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Destruktion der Cochlea durch autoagressive Manipulation im Rahmen eines Intersexualitätskonfliktes
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Published: | April 4, 2012 |
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Das Ohr als Zielorgan der Autoaggressivität ist in der Literatur und in unserem Klinikalltag wenig bekannt. Als Sinnesorgan, das nicht willkürlich ausgeschaltet werden kann, ist es ein potenzielles Manipulationsobjekt bei akustischen Halluzinationen.
Fall: Wir berichten über einen 32-jährigen Patienten mit Zustand nach Geschlechtsumwandlung vor vier Jahren. Seit einem Jahr besteht eine Surditas bds., nachdem er sich einen Schraubendreher durch die beiden äußeren Gehörgänge in die Laterobasis eingeschlagen hat. Dies geschah im Rahmen einer schizoaffektiven Psychose. Es wird von einem wahnhaften Erlebnis mit imperativen Stimmen berichtet. Die interdisziplinäre Erstversorgung erfolgte in einem peripheren Krankenhaus. Im CT und MRT zeigt sich der Nachweis einer Destruktion beider Cochleae sowie Zeichen einer Hirnkontusion links. Zu den weiteren Verletzungen ist angiografisch eine traumatische Dissektion und Stenose der A. carotis bds. gesichert worden. Initial sind inkomplette Hirnausfälle V-VII sowie Hämatoliquorrhoe bds. beschrieben worden. Durch Absprengung des hinteren Pfannenrandes des Mandibular-Gelenkes ist es zu einem inkompletten Kieferschluss gekommen. Im Reintonaudiogramm bestätigt sich eine posttraumatische Surditas bds.
Die Vorstellung bei uns erfolgte zur Durchführung einer audiologischen Differenzialdiagnostik mit der Fragestellung nach einer Hörrehabilitation durch ein implantierbares Hörsystem. Nach der erfolgten medikamentösen Einstellung wird der psychische Zustand des Patienten in einem psychiatrischen Gutachten als stabil eingeschätzt. Vor dieser akuten psychotischen Dekompensation ist die Psychose wohl nicht bekannt gewesen.
Der Fall zeigt, wie wichtig es ist, vor geschlechtsumwandelnden Operationen einen psychiatrischen Status zu erheben und begleitende psychische Erkrankungen auszuschließen.