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GMDS 2012: 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

16. - 20.09.2012, Braunschweig

„To tell a better story“ – Ansätze zur Unterstützung eines gemeinsamen Fallverständnisses in der elektronischen Patientenakte

Meeting Abstract

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  • Daniel Flemming - Hochschule Osnabrück, Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen, Osnabrück, Deutschland
  • Ursula Hübner - Hochschule Osnabrück, Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen, Osnabrück, Deutschland
  • Hartmut Remmers - Hochschule Osnabrück, Forschungsgruppe Informatik im Gesundheitswesen, Osnabrück, Deutschland

GMDS 2012. 57. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (GMDS). Braunschweig, 16.-20.09.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. Doc12gmds103

doi: 10.3205/12gmds103, urn:nbn:de:0183-12gmds1039

Published: September 13, 2012

© 2012 Flemming et al.
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Einleitung: Die Kommunikation zwischen Akteuren im Gesundheitswesen dient vor allem der Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses über den Behandlungsfall. Ein solches „grounding“ [1] kann mithilfe verschiedener Kommunikationsformen erfolgen, die in einem Kontinuum synchroner und asynchroner Modi betrachtet werden können. Die Dokumentation in einer elektronische Patientenakte (EPA), die als asynchroner Endpunkt des Kontinuums einer Kommunikation von Angesicht zu Angesicht diametral gegenüber steht, erlaubt durch die Persistenz der Inhalte eine Teilnahme am kommunikativen Geschehen ohne gleichzeitige Anwesenheit. Bestehende Strukturen in Aktensystemen unterstützen jedoch zumeist die Dokumentation unter dem Aspekt des Nachweises am Ende einer Handlung [2]. Ein gemeinsames Fallverständnis kann so nicht automatisch aufgebaut werden [3], so dass zumeist auf synchrone und damit fehleranfällige Kommunikationsformen zurückgegriffen werden muss. Ziel ist es, am Beispiel von Dienstübergaben, einem Szenario mit hohem Bedarf an Kommunikation, ein Modell für ein EPA-System zu entwickeln, welches die Akteure in der Konstruktion eines gemeinsamen Fallverständnisses durch eine am klinischen Fall ausgerichtete Struktur und ihre Inhalte unterstützt.

Methode: Auf der Basis der Ergebnisse einer umfassenden Literaturrecherche [4] wurden zunächst die für ein gemeinsames Fallverständnis in Dienstübergaben relevanten Informationen identifiziert. Gleichzeitig wurde nach Referenzmodellen für klinische Fallbeschreibungen gesucht und die einschlägigen Standardspezifikationen zu EPA-Systemen (z.B. [5], [6], [7], [8], [9]) auf ihre Nutzbarkeit hin analysiert. In einem zweiten Schritt wurden die Resultate in UML 2 modelliert, um die Entwicklung eines Demonstrators zu Evaluationszwecken zu ermöglichen.

Ergebnisse: Aus der Literatur ergibt sich neben der Notwendigkeit einer Aufzeichnung von prospektiven Inhalten (z.B. noch ausstehende Maßnahmen oder Handlungsempfehlungen) [10], [11] auch die Anforderung, subjektive Informationen zum Behandlungsfall, wie z.B. Einschätzungen oder entgegengesetzte Meinung [12] zu dokumentieren. Ein weiterer Aspekt findet sich in der stärkeren Verzahnung der subjektiven und objektiven Einzelinformationen zu einem Gesamtbild, „the story“ [13].

