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GMDS 2015: 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

06.09. - 09.09.2015, Krefeld

Wearables in der praktischen Ausbildung: Handhygienetraining mit dem Myo Armband

Meeting Abstract

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  • David Laukamp - Institut für Medizinische Informatik, RWTH Aachen University, Aachen, Deutschland
  • Ekaterina Kutafina - Institut für Medizinische Informatik, RWTH Aachen University, Aachen, Deutschland
  • Stephan Jonas - Institut für Medizinische Informatik, RWTH Aachen University, Aachen, Deutschland

GMDS 2015. 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Krefeld, 06.-09.09.2015. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2015. DocAbstr. 245

doi: 10.3205/15gmds004, urn:nbn:de:0183-15gmds0047

Published: August 27, 2015

© 2015 Laukamp et al.
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Einleitung: Jährlich sterben in Deutschland schätzungsweise zwischen 10.000 und 15.000 Menschen durch im Krankenhaus erhaltene Infektionen [1]. Die Mehrheit dieser Infektionen erfolgt dabei nicht durch den direkten Kontakt zwischen Patienten, sondern durch das täglich mit vielen verschiedenen Patienten interagierende medizinische Personal. Verbesserungen im Bereich der Handhygiene werden als aussichtsreiche Maßnahmen zur Minimierung der Übertragung von Krankheitserregern gesehen [2]. Neben der Versorgung mit alkoholischen Händedesinfektionsmitteln, ist die korrekte Ausführung der Handreinigung entscheidend für das Erreichen dieses Ziels. Um eine hohe und reproduzierbare Qualität bei der Reinigung der Hände sicherzustellen, existieren detaillierte Anleitungen die den Ablauf des Händewaschens und Händedesinfektion festlegen [3] und deren Einhaltung dem Krankenhauspersonal während der Ausbildung vermittelt werden. Die Kontrolle der korrekten Ausführung des Reinigungsvorgangs während hygienischer Schulungen erfordert gemessen an der vergleichsweise geringen technischen Komplexität dieser Routine einen hohen personellen Aufwand. Den Autoren sind daher keine in der klinischen Praxis verwendeten, wiederkehrenden Schulungsmaßnahmen bekannt, die ein Training der wirksamen Ausführung der Handreinigung sicherstellen. Systeme, wie das kamerabasierte SureWash [4], sind in der Lage dem Krankenhauspersonal bei der Händedesinfektion in der Klinik zu assistieren, eignen sich aufgrund der notwendigen Festinstallation allerdings für ortsungebundenes Training. Diese Situation motiviert die Suche nach einem technischen Hilfsmittel, das dem Krankenhauspersonal eine schnelle und aussagekräftige Überprüfung der Qualität der eigenen Handreinigung geben kann. Im folgenden wird die Anwendung der Thalmic Myo zur Bewertung der Ausführungsqualität der von der World Health Organization empfohlenen Handwaschprozedur [3] vorgestellt.

Material und Methoden: Das Myo Armband enthält acht EMG Sensoren, die es ermöglichen die Muskelaktivitäten am Unterarm des Trägers während der Trainingsphase zu beobachten. Die Abtastfrequenz beträgt in der für diesen Aufbau genutzten Version 50Hz. Zusätzlich liefern Beschleunigungssensoren Informationen über die Bewegung des Unterarms durch integrierte Beschleunigungsmesser, Magnetometer und Gyroskope. Um die Ausführung der Reinigung möglichst genau bewerten zu können, wurden zwei Armbänder eingesetzt, jeweils eines am linken und rechten Unterarm der Person.

Die WHO Richtlinien unterteilen den Ablauf der Handwaschroutine in sechs nacheinander auszuführende Schritte (im Folgenden als Gesten bezeichnet), die sich wie folgt charakterisieren lassen:

1.
Reinigung der Handinnenseiten,
2.
Reinigung der Fingerzwischenräume und Handaußenseite,
3.
Reinigung der Fingerzwischenräume von innen,
4.
Reinigung der Fingerglieder,
5.
Reinigung der Daumen,
6.
Reinigung der Fingernägel.

