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MAINZ//2011: 56. GMDS-Jahrestagung und 6. DGEpi-Jahrestagung

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V.
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie e. V.

26. - 29.09.2011 in Mainz

Nutzung von Gebärdensprachvideos zur barrierefreien Befragung von Gehörlosen – Methodik einer bundesweiten Querschnittsstudie

Meeting Abstract

  • Johannes Till Höcker - Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg Universität Mainz, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Mainz
  • Ulrike Zier - Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg Universität Mainz, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Mainz
  • Stephan Letzel - Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg Universität Mainz, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Mainz
  • Eva Münster - Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg Universität Mainz, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Mainz

Mainz//2011. 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 6. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi). Mainz, 26.-29.09.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11gmds130

doi: 10.3205/11gmds130, urn:nbn:de:0183-11gmds1303

Published: September 20, 2011

© 2011 Höcker et al.
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Text

Einleitung/Hintergrund: Gehörlose sind mit üblichen epidemiologischen Erhebungsverfahren schwer zu erreichen. Das Erlernen einer Schriftsprache ist für eine Person, die von Geburt an gehörlos ist und mit Gebärdensprache aufwächst, eher dem Erlernen einer Fremdsprache gleichzusetzen. Die Gebärdensprache lässt sich in rein schriftliche Befragungsstudien nicht wiedergeben, sodass für Gehörlose eine Teilnahme an schriftlichen Befragungsstudien mit Barrieren verbunden ist. Das gleiche gilt für telefonische Befragungen und Face-to-Face-Interviews ohne Dolmetscher. Um die sozialepidemiologische Forschung mit Gehörlosen zu ermöglichen, wurde ein spezielles barrierefreies Online-Erhebungsverfahren entwickelt, in das Gebärdensprachvideos eingebunden wurden.

Material und Methoden: Um notwenige Besonderheiten eines Erhebungsinstruments für Gehörlose zu identifizieren wurden zunächst qualitative Interviews mit Experten für Gehörlosigkeit geführt. Basierend auf den Ergebnissen dieser Befragung wurde eine Online-Befragung entwickelt, die ohne Kenntnis der Schriftsprache bedienbar ist. Auf jeder Umfrageseite wurden Anleitungen und Fragen per Gebärdensprachvideo in deutscher Gebärdensprache vermittelt und darunter in leichter Schriftform dargestellt. Die Antwortmöglichkeiten wurden durch Bilder von Gebärden und Schrift in vier unterschiedlichen intuitiven Designs angeboten. Aus Verständnisgründen wurden Skalen auf drei Antwortmöglichkeiten begrenzt und Listen-Antworten im Video erklärt und per Gebärdenalphabet nummeriert. Für Zahleneingaben wurden Textfelder angelegt und mit einer elektronischen Plausibilitätsprüfung versehen.

Die Umfrage war im Februar und März 2009 für Teilnehmer in der Bundesrepublik Deutschland freigeschaltet und mittels Gebärdensprachvideo auf Gehörlosen-Homepages und -Portalen beworben. Erhoben wurden soziodemografischen Daten sowie Angaben zu Erfahrungen im Arzt-Patienten-Kontakt oder mit Dolmetschern [1].

Ergebnisse: Insgesamt verzeichnete die Homepage 5298 Besuche. Es wurden 2362 Fragebögen gestartet und 1369 Fragebögen zu Ende ausgefüllt. 486 Fälle wurden von der Analyse ausgeschlossen, da die Befragten nicht gehörlos waren, keine Angaben zum Hörstatus machten oder nicht volljährig waren. Aufgrund des Fehlens von wesentlichen Angaben wurden weitere 42 Fälle nicht analysiert. Das Studiendesign bewerteten 79,8% (671, n=841) der Befragten als gut. 53,4% (448) gaben an, bei rein schriftlichen Befragungen sicher teilzunehmen.

Diskussion/Schlussfolgerung: Geht man von 80.000 Gehörlosen in Deutschland aus [2], konnten 1% aller Gehörlosen erreicht werden. Die Bewertung der Studie und des Studiendesigns durch die Teilnehmer ergab ein positives Bild für die Methodik. Neben der Erhebung von einmaligen quantitativen Daten konnte die neue Untersuchungstechnik der Online-Befragung mit Gebärdensprachvideos erstmalig eingesetzt werden und wurde von der gehörlosen Zielgruppe gut angenommen. Die weitere Verwendung einer solchen Erhebungstechnik ermöglicht es in den Dialog mit Betroffenen zu treten und weitere Erkenntnisse zu gewinnen.


Literatur

1.
Höcker JT. Sozialmedizinische Aspekte der medizinischen Versorgung gehörloser Menschen in Deutschland: Entwicklung und Durchführung einer internetbasierten Umfrage mit Gebärdensprachvideos. Mainz: Johannes Gutenberg-Universität Mainz; 2010.
2.
Deutscher Gehörlosen-Bund eV. FAQ 2011. http://www.gehoerlosen-bund.de/dgb/index.php?option=com_content&view=article&id=51&Itemid=101%E2%8C%A9=de External link