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GMDS 2012: 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

16. - 20.09.2012, Braunschweig

Prävalenz seltener Erkrankungen – eine besondere Herausforderung für Nutzenbewertung und Gesundheitsökonomie

Meeting Abstract

  • Julia Schiffner-Rohe - Pfizer Deutschland GmbH, Berlin, Deutschland
  • Dirk Schmitt - Pfizer Deutschland GmbH, Berlin, Deutschland
  • Christian Brösamle - Advanced Medical Services GmbH, München, Deutschland

GMDS 2012. 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Braunschweig, 16.-20.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12gmds179

doi: 10.3205/12gmds179, urn:nbn:de:0183-12gmds1798

Published: September 13, 2012

© 2012 Schiffner-Rohe et al.
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Hintergrund: Mit Einführung des AMNOG ist der pharmazeutische Unternehmer mit Markteinführung eines Arzneimittels verpflichtet, ein Dossier zur frühen Nutzenbewertung beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) einzureichen. Bestandteil dieses Dossiers ist auch eine Ableitung der zu erwartenden behandelten Patientenzahl. Dies ist insbesondere bei seltenen Erkrankungen eine besondere Herausforderung, wie am Beispiel der familiären Amyloidpolyneuropathie vom Transthyretin-Typ (TTR-FAP) dargestellt werden soll.

Methoden: Für eine umfassende Informationsbeschaffung wurden zahlreiche Quellen herangezogen. Neben einer systematischen, bibliographischen Literaturrecherche wurden Daten zur Inzidenz gesucht auf Basis einer Internetrecherche in Webauftritten offizieller Organisationen, Verbänden und Gesellschaften, sowie mit Hilfe einer systematischen Recherche von Patientenregistern. Da die derzeitige Therapie der Wahl eine Lebertransplantation darstellt, wurde zudem die Deutsche Stiftung Organtransplantation nach der Häufigkeit von im Zusammenhang mit ATT-FAP durchgeführten Lebertransplantationen angefragt. Die daraus resultierenden Ergebnisse sollten mit Angaben aus Abrechnungsdaten einer überregional tätigen gesetzlichen Krankenkasse abgeglichen werden. Dafür wurden über den Zeitraum von 2006 bis 2008 TTR-FAP-Patienten anhand der ICD-10-GM (E85.1) mit mindestens einer leistungsbezogenen Ausgabe identifiziert und der Anteil dieser Patienten im Versichertenkollektiv bestimmt.

Ergebnisse: Die TTR-FAP ist mit einer europaweiten Prävalenz von ca. 1,1/100.000 eine sogenannte Orphan-Disease. In Europa sind dabei zwei endemische Gebiete bekannt (Portugal, Schweden), in denen die Krankheit aufgrund erhöhter Prävalenz gut erfasst und dokumentiert wird. Für Deutschland, einer nicht-endemischen Region, liegen keine vergleichbaren publizierten Daten vor. Durch Internetrecherchen konnten 5 Behandlungszentren in Deutschland identifiziert werden, die ihre Patienten in verschiedenen Registerdatenbanken dokumentieren. Demnach wurden in einem Zeitraum von 8 Jahren 55 Lebertransplantationen an TTR-FAP-Patienten vorgenommen, was einer Inzidenz von knapp 7 Eingriffen p.a. entspricht. Geht man gemäß Behandlungsleitlinien davon aus, dass alle Patienten nach ihrer Diagnose einer TTR-FAP sofort auf die Warteliste gesetzt werden und sobald ein Organ verfügbar ist auch transplantiert werden, kann die Zahl der jährlich durchgeführten Eingriffe mit der Inzidenz der TTR-FAP gleichgesetzt werden. Laut Aussage der Dt. Stiftung Organtransplantation (DSO) wurden in den Jahren 2007 bis 2010 jährlich im Mittel 6 neue TTR-FAP-Patienten auf die Warteliste für ein Organtransplantat aufgenommen, was die Schätzung der Inzidenz aus den durchgeführten Transplantationen bestätigt. Die entnommene Leber der TTR-FAP-Patienten wird in der Regel als Transplantat für eine Dominotransplantation eingesetzt. Laut Auskunft der DSO wurden im Zeitraum 2002 bis 2010 im Mittel 6,5 (Median 7) Dominotransplantationen durchgeführt, sodass die Schätzung einer Inzidenz von 6–7 Patienten p.a. als valide erscheint.

Gemäß der Abrechnungsdaten der Krankenkasse mit rund 3,2 Millionen Versicherten wurden im Zeitraum 2006 bis 2008 zwischen 19 und 46 Versicherte mit leistungsbezogenen Abrechnungen für TTR-FAP identifiziert (Prävalenz zwischen 0,6 und 1,4/100.000). Es ist aufgrund der Kodierung davon auszugehen, dass hierbei auch andere seltene hereditäre Amyloidneuropathien bzw. solche ohne [manifeste] begleitende Polyneuropathien mitgezählt werden. Auch muss bei Sekundärdaten mit Fehldiagnosen bzw. Fehlkodierungen gerechnet werden, sodass diese Analyse nicht zur Validierung der anderen Quellen herangezogen werden kann.

Fazit: Für seltene Erkrankungen liegen häufig keine oder nur sehr unzuverlässige Angaben zur Prävalenz vor. Verschiedene Quellen führen zu stark divergierenden Ergebnissen. Diese Tatsache muss bei der Bewertung der Patientenzahl in den Dossiers zur frühen Nutzenbewertung von neuen Arzneimitteln berücksichtigt werden.