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51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e. V. (gmds)

10. - 14.09.2006, Leipzig

Analyse des Krankheitsverlaufes bis zur Diagnosestellung bei Patienten mit Morbus Crohn – Konzept einer deutschlandweiten, Internet-basierten Datenerhebung (die „DMC-Online Befragung“)

Meeting Abstract

  • Jörg Albert - Martin-Luther-Universität Halle, Halle
  • Jens Kotsch - Koordinierungszentrum für Klinische Studien (KKS) Halle, Halle
  • Wolfgang Köstler - Koordinierungszentrum für Klinische Studien (KKS) Halle, Halle
  • Susanne Behl - Martin-Luther-Universität Halle, Halle
  • Heike Hoyer - Koordinierungszentrum für Klinische Studien (KKS) Halle, Halle
  • Wolfgang Fleig - Martin-Luther-Universität Halle, Halle

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie e.V. (gmds). 51. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Leipzig, 10.-14.09.2006. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2006. Doc06gmds046

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/gmds2006/06gmds196.shtml

Published: September 1, 2006

© 2006 Albert et al.
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Hintergrund und Fragestellung

Informationen über den Krankheitsverlauf bei Patienten mit Morbus Crohn von den ersten Beschwerden bis zur Diagnosestellung liegen in Deutschland nicht vor. Eine Latenzzeit der Diagnosestellung scheint allerdings erheblich zu sein und verhindert eine frühzeitige Therapie bzw. beeinträchtigt die Lebensqualität der Patienten [1], [2], [3]. Um die Diagnoselatenz im Zusammenhang mit demographischen und diagnose- bzw. krankheitsassoziierten Variablen zu untersuchen, entwickelten wir eine Internet-basierte Befragung.

Material und Methoden

Über ein Internetportal wird ein Eingabeformular (http:// www.kks-halle.de/dmc) mit angeschlossener Datenbank den betroffenen Patienten angeboten. In Form einer retrospektiven Längsschnitterhebung werden hierbei Daten zu Demographie, Sozialstatus, Diagnosezeitraum, Beschwerdebild, Arztkontakten, Diagnostik, Therapie und Lokalisation (Darmabschnitt) der Erkrankung erfragt. Einschlusskriterium ist die Diagnosestellung ‚Morbus Crohn’ innerhalb von 12 Monaten vor dem Studieneintritt. Die Zielgruppe wird in Zusammenarbeit mit der Deutschen Morbus Crohn/ Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV) e.V. um eine Teilnahme gebeten, dies geschieht als Beilage einer Informationsbroschüre zur sogenannten „Erstbetroffenenpost“ der Patientenorganisation. Die Anmeldung eines Studienteilnehmers erfolgt dann über das Internetportal pseudonymisiert mittels Transaktionsnummer, die zuvor durch die DCCV vergeben werden muss. Nach Einwilligung des Befragten in die Teilnahme werden Ein- und Ausschlusskriterien geprüft. Hierauf erfolgt die Beantwortung der Fragen im Formular. Die Ethikkommission der Martin-Luther-Universität stimmte der Studie zu.

Dieses Konzept wurde in einer Pilotphase auf technischen Umsetzung und allgemeine Praktikabilität geprüft, eine geplante Zwischenauswertung der Befragung liegt nach 104 Patienten inzwischen vor.

Ergebnisse

Die Pilotphase zeigte die fehlerfreie Funktion des Internetportals (Einstellung des Internetportals, Zugangssicherung, Dateneingabe, Datenpflege) sowie eine gute Annahme bei 10 Probanden. In eine Zwischenauswertung zur Überprüfung des Rekrutierungsverhaltens wurden 92 Teilnehmer mit vollständigem Datensatz von insgesamt 104 Patienten eingeschlossen (Alter von 19 bis 61 Jahre, Mittelwert 31,7). 47% der Teilnehmer besitzen die Allgemeine Hochschulreife, ein Berufsabschluss wurde in 15 % nicht erreicht, eine Lehre in 37% abgeschlossen, einen Fachhochschul- oder Hochschulstudium wurde in 21% abgeschlossen. Es zeigt sich eine mediane Latenzzeit vom Auftreten erster Beschwerden bis zur Diagnosestellung von 12,5 Monaten. Insbesondere ein Dünndarmbefall scheint mit einem längeren Verlauf der Erkrankung verknüpft zu sein. Zur statistischen Bewertung dieser und weiterer Zusammenhänge ist aber eine größere Patientenzahl nötig.

Diskussion

Diese Internet-basierte Befragung bietet den Zugang zur Umfrage auf einem universell zugänglichen Weg einer nahezu unbeschränkt großen Interessentengruppe an. Mit der Einforderung einer Transaktionsnummer als Zugangsbeschränkung zum Frageformular des Internetportals soll verhindert werden, dass sich die Patienten nicht mehrfach beteiligen und damit die Auswertung verzerren. Durch die im Ablauf zwischengeschaltete Patientenorganisation ist außerdem gewährleistet, dass die Auswertung komplett anonymisiert erfolgen kann. Eine Transaktionsnummer kann keinesfalls einer Person oder Adresse zugeordnet werden. Diese Vorgehensweise setzt allerdings auch eine zentrale Institution als Partner voraus – in diesem Fall die Patientenorganisation –, die einen so ausgedehnten Interessentenkreis ansprechen kann, wie dies bei dieser Umfrage möglich ist.

Mit dieser Online-Befragung werden erstmals systematische Daten an einer Kohorte zur Latenzzeit bis zur Diagnosestellung bei Morbus Crohn über das Internet erhoben, und diese Untersuchung kann damit u.a. Einfluss auf zukünftige Diagnoseabläufe und –strategien nehmen.


Literatur

1.
Sawczenko A, Sandhu BK. Presenting features of inflammatory bowel disease in Great Britain and Ireland. Arch Dis Child. 2003;88:995–1000.
2.
Bland RM, Evans TJ, Raine P, Weaver LT. Inflammatory bowel disease in Scottish children. Health Bull. (Edinb) 1999; 57: 365-373.
3.
Wagtmans MJ, Verspaget HW, Lamers CB, van Hogezand RA. Clinical aspects of Crohn's disease of the upper gastrointestinal tract: a comparison with distal Crohn's disease. Am J Gastroenterol. 1997; 92: 1467-1471.