gms | German Medical Science

MAINZ//2011: 56. GMDS-Jahrestagung und 6. DGEpi-Jahrestagung

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V.
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie e. V.

26. - 29.09.2011 in Mainz

Lock-In-Effekte im Innovationssystem für Krankenhaus-IT: Auswirkungen und Strategien

Meeting Abstract

Search Medline for

  • Paul Drews - Universität Hamburg, Hamburg

Mainz//2011. 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 6. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi). Mainz, 26.-29.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11gmds518

doi: 10.3205/11gmds518, urn:nbn:de:0183-11gmds5181

Published: September 20, 2011

© 2011 Drews.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Outline

Text

Die Krankenhäuser im deutschen Gesundheitswesen haben in den vergangenen Jahrzehnten den Einsatz von Informationstechnik (IT) stark ausgeweitet. Sie verlassen sich dabei häufig auf Standardsoftwaresysteme (in der Praxis auch als „Krankenhausinformationssystem“ bezeichnet [1]), die zu einem wesentlichen Zentrum ihrer Informationsverarbeitung werden.

Die Diskussion über die Varianten „Monolith“ und „best-of-breed“ hat in der Medizininformatik eine lange Tradition [2], [3]. Die durch die erste Variante entstehende Abhängigkeit der Anwenderorganisation von einem IT-Hersteller ist ein wesentlicher Grund gewesen, die Entwicklung von herstellerunabhängigen Kommunikationsstandards voranzutreiben.

Unter der Annahme, dass der Einsatz von umfangreichen Standardsoftwarepaketen zu Lock-In-Effekten [4] führt, kann die Frage formuliert werden, welche Auswirkungen sich daraus für das IT-Innovationssystem ergeben und welche Strategien und Handlungsoptionen für die beteiligten Akteure bestehen.

Um diese Frage zu beantworten, ist eine qualitativ-empirische Untersuchung des IT-Innovationssystems durchzuführen [5], die insbesondere betrachtet, welche Auswirkungen sich aus der Lock-In-Situation ergeben und welche strategischen Handlungsoptionen für die Akteure bestehen. Dabei sind auch Wechselwirkungen mit nebenläufigen Entwicklungen in den Krankenhäusern und bei den IT-Herstellern zu beachten.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen einerseits, dass die Entwicklung und Einführung von IT-Innovationen durch Lock-In-Effekte gehemmt werden, die insbesondere durch die Nutzung großer Anwendungssysteme erzeugt werden. Andererseits wird aber auch deutlich, dass sowohl die Krankenhäuser als auch die IT-Hersteller Strategien entwickelt haben, um diese Situation aktiv zu gestalten. Exemplarisch können hier die Organisation in Anwendervereinigungen auf Krankenhausseite oder die Optimierung von Migrationsstrategien bei den IT-Herstellern angeführt werden. Zusätzlich kann aufgezeigt werden, dass generelle Entwicklungen wie die Entstehung von Krankenhauskonzernen, die Verfügbarkeit und Nutzung von Standards sowie die Konsolidierung im Markt der IT-Hersteller einen wesentlichen Einfluss auf die Lock-In-Effekte ausüben.

Da kaum ein Krankenhaus auf den Einsatz umfangreicher Standardsoftwarepakete verzichtet und da der Lock-In-Effekt wesentlicher Bestandteil der Geschäftsstrategie der IT-Hersteller ist, ist zu diskutieren, wie eine aus Sicht der Beteiligten gelungene Ausgestaltung dieser Situation gelingen kann. Der Vergleich mit der Auseinandersetzung um die Wartungsgebühren bei SAP [6] zeigt, dass hier großes Fingerspitzengefühl und eine Machtbalance erforderlich sind. Erst in solchen Konflikten treten ansonsten verborgene Machtstrukturen zu Tage. Aus den betrachteten Beispielen können Empfehlungen für die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Krankenhäusern und IT-Herstellern abgeleitet werden. Die Überprüfung der Wirksamkeit dieser Strategien sollte Gegenstand zukünftiger Arbeiten sein.


Literatur

1.
Winter A, Ammenwerth E, Brigl B, Haux R. Krankenhausinformationssysteme. In: Lehmann TM, ed. Handbuch der medizinischen Informatik. 2005.
2.
Haas P. Medizinische Informationssysteme und Elektronische Krankenakten. Berlin/Heidelberg: Springer Verlag; 2005.
3.
Prokosch, HU. KAS, KIS, EKA, EPA, EGA, E-Health - ein Plädoyer gegen die babylonische Begriffsverwirrung in der Medizinischen Informatik. Informatik, Biometrie und Epidemiologie in Medizin und Biologie. 2001;32 (4):371-382.
4.
Shapiro Carl, Varian Hal. Information Rules: A Strategic Guide to the Network Economy. Boston: Harvard Business School Press; 1998.
5.
Drews P. Innovationsmuster im Innovationssystem für Krankenhaus-IT. GMDS 2009 Proceedings, German Medical Science. http://www.egms.de/en/meetings/gmds2009/09gmds268.shtml, zuletzt abgerufen am 15.04.2011 External link
6.
Galdy, Alexander. Widerstand gegen höhere Wartungskosten –– SAP-Anwender drohen Software-Riesen. 2008. http://www.cio.de/knowledgecenter/erp/858578/, zuletzt abgerufen am 15.04.2011 External link