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GMDS 2014: 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

07. - 10.09.2014, Göttingen

Berufliche Werdegänge von Studierenden der Biomedizinischen Informatik: Erste Ergebnisse einer AbsolventInnen-Befragung

Meeting Abstract

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  • E. Ammenwerth - UMIT - Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Med. Informatik und Technik Tirol, Hall in Tirol
  • W. Hackl - UMIT, Hall in Tirol

GMDS 2014. 59. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Göttingen, 07.-10.09.2014. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2014. DocAbstr. 97

doi: 10.3205/14gmds107, urn:nbn:de:0183-14gmds1077

Published: September 4, 2014

© 2014 Ammenwerth et al.
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Einleitung und Fragestellung: Seit 1972 kann man im deutschsprachigen Raum ein Universitätsstudium für Medizinische Informatik absolvieren. Nach Angaben der Nachwuchsinitiative INIT-G gibt es in Deutschland 25 Studiengänge der Medizinischen Informatik sowie 40 Informatik-Studiengänge mit einer Vertiefung "Medizinische Informatik" [1]. Über die beruflichen Werdegänge der AbsolventInnen dieser Studiengänge ist aber wenig bekannt. Die einzige uns bekannte größere AbsolventInnen-Befragung fand 2001 im Studiengang Medizinische Informatik der Universität Heidelberg/Fachhochschule Heilbronn statt [2]. An der UMIT, der Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik des Landes Tirol, werden seit 2001 ein 3-jähriges Bachelor- sowie ein zweijähriges Master-Studium in Biomedizinischer Informatik angeboten [3]. Inzwischen haben 175 Personen das Bachelor- und/oder Master-Studium absolviert. In einer AbsolventInnenumfrage wurden nun die beruflichen Werdegänge untersucht und geprüft, ob die vermittelten Kompetenzen am Arbeitsmarkt auch nachgefragt werden.

Material und Methoden: Alle AbsolventInnen, bei denen der Werdegang nicht persönlich bekannt war, wurden per E-Mail kontaktiert und um eine kurze Darstellung des Werdeganges gebeten. Soweit keine gültige E-Mail-Adresse ermittelt werden konnte, erfolgte eine Recherche in sozialen Netzwerken sowie im World Wide Web. Die Antworten wurden induktiv bezüglich folgende Fragestellungen ausgewertet: Absolvierte weitere Studiengänge; Promotionsabsicht; erste berufliche Tätigkeit und Arbeitgeber nach Studienabschluss; berufliche Wechsel; derzeitige Tätigkeit und Arbeitgeber; Ort der beruflichen Tätigkeit.

Ergebnisse: Insgesamt haben 175 Personen ein Studium der Biomedizinischen Informatik an der UMIT absolviert (83 Personen nur Bachelor-Abschluss, 60 Personen sowohl Bachelor- als auch Master-Abschluss, 32 Personen nur Master-Abschluss). Vier-Fünftel der AbsolventInnen sind männlich. Von 170 Personen (97%) ist der berufliche Werdegang mit ausreichender Sicherheit bekannt und fließt in die folgende Auswertung ein. Von allen AbsolventInnen ist derzeit gut die Hälfte in Tirol tätig, ein Drittel im sonstigen Österreich oder in Deutschland.

Direkt nach dem Bachelor-Abschluss an der UMIT haben über Vier-Fünftel ein weiterführendes Master-Studium aufgenommen (davon zwei Drittel an der UMIT, ein Drittel an anderen Universitäten). Die gewählten Master-Studiengänge lagen dabei zu 40% im Bereich der biomedizinischen Informatik, zu 40% im Bereich der sonstigen Informatik und zu 20% in anderen Bereichen. Weitere 9 Personen haben später berufsbegleitend studiert, so dass letztendlich 86% der Bachelor-AbsolventInnen ein Master-Studium begonnen haben.

Direkt nach dem Master-Abschluss an der UMIT sind etwa die Hälfte aller AbsolventInnen als InformatikerIn in die Industrie oder an eine Gesundheitseinrichtung (außerhalb der Forschung) gegangen, ein gutes Drittel hat ein Doktorat an einer Forschungseinrichtung begonnen, der Rest ist klinisch tätig oder außerhalb der Informatik tätig (meist in einem Familienbetrieb). Derzeit sind 20 Personen bereits promoviert, drei Viertel davon sind danach in die Industrie gewechselt, der Rest arbeitet als PostDoc an einer Forschungseinrichtung.

Von allen Master-AbsolventInnen der UMIT, die als InformatikerInnen in Forschung oder Industrie tätig sind, sind vier Fünftel innerhalb des Gesundheitswesens tätig. Arbeitgeber für diese AbsolventInnen sind neben Forschungseinrichtungen und Universitäten vor allem Firmen der Medizinischen Informatik und Krankenhäuser, gefolgt von Pharma-Firmen sowie Firmen im Bereich Bioinformatik und Biotechnologie.

In den Jahren 2001–2004 konnten auch Personen, die vorher ein Medizinstudium absolviert hatten, den Master-Studiengang Medizinische Informatik an der UMIT besuchen. Diese Möglichkeit bestand ab 2004 so nicht mehr. Insgesamt haben 14 MedizinerInnen in dieser Zeit das Master-Studium absolviert. Von diesen Personen sind inzwischen fünf Personen als InformatikerInnen im Gesundheitswesen tätig, acht Personen sind wieder medizinisch tätig.

