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GMDS 2013: 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

01. - 05.09.2013, Lübeck

Potenziell inadäquate Medikation: Was wissen wir über das Verordnungsverhalten?

Meeting Abstract

  • Roland Linder - WINEG - Wissenschaftliches Institut der TK für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen, Hamburg, DE
  • Udo Schneider - WINEG - Wissenschaftliches Institut der TK für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen, Hamburg, DE
  • Martina Köthemann - Fachreferat Arzneimittel der Techniker Krankenkasse, Hamburg, DE
  • Frank Verheyen - WINEG - Wissenschaftliches Institut der TK für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen, Hamburg, DE

GMDS 2013. 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Lübeck, 01.-05.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocAbstr.241

doi: 10.3205/13gmds204, urn:nbn:de:0183-13gmds2041

Published: August 27, 2013

© 2013 Linder et al.
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Outline

Text

Einleitung und Fragestellung: War man bei der Untersuchung potenziell inadäquater Medikation (PIM) bislang vorwiegend auf die Beers-Liste [1] angewiesen, steht seit 2010 mit der im Rahmen des Aktionsplans Arzneimitteltherapiesicherheit 2008/2009 des Bundesministeriums für Gesundheit erarbeiteten PRISCUS-Liste [2] eine formal und inhaltlich an den deutschen Arzneimittelmarkt adaptierte Aufstellung relevanter PIM zur Verfügung. Die PRISCUS-Liste nennt 83 Arzneimittel aus 18 Arzneistoffklassen, die für Patienten ab 65 Jahre als potenziell inadäquat bewertet wurden. Seit Publikation der PRISCUS-Liste im Jahr 2010 wurde in einigen wenigen Studien der Verordnungsanteil von potentiell inadäquaten Medikamenten bei älteren Menschen ab 65 Jahren (65+) untersucht. Die vorliegende Arbeit untersucht erstmalig, inwieweit sich Unterschiede im Verordnungsverhalten gegenüber jüngeren Patienten erkennen lassen, ob sich im Verlauf der letzten Jahre Änderungen abzeichnen und inwieweit ein Einfluss der öffentlichen Diskussion im Zusammenhang mit der Publikation der PRISCUS-Liste erkennbar ist.

Material und Methoden: Das bestehende Verordnungsverhalten der in der PRISCUS-Liste beschriebenen PIM wurde auf Basis von Routinedatenanalysen der Techniker Krankenkasse (TK) erfasst und ausgewertet. Jahresweise analysiert wurden die Arzneimittelverordnungen von erwachsenen Versicherten, die in den Jahren 2008 bis 2011 jeweils durchgängig versichert waren. Um die Verordnungsanteile an PIM zwischen Alt und Jung unabhängig von den unterschiedlichen Gesamtvolumina an verordneten Arzneimitteln vergleichen zu können, wurde die Zahl an verordneten PIM jeweils ins Verhältnis gesetzt zur Gesamtzahl an Verordnungen im jeweiligen Indikationsgebiet.

Ergebnisse: Der Anteil der Patienten der Gruppe 65+ mit mindestens einer PRISCUS-Verordnung betrug im Jahr 2008 21,7% und verringerte sich kontinuierlich auf 19,4% im Jahr 2011. Betrachtet man auf Basis der ATC-Codes diejenigen Versicherten, die mindestens vier wirkstoffgleiche PIM verordnet bekamen, so beläuft sich deren Anteil auf knapp 6% im Jahr 2008. Dieser sinkt bis zum Jahr 2011 auf etwa 5%. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen Unterschiede in den Verordnungen von PIM nach Indikati-onsgebiet und nach Alter. Entgegen den Erwartungen und trotz des rückläufigen Trends bei der potentiell inadäquaten Medikation (PIM) liegt der PIM-Gesamtanteil bei den Älteren stabil höher als bei den unter 65-Jährigen. Vergleicht man das Verordnungsverhalten auf Ebene der Indikationsgebiete, zeigt sich ein heterogenes Bild, das auf die Notwendigkeit zukünftiger indikationsspezifischer Analysen hinweist. Ein besonderer Einfluss der PRISCUS-Liste auf die Verordnungswirklichkeit ist nicht erkennbar.

Diskussion: Der Anteil an PIM-Verordnungen ist unter den TK-Versicherten geringer als in den Datenbeständen anderer Krankenkassen [3]. Über die vier Beobachtungsjahre sind die PIM-Verordnungen leicht rückläufig. Methodisch wurde erstmals ein indikationsspezifischer Ansatz verwendet, der unabhängig von den Gesamtvolumina einen Vergleich des Verordnungsverhaltens zwischen Alt und Jung erlaubt: Entgegen den Erwartungen liegt der Verordnungsanteil an PIM über alle Indikationsgebiete bei den Älteren stabil höher als bei den unter 65-Jährigen. Da sich dies für die einzelnen Indikationsgebiete unterschiedlich darstellt, sind zukünftig indikationsspezifische Analysen unter Verwendung der hier eingeführten Methodik zu fordern.


Literatur

1.
Beers MH. Explicit criteria for determining potentially inappropriate medication use by the el-derly. An update. Arch Intern Med. 1997; 157(14): 1531-6.
2.
Holt S, Schmiedl S, Thürmann PA. Potenziell inadäquate Medikation für ältere Menschen: Die PRISCUS-Liste. Dtsch Arztebl Int. 2010; 107(31-32): 543-51.
3.
Thürmann PA, Holt-Noreiks S, Nink K, Zawinell A. Arzneimittelversorgung Älterer Patienten. In: Günster C, Klose J, Schmacke N Hrsg. Versorgungsreport 2012. Schwerpunkt: Gesundheit im Alter. Stuttgart: Schattauer; 2012: 111-30