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53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

15. bis 18.09.2008, Stuttgart

Wissensrepräsentation durch mehrdimensionale Vernetzung von Information. InWiM: Ein Beispiel aus der Versicherungsmedizin

Meeting Abstract

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  • Juerg P. Bleuer - Healthevidence GmbH, Bern, Deutschland
  • Kurt Bösch - Suva, Luzern, Deutschland
  • Christian A. Ludwig - Suva, Luzern, Schweiz

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds). Stuttgart, 15.-19.09.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. DocMDOK1-3

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/gmds2008/08gmds092.shtml

Published: September 10, 2008

© 2008 Bleuer et al.
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Einleitung und Fragestellung

Medizin ist eine Handlungswissenschaft. Die gleichzeitige Existenz unterschiedlicher Lehrmeinungen hat deshalb praktische Auswirkungen: Zum diagnostischen Vorgehen und zur Therapie gibt es unterschiedliche Empfehlungen; dies verunsichert Patienten und Ärzte gleichermassen.

Einer der Gründe für die Koexistenz divergierender Lehrmeinungen ist der unterschiedliche Zugang zu relevanter Information und damit eine uneinheitliche Wissensbasis. Mit dem Projekt InWiM geht der versicherungsmedizinische Dienst der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) dieses Problem an: InWiM definiert und dokumentiert alle Prozesse des Wissensmanagements. Gleichzeitig wurde die InWiM-Wissensmanagement-Applikation entwickelt, welche in der vorliegenden Publikation vorgestellt wird. Das Akronym „InWiM“ steht für „Integrierte Wissensbasen der Medizin“.

Modell

Die Verwendung der Begriffe „Daten“, „Information“ und „Wissen“ folgt Rehäuser und Krcmar [1]. Sie werden wie folgt verwendet: „Daten sind symbolische Abbildungen von Sachverhalten, Informationen sind kontextualisierte Daten, Wissen entsteht durch Denken, d.h. durch die logisch-funktionale Verknüpfung von Informationen. Schreyögg und Geiger bezeichnen dies als “informationstheoretisch inspiriertes Wissensverständnis“ [2].

Definieren wir „Wissen“ als Ergebnis von Denken im Sinne einer logisch-funktionalen Verknüpfung von Informationen, ist „Wissen“ immer subjektiv. Es entsteht nicht nur durch die Verknüpfung von aktuellen Informationen sondern auch durch die Verknüpfung mit Informationen, die früher in anderem Zusammenhang aufgenommen wurden. Information, die in der Vergangenheit aufgenommen wurde und das darauf aufgebaute Wissen kann man auch als „Erfahrung“ bezeichnen. Der Erfahrungshintergrund jedes Menschen ist anders. Er ist nicht nur Teil neuer Verknüpfungen sondern bestimmt auch mit, auf welche Weise neue Verknüpfungen entstehen. Wissen als Zusammenhang zwischen Informationseinheiten besteht somit nicht „an sich“ sondern unter einem bestimmen Gesichtspunkt [1], [3], [4]. Auch können unter verschiedenen Gesichtspunkten verschiedene Zusammenhänge bestehen. Ein Modell, welches die Repräsentation persönlichen Wissens erlaubt, muss somit in der Lage sein, Informationseinheiten in mehreren Dimensionen untereinander zu verknüpfen. Jede Verknüpfungsdimension entspricht dabei einem spezifischen Gesichtspunkt und erfolgt somit in einem spezifischen Kontext.

Wenn wir davon ausgehen, dass jeder Mitarbeiter einer Institution über seine eigenen Informationen verfügt und sein eigenes Wissen aus einer mehrdimensionalen Verknüpfung eben dieser Informationen besteht, ist „Corporate Knowledge“ nichts anderes als die Menge all der durch die Mitarbeiter erstellten eigenen Verknüpfungen. Corporate Knowledge Management bedeutet somit, all die vorhandenen Informationen einschliesslich ihrer Verknüpfungen abzubilden und für alle zugänglich zu machen.

