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Kongress Medizin und Gesellschaft 2007

17. bis 21.09.2007, Augsburg

Die aktuelle Diskussion um den Impfzwang und ihre historischen Wurzeln – Eine vergleichende Untersuchung

Meeting Abstract

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  • Gereon Schäfer - RWTH Aachen, Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Aachen
  • Dominik Groß - RWTH Aachen, Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Aachen

Kongress Medizin und Gesellschaft 2007. Augsburg, 17.-21.09.2007. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2007. Doc07gmds906

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/gmds2007/07gmds906.shtml

Published: September 6, 2007

© 2007 Schäfer et al.
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Das Impfwesen ist traditionell im Zuständigkeitsbereich des öffentlichen Gesundheitsdienstes verankert und spiegelt in paradigmatischer Weise dessen Ambivalenz aus Kontrolle und Fürsorge wider. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts zählen Schutzimpfungen aus staatlicher Sicht zu den maßgeblichen Fürsorgemaßnahmen. Sie wurden alsbald Zielscheibe der Kritik zahlreicher Anti-Impfbewegungen, die sich in vielen deutschen Einzelstaaten formierten, um mit zum Teil komplexer Argumentation gegen den „Impfzwang“ zu opponieren.

Auch in jüngster Zeit beschäftigen sich Organisationen wie der "Verband der Impfgegner" oder der Verein "Promed" öffentlichkeitswirksam und kontrovers mit dem Thema Impfen. Auf dem Buchmarkt haben Schriften zur Impfthematik Hochkonjunktur („Impfungen – Der Großangriff auf Gehirn und Seele“, „Impfen – Völkermord im Dritten Jahrtausend?“, „Impfen - Das Geschäft mit der Angst“). Schon die Formulierung der Buchtitel zeigt an, dass der aktuelle Diskurs um die Zulässigkeit und Sinnhaftigkeit von Schutzimpfungen an Intensität und Schärfe zugenommen hat, während eine sachliche Impfaufklärung erschwert erscheint.

Anhand von Archivalien (Primärquellen) sowie von Druckschriften, Medienbeiträgen und Internetveröffentlichungen (Sekundärquellen) erfolgt eine Gegenüberstellung der Argumentationslinien von Impfgegnern und -befürwortern zum Zeitpunkt der Einführung der Pockenschutzimpfung an der Wende zum 19. Jahrhundert einerseits und in der gegenwärtigen Debatte andererseits. Dabei stehen folgende Fragen im Mittelpunkt:

  • Welche medizinischen, gesellschaftlichen und kulturellen Argumente wurden bzw. werden in den jeweiligen Diskursen geltend gemacht?
  • Inwieweit unterscheiden sich die Argumente der Impfgegner und der Befürworter in beiden Untersuchungszeiträumen?
  • Welche Rolle spielen im aktuellen Diskurs hierbei jeweils die heute etablierten ethischen Prinzipien der mittleren Reichweite (Patientenautonomie, Fürsorgepflicht, Nichtschadensgebot, Gerechtigkeit)?
  • Inwieweit richtet sich die Kritik direkt gegen die Vertreter des öffentlichen Gesundheitsdienstes?

Erste Untersuchungen lassen vermuten, dass die Bedeutung der Patientenautonomie in der aktuellen Diskussion eine größere Rolle einnimmt, als in der historischen Debatte, die eher von medizinischen Gründen geprägt war.

Abschließend soll diskutiert werden, welche Schlussfolgerungen sich für die Rolle des öffentlichen Gesundheitsdienstes im Hinblick auf das Impfwesen und die Ausgestaltung von entsprechenden Präventionskonzepten ableiten lassen.