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53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (GMDS)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

15. bis 18.09.2008, Stuttgart

Vergleichende Untersuchung der Risikofaktoren für Dekubitalulzera bei Minderjährigen und Erwachsenen am Beispiel eines Akutkrankenhauses der Maximalversorgung

Meeting Abstract

  • Michael Nonnemacher - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE), Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen, Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland
  • Nils Lehmann - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE), Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen, Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland
  • Birgit Lottko - Pflegedirektion, Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland
  • Irene Maier - Pflegedirektion, Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland
  • Wolfgang Niebel - Klinik für Allgemein- und Transplantationschirurgie, Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland
  • Jürgen Stausberg - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE), Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen, Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. 53. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds). Stuttgart, 15.-19.09.2008. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2008. DocEPI2-1

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/gmds2008/08gmds006.shtml

Published: September 10, 2008

© 2008 Nonnemacher et al.
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Einleitung und Fragestellung

Die standardisierte Erfassung von Risikofaktoren zur Einschätzung der Dekubitusgefährdung gehört heutzutage zum Pflegestandard und ist Bestandteil von Leitlinien und Empfehlungen zur Dekubitusprophylaxe [1], [2]. Aus der Literatur sind eine große Zahl von Risikofaktoren bekannt, die je nach betrachteter Population in unterschiedlicher Kombination als Prädiktoren für das Auftreten von Dekubitalulzera erscheinen. Vor diesem Hintergrund stellt sich für ein Akutkrankenhaus mit seinem heterogenen Patientengut die Frage, ob es angemessen ist, für alle Patienten einheitlich die gleichen Risikofaktoren zu erfassen. Hier soll diese Frage nun für die Gruppen der minderjährigen und erwachsenen Patienten untersucht werden.

Material und Methoden

Die Untersuchung basiert auf Daten aus dem interdisziplinären Dekubitusprojekt am Universitätsklinikum Essen [3]. Es werden Behandlungsfälle betrachtet, die ab dem 01.04.2003 stationär aufgenommen und bis einschließlich 31.03.2004 entlassen worden sind. Bei der Aufnahme eines Patienten wurden das Vorhandensein eines Dekubitus und das Vorliegen von Risikofaktoren routinemäßig durch die Pflegekräfte im Krankenhausinformationssystem elektronisch dokumentiert. In die Auswertung wurden alle Fälle eingeschlossen, bei denen diese Informationen sowie die Angaben zu Alter und Geschlecht vorlagen.

Die Risikofaktoren umfassen neben einer 5-stufigen Mobilitätsskala 27 weitere Parameter, die gleichermaßen für Erwachsene wie Minderjährige zu erfassen waren. Zusätzlich wurden 3 bzw. 4 weitere Parameter nur bei Erwachsenen bzw. Minderjährigen erfasst.

Für die Analyse nominaler Daten wurde der Chi-Quadrat-Test verwendet, für die univariate Analyse stetiger Daten kam der t-Test für unverbundene Stichproben zum Einsatz. Als multivariates statistisches Verfahren zur Bestimmung der für das Auftreten eines Dekubitus relevanten Risikofaktoren wurde die logistische Regression eingesetzt. Statistische Signifikanz wurde bei einem p-Wert < 0,05 angenommen.

Ergebnisse

Die Auswertung umfasst 34.238 Behandlungsfälle aus dem Zeitraum 01.04.2003 bis 31.03.2004. Diese setzen sich zusammen aus 29.303 (85,6%) erwachsenen und 4.935 (14,4%) minderjährigen Patienten. Bei allen Patienten wurden in insgesamt 625 Fällen (1,8% von 34.238) Dekubitalulzera bei Aufnahme oder im Verlauf des Aufenthaltes dokumentiert. Diese teilen sich auf in 559 Fälle bei erwachsenen Patienten (1,9% von 29.303) und 66 Fälle bei minderjährigen Patienten (1,3% von 4935).