In dem entwickelten Modell konstituiert sich ein klinischer Fall aus einer freitextlichen Beschreibung des Falls, sowie den Klassen „Problem“, „Intervention“ und „Meinung“. Diese setzen sich wiederum aus Detailinformationen zusammen, deren Eigenschaften aus dem HL7 ClinicalStatementPattern [14] übernommen wurden. Innerhalb der genannten Klassen erfolgt eine Spezifikation der Informationsitems durch zusätzliche Attribute. So können die Einzelinformationen der jeweiligen Klassen genauer klassifiziert werden, z.B. „Problem“ als „Ätiologie“ oder „Symptome“, „Intervention“ als „Maßnahme“ oder „Medikation“ und „Meinung“ als „Risiko“, „Empfehlung“ oder „globale Einschätzung“. Des weiteren kann die Information neben einem Status des Problems (z.B. „gelöst“/„ungelöst“) oder der Intervention (z.B. „durchgeführt“/„ausstehend“/„unterbrochen“) auch durch einen Grad an Verlässlichkeit und Relevanz, sowie einen Vertraulichkeitsgrad bzw. eine Beschränkung auf bestimmte Sichtengruppen attribuiert werden.

Diskussion: Bisherige EPA- Modelle sind insbesondere auf die Dokumentation des Faktischen ausgerichtet und definieren Kommunikation als Informationsaustausch zwischen technischen Systemen. Das openEHR- Projekt führt vor dem Hintergrund des Problem-Lösungs-Prozesses die Klasse der Meinung ein [9] und gibt damit dem Subjektiven den notwendigen Raum. Dieser Weg wurde weiter spezifiziert und um Informationen ergänzt, die in der Übergabeliteratur dringend eingefordert wurden. Dies führt einerseits zu einer am gesamtheitlichen Fall orientierten Ausrichtung und andererseits zu subjektiven Angaben. Das hier dargestellte UML-Modell reicht über den Einsatz in Übergaben hinaus und stellt einen ersten Ansatz zu einer Kommunikationsunterstützung dar, der in einem weiteren Schritt evaluiert werden muss.


Literatur

1.
Clark HH, Schaefer EF. Contributing to discourse. Cognitive Science. 1989;13(2):259-94.
2.
Buckland MK. What is a „document“? J Am Soc Inf Sci. 1997;48(9):804-9.
3.
Weir CR, Hammond KW, Embi PJ, Efthimiadis EN, Thielke SM, Hedeen AN. An exploration of the impact of computerized patient documentation on clinical collaboration. Int J Med Inform. 2011.
4.
Flemming D, Hübner U, Remmers H. Synchrone Kommunikation in Übergaben: Bestehende Lücken und Ansätze für eine IT-Unterstützung. Effiziente und wirtschaftliche Gesundheitsversorgung von heute und morgen – nur mit Medizinischer Dokumentation, Medizinischer Informatik, Medizinischer Biometrie und Epidemiologie. Mannheim; 2010.
5.
ISO – International Organization for Standardization. Electronic Health Record-System Functional Model, Release 1.1 (ISO 10781:2009). 2009.
6.
ISO – International Organization for Standardization. Health informatics – Electronic health record communication – Part 1: Reference model. (ISO 13606-1:2007). 2007.
7.
ISO – International Organization for Standardization. Health informatics — Requirements for an electronic health record architecture (ISO/TS 18308:2004). 2004.
8.
ISO – International Organization for Standardization. Health informatics — Electronic health record — Definition, scope, and context (ISO/TR 20514:2005). 2005.
9.
openEHR Foundation. openEHR Architecture – Architecture Overview (Release 1.0.2:2008). 2008. Available from: http://www.openehr.org/releases/1.0.1/architecture/overview.pdf [cited 25.01.2012] External link
10.
Borowitz SM, Waggoner-Fountain LA, Bass EJ, Sledd RM. Adequacy of information transferred at resident sign-out (in-hospital handover of care): a prospective survey. Qual Saf Health Care. 2008;17(1):6-10.
11.
Dowding D. Examining the effects that manipulating information given in the change of shift report has on nurses’ care planning ability. J Adv Nurs. 2001;33(6):836-46.
12.
Hinami K, Farnan JM, Meltzer DO, Arora VM. Understanding communication during hospitalist service changes: a mixed methods study. J Hosp Med. 2009;4(9):535-40.
13.
Sharit J, McCane L, Thevenin DM, Barach P. Examining links between sign-out reporting during shift changeovers and patient management risks. Risk Anal. 2008;28(4):969-81.
14.
HL7 international. HL7 Version 3 Standard: Clinical Statement, Release 1. 2012.