Die beruflichen Tätigkeiten aller Bachelor- und MasterabsolventInnen außerhalb der Forschung spiegeln die Breite der Informatik wieder. Sie reichen von der System- und Softwareentwicklung und Softwarequalitätssicherung über das Produktmanagement, Vertrieb und Consulting bis hin zu Softwareparametrierung, Inbetriebnahmen und Support. Details hierzu werden im Vortrag vorgestellt.

Diskussion: Diese Umfrage kann nur einen ersten Eindruck von den beruflichen Werdegängen vermitteln. Die Auswertungen beruhen auf qualitativen Antworten, welche induktiv ausgewertet wurden. Eine umfangreichere, standardisierte Befragung erfolgte nicht. Vielmehr wurde der persönliche Kontakt zu den AbsolventInnen gesucht und dadurch eine sehr guter Rücklauf erreicht – von fast allen der AbsolventInnen sind die Werdegänge mit ausreichender Sicherheit bekannt.

Die Ergebnisse zeigen zunächst einmal die sehr guten Berufsaussichten. Antworten, die auf längere Arbeitssuche oder fachfremde Beschäftigung aufgrund von fehlenden Jobangeboten hinweisen, gibt es nicht. Über vier Fünftel der Master-AbsolventInnen sind als InformatikerIn im Gesundheitswesen oder in der Forschung und damit innerhalb ihrer primären Qualifikation tätig. Ein weiterer Indikator für die sehr gute Arbeitslage ist die Tatsache, dass über die Hälfte der AbsolventInnen der UMIT in Tirol geblieben sind, also alleine in diesem geografisch doch eingeschränkten Bereich ausreichend adäquate Jobangebote verfügbar sind.

Auffällig ist, dass fast alle Bachelor-AbsolventInnen entweder direkt oder später berufsbegleitend noch ein Master-Studium begonnen haben, überwiegend im Bereich der (biomedizinischen) Informatik. Einzelne Antworten deuten darauf hin, dass sowohl die Jobangebote als auch das Einstiegsgehalt ohne Master-Abschluss als unattraktiv empfunden werden.

Interessant ist die eher niedrige Zahl von Master-AbsolventInnen, welche als InformatikerInnen direkt in Gesundheitseinrichtungen tätig sind, nämlich nur etwa jeder Zehnte. Einzelne Rückmeldungen deuten darauf hin, dass es wenige Jobangebote in Gesundheitseinrichtungen gibt und auch die Aufstiegsmöglichkeiten hier begrenzt sind, und daher eher eine (häufig auch besser bezahlte) Tätigkeit in der Industrie angenommen wird.

Die einzige uns bekannte vergleichbare Befragung stammt aus dem Diplom-Studiengang an der Universität Heidelberg/Fachhochschule Heilbronn [2]. Dort waren 2003 von 415 AbsolventInnen 43% als InformatikerIn im Gesundheitswesen und 51% als InformatikerIn außerhalb des Gesundheitswesens tätig. Bei den UMIT-Master-AbsolventInnen ist der Anteil der im Gesundheitswesen tätigen Personen deutlich höher. Auch bezüglich der Promotion gibt es Unterschiede: Beim Studiengang Heidelberg/Heilbronn haben damals ein Viertel eine Promotion angestrebt oder erreicht, während an der UMIT von allen Master-AbsolventInnen über ein Drittel dies tun.

Ausblick: Aufgrund der Erfahrungen der letzten 12 Jahre mit dem Studium der Biomedizinischen Informatik an der UMIT und auch unter Einbeziehung der Ergebnisse dieser AbsolventInnen-Befragung wird derzeit das Konzept des Master-Studiums an der UMIT aktualisiert. Dabei werden auch die Ausbildungsempfehlungen der International Medical Informatics Association (IMIA) berücksichtigt werden [4]. Eine wesentliche Änderung wird die Ausweitung der Zugangsmöglichkeiten auch für MedizinerInnen, PflegewissenschaftlerInnen und andere NaturwissenschaftlerInnen zum Studium sein. Damit wäre die UMIT eine der wenigen universitären Master-Studiengänge im deutschsprachigen Raum, welche auch einen „nicht-technischen“ Zugang zur Medizinischen Informatik auf Master-Niveau ermöglicht. Die in der Umfrage dargestellten sehr guten Jobmöglichkeiten und auch die Tatsache, dass fast ein Drittel der MedizinerInnen aus dem Master-Studium jetzt im (Bio-)Medizininformatik-Bereich tätig ist, bestärken uns darin.


Literatur

1.
GMDS. Newsletter der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) vom Dez 2013. 2013.
2.
Knaup P, Frey W, Haux R, Leven F. Medical Informatics Specialists: What Are their Job Profiles? Results of a study on the first 1024 medical informatics graduates of the Universities of Heidelberg and Heilbronn. Methods Inf Med. 2003;42(5):578-87.
3.
Haux R. Biomedical and health informatics education at UMIT – approaches and strategies at a newly founded university. Int J Med Inform. 2004 Mar 18;73(2):127-38.
4.
Mantas J, Ammenwerth E, Demiris G, Hasman A, Haux R, Hersh W, et al. Recommendations of the International Medical Informatics Association (IMIA) on Education in Biomedical and Health Informatics. First Revision. Methods Inf Med. 2010 Jan 7;49(2):105-20.