Implementation

Die Applikation stellt alle Funktionalitäten zur Verfügung, die für das Sammeln, Generieren, Verwalten und Verteilen von Informationen und Wissen benötigt werden. Informationseinheiten werden als Dokumente gespeichert. Jeder Benutzer kann eine beliebige Anzahl von Crosslinks erstellen und damit beliebig viele Dimensionen von Verknüpfungen zwischen Dokumenten abbilden. Im Gegensatz zu Hyperlinks sind Crosslinks bidirektional: Das Ziel kennt die Quelle des Links und damit alle Dokumente, die mit dem gleichen Crosslink verbunden sind. Sowohl Dokumente als auch Crosslinks können mit Annotationen versehen werden. Abbildung 1 [Abb. 1] stellt die mehrdimensionale Verknüpfung von Informationseinheiten und die dazugehörigen Annotationen grafisch dar.

Für das Retrieval wurde die Suche nach MeSH (Medical Subject Headings) implementiert. Nach Wissen der Autoren ist InWiM weltweit die einzige Anwendung ausserhalb der United States National Library of Medicine (NLM) mit einer MeSH-Implementation, die alle Funktionalitäten für das Inhouse-Retrieval bereitstellt. Über das gleiche GUI (Graphical User Interface), welches für die Inhouse-Suche verwendet wird, ist auch der Zugriff auf Pubmed sowie der Download von Literaturzitaten möglich. Für die Suche nach der adäquaten Suchformulierung mit den richtigen MeSH-Terms steht ein selbst entwickelter Wizard zur Verfügung. Dieser dient auch der Indexierung selbst erstellter Dokumente.

Die InWiM-Wissensmanagement-Applikation ist als Intranet-Lösung konzipiert. Sie wurde auf der Basis des BEA-Portals (WLP) und des Enterprise-Content-Management-Systems (ECMS) FileNet P8 entwickelt. Zusätzlich wird eine Oracle-Datenbank für die Ablage des MeSH-Indexes verwendet.

Diskussion

Crosslinks und MeSH-Index sind nur dann von Nutzen, wenn sie von den Nutzern verwendet werden. Sowohl die Indexierung mit MeSH-Terms als auch das Anlegen von Crosslinks stellen für den Benutzer einen gewissen zeitlichen Aufwand dar. Allerdings ist dieser klein im Vergleich zur gewonnenen Zeit beim späteren Information retrieval. Inwiefern der zusätzliche Aufwand für das Anlegen von Crosslinks und für die MeSH-Indexierung die Akzeptanz der InWiM-Applikation erschwert, wird die gegenwärtig laufende Pilotphase zeigen. Erste Ergebnisse werden Ende August 2008 vorliegen.

Danksagung

Die Autoren danken allen Mitgliedern der Projektgruppe für ihre Mitarbeit und ihren wertvollen Beitrag zum Gelingen des Projektes: Klaus Bathke, Erich Bär, Viktor Bydzovsky, Fiorenzo Caranzano, Massimo Ermanni, Bruno Ettlin, Pius Feierabend, Roland Frey, Franziska Gebel, Carlo Gianella, Raphael Good, Ulrike Hoffmann-Richter, Roland Jäger, Sönke Johannes, Bertrand Kiener, Hans Kunz, Vincent Lampérière, Jürg Ludwig, Wolfgang Meier, Bettina Rosenthal, Jan Saner, Rita Schaumann - von Stosch, Felix Schlauri, Holger Schmidt, Fred Speck, Klaus Stutz, Felix Tschui, Walter Vogt.


Literatur

1.
Rehäuser J, Krcmar H, Schreyögg G. Wissensmanagement in Unternehmen. Walter de Gruyter 1996.
2.
Schreyögg G, Geiger D. Wenn alles Wissen ist, ist Wissen am Ende Nichts ?! Vorschläge zur Neuorientierung des Wissensmanagements. In: Zeuch A (Ed.). Management von Nichtwissen im Unternehmen. Carl-Auer 2007. 69 – 89.
3.
Steinmüller W. Informationstechnologie und Gesellschaft: Einführung in die Angewandte Informatik. Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt 1993.
4.
Krogh G von, Koehne M. Der Wissenstransfer in Unternehmen: Phasen des Wissenstransfers und wichtige Einflussfaktoren. Die Unternehmung 1998;5:235-52.