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MAINZ//2011: 56. GMDS-Jahrestagung und 6. DGEpi-Jahrestagung

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V.
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie e. V.

26. - 29.09.2011 in Mainz

Der Einfluss regionaler Faktoren auf die Mortalität am Beispiel von Aussiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion. Eine Untersuchung der AMOR-Kohortenstudie

Meeting Abstract

  • Katharina Reiss - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Bielefeld
  • Ursula Berger - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Bielefeld
  • Sven Voigtländer - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Bielefeld
  • Volker Winkler - Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Institut für Public Health, Heidelberg
  • Heiko Becher - Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Institut für Public Health, Heidelberg
  • Oliver Razum - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Bielefeld

Mainz//2011. 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 6. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi). Mainz, 26.-29.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11gmds263

doi: 10.3205/11gmds263, urn:nbn:de:0183-11gmds2631

Published: September 20, 2011

© 2011 Reiss et al.
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Hintergrund: Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Erklärung regionaler Mortalitätsunterschiede nicht nur auf die Konzentration individueller Merkmale (z.B. sozialer Status) zurückzuführen ist, sondern dass darüber hinaus regionale Merkmale einen eigenständigen Effekt auf die Gesundheit haben können. Eine solche Fragestellung wurde für die Gruppe der Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion, die sich in Nordrhein-Westfalen (NRW) niedergelassen haben, untersucht. Sie wurden nach Ankunft in einem Aufnahmelager per Wohnortzuweisungsgesetz quasi zufällig auf Kreise und kreisfreie Städte in NRW verteilt. Wir untersuchen zunächst die Mortalität der Aussiedler im Vergleich zur NRW-Bevölkerung und danach, ob sich die Mortalität der Aussiedler in Abhängigkeit des regionalen sozialen Status der ihnen zugewiesenen Kreise und kreisfreien Städte unterscheidet.

Methoden: Die Datenbasis bildet die AMOR-Studie, eine repräsentative retrospektive Kohortenstudie zur Mortalität von Aussiedlern aus der ehemaligen Sowjetunion (n=34.393). Diese wurden anhand ihres (Wohn-)Ortes sechs regionalen Clustern zugeordnet, die Kreise und kreisfreie Städte mit einer ähnlichen soziodemographischen Struktur zusammenfassen (‚Dienstleistungscluster’, ‚Armutscluster’, ‚Cluster der heterogenen Städte’, ‚Familiencluster’, ‚Cluster der prosperierenden Regionen’, ‚Cluster der heterogenen Kreise’). Zum Vergleich mit der NRW-Allgemeinbevölkerung wurden Routinedaten (Bevölkerung und Sterbefälle), ebenfalls auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte, herangezogen. Betrachtet wurden zum einen bei beiden Bevölkerungen nach Geschlecht und Alter (15-39, 40-64, 65+) getrennte Mortalitätsraten und zum anderen bei Aussiedlern altersstandardisierte Mortalitätsverhältnisse (SMR) für die Jahre 1990-2005. Zum Ende des 2. Follow-up (31.12.2005) wurden 2.580 Todesfälle verzeichnet.

Ergebnisse: Eine Betrachtung der einzelnen Altersgruppen zeigt, dass Aussiedler ab 40 Jahren in allen Clustern deutlich niedrigere Mortalitätsraten, während junge Aussiedler bis 40 Jahren höhere Mortalitätsraten im Vergleich zur NRW-Allgemeinbevölkerung aufweisen. Der clusterspezifische Mortalitätsvergleich zeigt, dass bei den Aussiedlern die höchste SMR im ‚Armutscluster’ zu finden ist (beispielhaft für männliche Aussiedler: SMR=1,11; 95%KI=0,95-1,29). Hingegen findet sich die niedrigste SMR für Aussiedler im ‚Cluster der heterogenen Kreise’ (beispielhaft für männliche Aussiedler: SMR=0,67; 95%KI=0,56-0,81). Die Gesamt-SMR liegt bei den männlichen Aussiedlern bei 0,91 (95%KI=0,87-0,97).

Diskussion: Aussiedler weisen schon nach kurzem Aufenthalt in NRW regionale Mortalitätsunterschiede auf. Das legt nahe, dass bei den Aussiedlern die Ursache dafür weniger an der regionalen Kumulation individueller Problemlagen liegt, sondern dass regionale Faktoren der Cluster zu den Unterschieden beigetragen haben. Die höhere Mortalität der jüngeren Aussiedler könnte auf ein ungünstigeres Risikoprofil im Vergleich zu der jüngeren NRW-Bevölkerung zurückgehen. Die insgesamt niedrigere Mortalität könnte in einem besseren Risikoprofil durch die konservativ geprägten Normen- und Wertevorstellungen begründet sein.