, dass in den nächsten Jahren Studienergebnisse vorliegen. Liegt eine solche Situation vor – wie aktuell bei der Methode der Autologen Chondrocytenimplantation (ACI) bei umschriebenen Knorpeldefekten am Kniegelenk - kann der G-BA die Beratung zunächst aussetzen und auf eine Ja-Nein-Entscheidung verzichten. Für die Dauer der Aussetzungs-/Erprobungsphase werden durch den Gemeinsamen Bundesausschuss Qualitätsanforderungen festgelegt. Langfristig sollte die Erlaubnis, neue Methoden einsetzen zu dürfen, generell von Qualitätsanforderungen abhängig gemacht werden, die den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand widerspiegeln. Der perspektivische Umgang mit der Einführung von Innovationen in das Gesundheitssystem wurde von Seiten der GKV als ein wichtiges Thema identifiziert, da die Einführung innovativer Verfahren z.Zt. in Deutschland meistens unsystematisiert, ungesteuert und häufig ungeprüft verläuft. Wenn eine Methode einen gewissen Verbreitungsgrad gefunden hat, wird auch in der Regel die Vergütung z.B. über die Abbildung im DRG-System erreicht. Damit erfolgt letztendlich die Bezahlung einer Innovation, ohne dass es auf dem Weg vom Experiment zur klinischen Anwendung zu einer systematischen Überprüfung des Nutzens gekommen ist. Wird nach der Etablierung einer Methode durch die gesetzliche Krankenversicherung im Gemeinsamen Bundesausschuss ein Antrag auf Überprüfung gestellt, so steigen die Widerstände je nach Verbreitungsgrad und ökonomischer Abhängigkeit der Leistungserbringer von dieser Methode. Dies könnte vermieden werden, wenn über eine frühzeitige Methodenbewertung im Sinne eines „Early HTA“ Verfahren ohne Nutzen für die Versorgung herausgefiltert würden. Genauso nachteilig ist es, wenn potenziell sinnvolle und nützliche Innovationen für den ambulanten Sektor nur darum keine "GKV-Zulassung" erfahren, weil die entsprechenden Leistungserbringer und die Investoren der Industrie unterlassen haben, durch hochwertige begleitende Studien in der Experimentalphase den Nutzen der Methode zu belegen. Die Folge war und ist, dass z.T. unnütze oder schädliche Verfahren zu Lasten der GKV erbracht werden aber auch, dass gute und sinnvolle Verfahren erst nach längerer Zeit in den Leistungskatalog aufgenommen werden.
HTA und Evidence-based Health Care
Neben der Methodenbewertung auf institutioneller Ebene werden HTA´s auch im Hinblick auf versorgungspolitische Aspekte eine zunehmend wichtigere Rolle spielen. Neue Versorgungsformen oder Ansätze zur Qualitätssicherung wie z.B. Mindestmengen für planbare Leistungen werden – nachdem sie in verschiedenen anderen Ländern zur Anwendung kamen – auch in Deutschland neu eingeführt. Insgesamt wurde das Thema Mindestmengen sowohl im Hinblick auf die Evidenzbasierung als auch auf mögliche Umsetzungen und deren Auswirkungen auf die flächendeckende Versorgung nicht nur in der Fachöffentlichkeit kontrovers diskutiert. Wissenschaftlich fundierte HTA´s in diesem Bereich haben sehr zu „Ent-Emotionalisierung“ und Weiterentwicklung dieses Instruments beigetragen. Evidenzbasierte Versorgungsforschung kann eine Wissensbasis für rationale Gesundheitspolitik schaffen und die Entwicklung, Implementierung und Evaluation innovativer Versorgungstechnologien, -strukturen und -konzepte unterstützen.
Schlussfolgerung
Begrenzte Ressourcen stehen einer verstärkten medizinischen Inanspruchnahme bedingt durch Altersstruktur und erweiterter medizinischer Leistungsmöglichkeiten gegenüber. HTA kommt aus Sicht der GKV in diesem Zusammenhang die Rolle zu, wissenschaftliche Grundlagen zu erarbeiten auf deren Basis dann versorgungsrelevante Entscheidungen getroffen werden können. Ergebnisse aus Health Technology Assessments können eine wichtige Hilfestellung bei der Bewertung von innovativen Verfahren (z.T. auch schon in einer sehr frühen Phase der Entwicklung) aber auch neuer Versorgungsformen sein.