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GMDS 2013: 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

01. - 05.09.2013, Lübeck

Lebensstilinterventionen durch Hausärzte zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Erste Ergebnisse einer bundesweiten Studie mit über 4.000 Ärzten

Meeting Abstract

  • Christina Bock - Universität Heidelberg, Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Mannheim, DE
  • Manfred Mayer - Internistische Gemeinschaftspraxis Dr. med. Manfred Mayer und Dr. med. Angela Schmid, Mannheim, DE; Ärztenetz Qu@linet e. V., Mannheim, DE
  • Tatiana Yarmoliuk - Universität Heidelberg, Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Mannheim, DE
  • Raphael Herr - Universität Heidelberg, Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Mannheim, DE
  • Katharina Diehl - Universität Heidelberg, Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Mannheim, DE
  • Sven Schneider - Universität Heidelberg, Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Mannheim, DE

GMDS 2013. 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Lübeck, 01.-05.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocAbstr.21

doi: 10.3205/13gmds209, urn:nbn:de:0183-13gmds2097

Published: August 27, 2013

© 2013 Bock et al.
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Einleitung und Fragestellung: Viele Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind zu einem Großteil auf die persönliche Lebensweise zurückzuführen [1], [2]. Gleichzeitig können lebensstilbedingte Risikofaktoren wie ungünstige Ernährung, Bewegungsmangel, Tabak- und Alkoholkonsum mit Hilfe geeigneter Maßnahmen positiv beeinflusst werden, wodurch sich das Erkrankungsrisiko nachweislich reduziert [3]. Entsprechende Lebensstilinterventionen durch Hausärzte stellen eine effektive Maßnahme zur Förderung eines gesunden Lebensstils und damit zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen dar [4], [5], [6]. Jedoch gab es bislang keine aussagekräftigen Daten für das Angebot an solchen Gesundheitsförderungsmaßnahmen in deutschen Hausarztpraxen. Somit war unklar, wie Präventionsstrategien derzeit tatsächlich umgesetzt werden. Ziele der ÄSP-kardio-Studie waren die Beschreibung der Ist-Situation von Gesundheitsförderung und Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie die Ermittlung damit assoziierter Faktoren im hausärztlichen Praxisalltag in Deutschland.

Material und Methoden: Eine bundesweit repräsentative Stichprobe mit über 4.000 Allgemeinmedizinern, Praktischen Ärzten und hausärztlich tätigen Internisten wurde zu ihrer persönlichen Einstellung, ihrem Angebot an Lebensstilinterventionen und anderen Präventionsmaßnahmen sowie möglichen Barrieren für Präventionsangebote befragt. Inhaltlich lag der Schwerpunkt auf den zentralen Lebensstilfaktoren Ernährung, Bewegung, Tabak- und Alkoholkonsum. Der entwickelte Fragebogen wurde mittels kognitiver Interviews validiert und im Rahmen einer Pilotstudie ausführlich getestet. Die Feldphase wurde im Zeitraum von 10/2011 bis 03/2012 nach der Total-Design-Methode durchgeführt [7]. Neben deskriptiven Analysen wurden mittels logistischer Regression arztspezifische Faktoren identifiziert, die mit der Durchführung von Lebensstilinterventionen assoziiert waren.

Ergebnisse: Im Mittel verwendeten die befragten Hausärzte 36,0% ihrer Praxiszeit auf die Prävention und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Nahezu alle Ärzte (96,0%) sahen sich in der Rolle eines Gesundheitsberaters. Gleichzeitig fand die Mehrheit (74,5%) es aber schwierig, ihre Patienten hinsichtlich einer Lebensstiländerung gut zu beraten, und 29,0% waren nicht davon überzeugt, dass ihre Motivation die Patienten erfolgreich zu einer gesünderen Lebensweise hinbringen könnte. Etwa zwei Drittel der Hausärzte führten in mindestens jedem zweiten Patientenkontakt indikationsbedingt Kurzinterventionen bezüglich der Umstellung auf eine ausgewogene Ernährung (66,4%), der Erhöhung der Bewegungsaktivität (71,8%), der Tabakentwöhnung (72,1%) oder der Reduktion des Alkoholkonsums (61,2%) durch. Die Häufigkeit von Lebensstilinterventionen war bei Hausärztinnen höher als bei Hausärzten (adjustiertes Odds Ratio und 95%-Konfidenzintervall bezogen auf alle vier untersuchten Lebensstilfaktoren: 1,21 [1,05-1,39]). Des Weiteren war vor allem die persönliche Einstellung der Ärzte signifikant mit der Durchführung von Lebensstilinterventionen assoziiert. Als bedeutendste Barriere für die Lebensstilberatung im Praxisalltag wurde eine unzureichende Vergütung (90,8%) genannt, gefolgt von kulturellen Unterschieden im Gesundheitsverständnis der Patienten (59,9%), mangelnder Adhärenz (59,7%) und unzureichender Vernetzung mit anderen Leistungsträgern (57,2%).

Diskussion: Trotz vorhandener Barrieren im Praxisalltag führte die Mehrheit der befragten Hausärzte bei ihren Patienten Lebensstilinterventionen bezüglich Ernährung, Bewegung, Tabak- oder Alkoholkonsum durch. Die allgemein positive Einstellung gegenüber Gesundheitsförderung und Prävention unterstreicht die Bereitschaft der deutschen Hausärzteschaft, in diesem Bereich aktiv zu sein. Dennoch sieht die Mehrheit der Ärzte Lebensstilinterventionen und andere Präventionsmaßnahmen mit Schwierigkeiten im Praxisalltag verbunden, sei es hinsichtlich des zu erwartenden Motivationserfolges, biopsychosozialer oder praxisbezogener Barrieren. Eine Optimierung insbesondere der ökonomischen Rahmenbedingungen im Gesundheitssystem stellt demnach einen ersten Ansatz zur Erhöhung des Präventionsangebotes in der hausärztlichen Versorgung dar und könnte langfristig zu einem besseren Stellenwert von Gesundheitsförderung und Prävention beitragen.


Literatur

1.
GBE Bund. Gesundheit in Deutschland. Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Berlin: Robert Koch-Institut; 2006. p. 19-56.
2.
WHO. Global health risks: mortality and burden of disease attributable to selected major risks. Genf: World Health Organization; 2009. p. 9-27.
3.
Haskell WL. Cardiovascular disease prevention and lifestyle interventions: effectiveness and efficacy. J Cardiovasc Nurs. 2003; 18 (4): 245-255.
4.
Lin JS, O’Connor E, Whitlock EP, Beil TL, Zuber SP, Perdue LA, et al. Behavioral counseling to promote physical activity and a healthful diet to prevent cardiovascular disease in adults: update of the evidence for the U.S. Preventive Services Task Force. Rockville: Agency for Healthcare Research and Quality; 2010.
5.
Meinertz T, Heitzer T. Primäre und sekundäre Prävention der koronaren Herzkrankheit: Rauchen. Z Kardiol. 2002; 91 (Suppl 2): 3-11.
6.
Scheuermann W, Razum O, Scheidt R, Wiesemann A, von Frankenberg H, Topf G, et al. Effectiveness of a decentralized, community-related approach to reduce cardiovascular disease risk factor levels in Germany. Eur Heart J. 2000; 21 (19): 1591-1597.
7.
Dillman DA. Mail and telephone surveys. The total design method. Chichester: Wiley; 1978.