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GMDS 2013: 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

01. - 05.09.2013, Lübeck

Bioinformatische Herausforderungen der Personalisierten (genombasierten) Medizin

Meeting Abstract

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  • Michael Krawczak - Institut für Medizinische Informatik und Statistik, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Kiel, DE

GMDS 2013. 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Lübeck, 01.-05.09.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocAbstr.K2.1

doi: 10.3205/13gmds003, urn:nbn:de:0183-13gmds0036

Published: August 27, 2013

© 2013 Krawczak.
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Unter „Personalisierter Medizin“ versteht man die Anpassung ärztlicher Entscheidungen und Handlungen an die Gegebenheiten des individuellen Patienten. Dabei spielen genetische Informationen eine entscheidende Rolle, und der Begriff „personalisiert“ wird daher oftmals synonym für „genombasiert“ verwendet. Insbesondere in der Onkologie hat die Verwendung genetischer Daten zur Therapiesteuerung bereits Eingang in die klinische Praxis gefunden. Beispiele hierfür sind die routinemäßige Testung auf BRCA1- und BRCA2-Mutationen bei einer familiären Vorgeschichte für Brust- bzw. Ovarialkrebs und die maßgeschneiderte Therapie von Patienten mit chronisch myeloischer Leukämie, die eine bestimmte reziproke Translokation der Chromosomen 9 und 22 aufweisen.

Die Nutzung genetischer Daten in der klinischen Praxis stellt die daran beteiligte Bioinformatik vor wesentliche Herausforderungen in den Bereichen

  • Datenhandling
  • Datenschutz
  • Dateninterpretation

Es zeichnet sich ab, dass durch die rasante technologische Entwicklung und den damit einhergehenden Verfall der Kosten der primären Datenerzeugung schon in naher Zukunft die genomweite DNA-Sequenzierung zur Technik der Wahl in der genombasierten Medizin werden könnte. Die Sequenzierungskosten haben schon 2007 Moore’s Law hinter sich gelassen und sind von 100 Millionen Dollar am Ende des Human-Genom-Projekts auf unter 10,000 Dollar pro Genom in 2013 gestürzt. Das vielbeschworene „1000-Dollar-Genom“ scheint nur noch ein Frage der Zeit. Dies bedeutet, dass schon in naher Zukunft Datenmengen in der Größenordnung von 150 bis 200 GB je Proband in einer klinischen Umgebung verwaltet, gespeichert und analysiert werden müssen. Nach derzeitigem Stand der Technik wären mehrere Stunden für den Import und die systematische Bewertung eines einzelnen Humangenoms erforderlich. Die Bioinformatik kann an dieser Stelle erheblich zu Vereinfachung und effizienteren Ausgestaltung der Prozesse beitragen, z.B. durch eine geeignete Reduktion der Auflösung von Rohdaten, Begleitdaten und abgeleiteten Daten.

Genetische Daten gelten gemeinhin als besonders schutzwürdig, nicht nur weil sie personenspezifisch und unabänderlich sind, sondern weil aus ihnen Rückschlüsse auf die genetischen Eigenschaften enger Verwandter des Patienten möglich sind. Aus diesem Grund muss dem Datenschutz im Fall genetischer Informationen ein besonderes Augenmerk gelten. Hier verspricht neben der getrennten Speicherung und administrativen Zuständigkeit für verschiedene Datentypen auch der Einsatz von Datentreuhändern eine tragfähige Lösung. Da genomweite Daten für einen absehbaren Zeitraum auch von hohem innovativem Wert sein werden, stellt sich zudem die Frage nach dem sicheren „Data Sharing“ auf nationaler und internationaler Ebene. Hierfür sind z.B. von Seiten des US-amerikanischen National Centre for Biotechnology Information (NCBI) bereits vielversprechende Strategien vorgeschlagen worden.

Da die Bedeutung der genetischen Information für die individuelle Gesundheit ihres Trägers in weiten Teilen immer noch unverstanden ist, bildet auch die Dateninterpretation im Kontext einer genombasierten Medizin eine große bioinformatische Herausforderung. Dies schließt die Annotation neu aufgefundener Varianten ebenso ein wie deren verlässliche funktionelle Bewertung.

In der Gesamtschau erweist sich die personalisierte, genombasierte Medizin als attraktives zukünftiges Arbeitsfeld für die bislang eher forschungsorientierte Bioinformatik. Idealerweise sollte sich diese Perspektive auch in der Ausbildung geeigneter Fachleute niederschlagen. Wenn sich die weitverbreiteten Erwartungen an die Personalisierte Medizin tatsächlich bewahrheiten, so könnte dies zur Entstehung eines neuen Berufsbilds in Form des „klinischen Bioinformatikers“ führen.