Unter den Erwachsenen sind die Patienten mit Dekubitus älter als die Patienten ohne Dekubitus (63,9 ± 15,8 vs. 54,7 ± 17,0 Jahre, p-Wert < 0,0001), bei Minderjährigen findet sich nur ein geringer Unterschied (7,1 ± 6,2 vs. 6,5 ± 5,7 Jahre, p-Wert = 0,44). Die erwachsenen Patienten mit Dekubitus weisen mehr Risikofaktoren auf als die minderjährigen Patienten mit Dekubitus (9,9 ± 5,3 vs. 8,0 ± 4,9 Faktoren, p-Wert = 0,0038). Bei den Patienten ohne Dekubitus ist das Verhältnis zwischen den beiden Gruppen umgekehrt (3,0 ± 2,7 vs. 3,4 ± 2,8 Faktoren, p-Wert < 0,0001).

Die zwölf häufigsten Risikofaktoren in der Gruppe der erwachsenen Patienten mit Dekubitus sind:

  • Eingeschränkte Mobilität/Aktivität (67,4%)
  • Auftreten von Schmerzen (65,3%)
  • Allgemeine Probleme mit der Haut (59,2%)
  • Probleme der Haut an den Dekubitus-gefährdeten Stellen (57,6%)
  • Druckgefährdung allgemein (51,5%)
  • Reibung/Scherkräfte (49,6%)
  • Mangelhafte Flüssigkeitszufuhr (46,2%)
  • Vorliegen einer malignen Tumorerkrankung (43,1%)
  • Früheres Auftreten eines Dekubitus (40,1%)
  • Urininkontinenz (39,0%)
  • Druckgefährdung durch Zu-/Ableitungssysteme (38,5%)
  • Sensibilitätsstörungen des Druckempfindens (36,1%)

In der Gruppe der minderjährigen Patienten mit Dekubitus treten am häufigsten auf:

  • Eingeschränkte Mobilität/Aktivität (75,8%)
  • Urininkontinenz (69,7%)
  • Druckgefährdung allgemein (69,7%)
  • Stuhlinkontinenz (65,2%)
  • Druckgefährdung durch Zu-/Ableitungssysteme (54,5%)
  • Auftreten von Schmerzen (36,4%)
  • Sensibilitätsstörungen des Druckempfindens (36,4%)
  • Sensibilitätsstörungen des Schmerzempfindens (33,3%)
  • Verabreichung stark sedierender Medikamente (31,8%)
  • Sensibilitätsstörungen des Temperaturempfindens (31,8%)
  • Probleme der Haut an den Dekubitus-gefährdeten Stellen (31,8%)
  • Allgemeine Probleme mit der Haut (31,8%)

Weitere Ergebnisse der Analyse werden auf der Tagung vorgestellt.

Diskussion

Die Risikoprofile beider Patientengruppen weisen viele Gemeinsamkeiten auf. Einschränkungen der Mobilität und Hautprobleme spielen in beiden Gruppen eine zentrale Rolle. Die sichtbar gewordenen Unterschiede bei den Risikofaktoren können durch anatomische, physiologische oder psychologische Unterschiede zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen begründet sein. Des weiteren könnte die unterschiedliche Größe der beiden Patientenkollektive eine Rolle gespielt haben (die Gruppe der Erwachsenen ist ungefähr 6-mal so groß und weist eine höhere Rate an Dekubitalulzera auf als die Gruppe der Minderjährigen).

Erst weitere Analysen werden zeigen, ob die Ergänzung altersspezifischer Faktoren sinnvoll ist.

Danksagung

Die Daten wurden von Pflegekräften am Universitätsklinikum Essen im Rahmen des interdisziplinären Dekubitusprojektes erfasst. Am interdisziplinären Dekubitusprojekt sind Pflege, ärztlicher Dienst, Zentrale Informationstechnik und Medizinische Informatik beteiligt. Eine ausführliche Darstellung des Projekts und seiner Teilaspekte findet sich in Heft 4/04 der Zeitschrift für Wundheilung.


Literatur

1.
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften. Dekubitus - Therapie und Prophylaxe. 1999. Verfügbar unter: http://www.awmf-online.de/ll/036-005.htm. External link
2.
Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege – DNQP. Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege, Entwicklung – Konsentierung - Implementierung. 2.Aufl. Fachhochschule Osnabrück, Osnabrück: 2004.
3.
Stausberg J, Kröger K, Maier I, Schneider H, Niebel W, for the interdisciplinary decubitus project. Pressure ulcers in secondary care: incidence, prevalence and relevance. Adv Skin Wound Care. 2005;18:140-5.