Die Gesten 2, 5 und 6 unterteilen sich nochmals in symmetrische Subgesten, jeweils für die linke und rechte Hand.

Die Erkennung der einzelnen Handreinigungsgesten erfolgt durch den Einsatz eines neuronalen Netzes. Für die Trainings-Daten und Test-Daten wurden 10 Personen in die korrekte Ausführung der einzelnen Gesten eingewiesen. Anschießend wurden die über die Myo Armbänder zur Verfügung gestellten EMG Daten während der viermaligen Ausführung aller sechs Gesten in der vorgesehenen Reihenfolge aufgezeichnet (Trainings-Daten). Jede Geste wurde für 10 Sekunden ausgeführt, worauf eine 5-sekündige Pause folgte.

Zusätzlich zu den durch die Myo gewonnenen Daten wurde die Ausführung des Händewaschens zur Erstellung des Goldstandards auf Video aufgezeichnet. Um die Qualität einer realistischen Ausführung bewerten zu können, wurden daraufhin pro Person fünf weitere Durchläufe aufgezeichnet (Test-Daten), die der eigentlichen Prozedur entspricht. Die Gesten werden jeweils für 5 Sekunden und ohne Pause zwischen den Gesten ausgeführt. Die Referenzdaten zum Ausführungsstart und zur Ausführungsdauer der einzelnen Gesten wurden nachfolgend durch Analyse der Videoaufzeichnung erstellt.

Ergebnisse: Zur Evaluierung soll zunächst die Zuverlässigkeit der Gestenerkennung durch das neuronale Netz auf den Test-Daten bewertet werden. Dieses erfolgt durch Vergleich der durch den Classifier erkannten Gestensequenz mit den durch die Videoanalyse gewonnenen Referenzdaten. Die Erkennungsrate bei 5-facher Kreuzvalidierung lag auf einem Teil des Testdatensatzes bei über 65.7%, wobei nur eine Fensterfunktion auf den Rohdaten und keine weitere Vorverarbeitung verwendet wurde.

Diskussion: Die präsentierten Resultate in der Gestenerkennung verdeutlichen das Potenzial des Einsatzes von Wearables in der medizinischen Ausbildung. Durch das Myo Armband erfasste EMG Daten weisen bereits eine Genauigkeit auf, die das Erkennen einer kontinuierlichen, periodischen Bewegung auch über mehrere Personen hinweg ermöglichen. Somit ermöglicht der Einsatz der Myo das unbeaufsichtigte Lernen von Hand- und Fingerbewegungsabläufen und kann potenziell eine gleichbleibende Qualität der Handreinigung im klinischen Umfeld unterstützen. Zukünftige Arbeiten liegen im Bereich der Evaluierung der Effektivität einer durch das Tragen von Wearables wiederholt trainierten Handreinigung und inwiefern sich hier Vorteile gegenüber der klassischen Hygieneausbildung für medizinische Fachkräfte ergeben. Außerdem motivieren die Ergebnisse im Bereich der Handhygiene die Frage nach weiteren Anwendungsfeldern von EMG Armbändern im klinischen Umfeld, beispielsweise im Bereich der Physiotherapieausbildung.


Literatur

1.
Reichardt C, Mönch N, Hansen S, Geffers C, Gastmeier P. Verbrauch an Händedesinfektionsmittel – ein Surrogat- und Referenzparameter für Compliance der hygienischen Händedesinfektion. Krankenhaus- Hygiene + Infektionsverhütung. 2009; 31(1):4–7.
2.
Klauber J, Geraedts M, Friedrich J, Wasem J. Schwerpunkt: Patientensicherheit. Krankenhaus-Report. Schattauer; 2014.
3.
World Health Organization. Clean care is safer care. http://www.who.int/gpsc/clean_hands_protection/en/. Last accessed: 03.03.2015. External link
4.
Ghosh A, Ameling S, Zhou J, Lacey G, Creamer E, Dolan A, Sherlock O und Humphreys H. Pilot evaluation of a ward-based automated hand hygiene training system. American Journal of Infection Control. 2013; 41(4):368–370.