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Fallgruben in der hausärztlichen Forschung – eine telefonische Nacherhebung
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Published: | September 10, 2008 |
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Einleitung und Fragestellung
Im Folgenden werden potentielle Fallgruben in der hausärztlichen Forschung anhand und aufgrund unerwarteter Studienergebnisse vorgestellt. Dazu sollen zunächst die Gegebenheiten der betreffenden Diagnosestudie kurz erläutert werden: In einer ersten Erhebungsperiode wurden ca. 2400 konsekutive Patienten in 43 hausärztlichen Praxen gebeten, einen Gesundheitsfragebogen auszufüllen. In diesem war ein Goldstandard-Fragebogen zur Erkennung einer häufigen chronischen Gesundheitsstörung eingearbeitet. Parallel dazu sollten die Hausärzte feststellen (diagnostizieren), ob bei dem jeweiligen Patienten diese spezifische Gesundheitsstörung vorlag oder nicht. Insgesamt diagnostizierten die Hausärzte in diesem ersten Durchgang 385 Fälle. Danach wurden die 43 Praxen gleichmäßig in zwei Gruppen randomisiert. Eine Gruppe von Praxen (n=21) erhielt eine Schulung zur Erkennung der Gesundheitsstörung, die andere nicht (n=22). Die Untersuchung sollte zeigen, dass Hausärzte durch Schulung diese Gesundheitsstörung häufiger diagnostizieren und bessere Erkennungsraten erzielen. Um dies zu zeigen, wurden in der zweiten Erhebungsperiode nach einem Jahr erneut in jeder Gruppe ca. 1000 konsekutive Patienten nach obigem Vorgehen befragt und diagnostiziert. In beiden Gruppen kam es aber überraschenderweise zu einem Rückgang diagnostizierter Fälle (n=187) um mehr als 50% (n=90 in der Schulungsgruppe, n=97 in der Gruppe ohne Schulung). Welche Gründe führten zu diesem drastischen Rückgang der diagnostizierten Fälle?
Material und Methoden
Um Suggestionseffekte zu vermeiden, wurde den beteiligten Hausärzten in einem standardisierten Telefoninterview die folgende offene Frage gestellt: Wie erklären Sie sich den Rückgang diagnostizierter Fälle zum zweiten Zeitpunkt der Erhebung?
Die Antworten der Hausärzte wurden schriftlich notiert und durch zwei Beurteiler unabhängig in Kategorien eingeteilt. Die Kategorien wurden nach den zum Teil aus der Literatur bekannten Gründen für Schwierigkeiten bei hausärztlicher Forschung gebildet [Ref. 1], [Ref. 2]. Diese sind: 1. Akzeptanz (Befürchtung der Ärzte, Patienten zu sehr mit ihren Problemen durch das spezifische Screening zu konfrontieren und sie damit zu vergraulen), 2. Thema des Screenings (Schwierigkeit, Patienten für das spezifische Screening zu gewinnen), 3. Nutzen (Mangelnder fachlicher Nutzen durch das Projekt), 4. Motivation (Motivationsminderung zum Ende der Studie), 5. Unterstützung (Mangelnde Unterstützung durch die Studienleitung), 6. Dokumentationsaufwand (Übermäßige Belastung der Ärzte durch die Dokumentation und Betreuung der Studienpatienten), 7. Gesundheitspolitische Rahmenbedingungen (Negativer Einfluss auf das Projekt durch gesundheitspolitische Rahmenbedingungen). Antworten, die nicht obige Gründe betrafen, wurden nach 8. „sonstige Gründe“ kategorisiert.
Ergebnisse
Die häufigsten Gründe in beiden Gruppen waren: „Zu aufwendige Dokumentation“ (19% der Ärzte), „Motivationsminderung zum Studienende“ (24%) und „das Thema der Studie“ (36%). Vom Großteil der Hausärzte (53%) waren Angelegenheiten des Rekrutierungsablaufs als Hauptgrund erwähnt worden (Tabelle 1 [Tab. 1]): Aufgrund der Gegebenheit in der Hausarztpraxis mit sich wenig veränderndem Patientenstamm innerhalb eines Jahres sind zum zweiten Screening-Zeitpunkt keine neuen Patienten mehr hinzugekommen. Hinzu kam, dass bei den teilnehmenden Praxen Unklarheit herrschte, ob Patienten des ersten Screening-Zeitpunkts auch im zweiten diagnostiziert werden durften.
Diskussion
Die hier eruierten Gründe sind zum Teil deckungsgleich mit den aus der Literatur bekannten Gründen für Probleme bei der Durchführung von Studien im hausärztlichen Sektor [Ref. 1], [Ref. 2]. Hinzu kommt, dass die zahlenmäßig in beiden Gruppen überwiegenden Antworten unter „sonstige Gründe“ auffällig homogen sind (Tabelle 1 [Tab. 1]). Für den Rekrutierungsablauf bei Studien mit wiederholten Durchgängen und chronischen Erkrankungen muss insbesondere der relativ stabile Patientenstamm im hausärztlichen Sektor bedacht werden. Bei Studien mit wiederholten Durchgängen kann demnach (je nach Fragestellung) ausgewichen werden auf ein anderes, aber vergleichbares Patientengut (z.B. auf Patienten anderer Praxen).