gms | German Medical Science

50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Neue Strukturen im Gesundheitswesen - Ende des klassischen KIS?

Meeting Abstract

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  • Thomas Morzinck - Klinikum der Universität zu Köln, Köln

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds575

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/gmds2005/05gmds394.shtml

Published: September 8, 2005

© 2005 Morzinck.
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Einleitung

Die rechnergestützte Informationsverarbeitung in und für Krankenhäuser entwickelte sich bisher weitgehend unter der Voraussetzung, dass ein Krankenhaus eine strukturell eher statische Größe ist. Der historische Verlauf und die in ihm verankerten Paradigmen sind bekannt. Nachdem zunächst die typischen administrativen Prozesse mit zentraler EDV unterstützt wurden, erhielten die klinischen Bereiche abteilungsbezogene, spezialisierte Subsysteme, die mit versatilen Werkzeugen wie modernen Kommunikationsservern zu einem übergreifenden Datenaustausch befähigt werden konnten.

In den zugehörigen mittelfristig angelegten Planungshorizonten wurde insoweit zwar eine informationstechnologische Bedarfslage beschrieben, in der Aspekte wie vor allem der prozeßtechnischen Anreicherung der Krankenversorgung hohe Priorität beigemessen wurde. Trotzdem blieb es bei einer stark verankerten, “sektoralen” Innensicht des Krankenhauses, die namentlich aufgrund der sozialrechtlich und betriebswirtschaftlich begründeten zusätzlichen Dokumentations- und Leistungserfassungserfordernisse in den letzten Jahren zu einer rezentralisierten EDV-Landschaft mit wenigen Hard- und Software-”Plattformen” führte [1]. Namentlich im Marktsegment Klinischer Arbeitsplätze sind Zentralisierungsprozesse mit dem Ziel umfassender Softwarefunktionalitäten zu beobachten.

Da insoweit eigenständige Subsysteme und mit ihnen - bis auf wenige [2] - auch die Schnittstellen in den IT-Strukturen verschwanden, war das zentrale Problem bei der Realisierung einer übergreifenden elektronischen Krankenakte scheinbar gelöst.

Neue organisatorische Strukturen im Krankenhaus

Während also IT-Subsysteme rückläufig sind, führt in Krankenhäusern die strategische Identifikation und operative Erschließung neuer Geschäftsfelder, die mit Sanierungen, Restrukturierungen und Prozeßoptimierungen einhergehen, zu Modellen, die als eine Art bidirektionaler Dezentralisierung qualifizierbar sind.

  • Verstärkte interne Differenzierung:
    z.B. mit Einrichtung von Abteilungsbudget, interner Leistungsverrechnung und Profit-Centern unter Erhalt der klassischen Abteilungsstruktur im Krankenhaus.
  • Echte interne Substrukturierung (outsourcing):
    als Umwandlung von Klinikbereichen in eigenständige Rechtsformen [z.B. als “Medizinische Versorgungszentren” (§ 95 SGB V) [3] oder als sonstige Firmen usw.].
  • Externe Leistungsangebote (insourcing):
    als unabhängiges Auftreten verselbständigter Krankenhausbereiche im Sinne externer Dienstleistung neben der Versorgung der eigentlichen Krankenhauspatienten (z.B. Labordiagnostik).

Nicht eben vereinfacht wird die Situation, wenn das Krankenhaus in der o.g. Struktur Teile der erforderlichen Leistungen im Umfeld stationärer Behandlung von externen Dienstleistern zukauft ([4] zum IT-Outsourcing). Vollends komplex gestalten sich die Prozesse, wenn Patienten zusätzlich unter den Bedingungen z.B. einer “Integrierten Versorgung” (§ 140 b) SGB V) im Rahmen unterschiedlicher krankenkassenspezifischer Verträge behandelt werden.

Bei weitgehenden Modellen im o.g. Sinn gliedert sich das Krankenhaus zunehmend in ein betriebswirtschaftliches und juristisches “Patchwork” mit vielen zusätzlichen Außenverbindungen, das herkömmliche KIS-Strukturen aufgrund fehlender logischer Modelle kaum abbilden können. Während hinsichtlich kaufmännischer Funktionalitäten der Wunsch im Vordergrund steht, immer komplexere Vorgaben hinsichtlich Abrechnung, Rechnungsstellung und Controlling (Fallpauschalen, Komplexpauschalen, Individualverträge, Balanced Score Card usw.) automatisiert mit IT abzubilden, steht im klinischen Bereich dank der vereinfachten Vernetzung nicht mehr die Bereitstellung der Patientendaten, sondern ihre jederzeit rechtskonforme Verarbeitung bei den einzelnen an der Krankenversorgungsprozeßkette beteiligten Einrichtungen im Vordergrund (Berechtigungskonzepte, Datenschutz usw.). Aus medizininformatischer Sicht kommt diese Situation nicht unerwartet [5].

Diskussion und Ergebnisse

Während die vom Gesetzgeber favorisierte transsektorale integrierte Versorgung bei der klassischen Außenkommunikation mit EDV-Standardfunktionalitäten beherrschbar erscheint, erwachsen aus den neuen desintegrativen Ansätzen bei der binnenstrukturellen Readjustierung von Krankenhäusern neue Anforderungen. Deren zeitnah eingeforderte informationstechnologische Abbildung gibt angesichts wahrnehmbarer größenbedingter Immobilisierungseffekte bei Plattformlieferanten insbesondere im Rahmen zentralisierter, ggfs. von Generalunternehmerschaft geprägter KIS-Architekturen Anlaß zur Sorge.

Eine IT-gestützte hinreichend dynamische Umsetzung der neuen Strukturen setzt im wesentlichen drei Maßnahmen voraus:

  • Verstärkte modellbasierte Produktweiterentwicklung auf der Basis internationaler Standards
  • Antizipatorische Definition von Kommunikations- und Abrechnungs-Templates
    Spätestens bei der Bildung von und/oder der Kommunikation zwischen rechtlich selbständigen Strukturen im Krankenhaus kann eine ordnungsgemäße Prozesskette nur auf der Basis verbindlicher vertraglicher Regelungen (services) sichergestellt werden, deren Abschluß die Definition einer akzeptablen, operativ umsetzbaren IT - (Kommunikations-)Struktur vorangehen sollte.
  • Verpflichtung der Generalunternehmer auf kooperative Geschäftsmodelle
    Dieser Aspekt wurde bereits beleuchtet [6] und stellt einen industriepolitischen Lösungsweg für große Anbieter von Plattformlösungen dar, um das am Markt verfügbare Spezial-Knowhow (z.B. im Sinne fachspezifischer Subsysteme) in der geforderten Zeitnähe in das eigene Produktportfolio zu integrieren.

Literatur

1.
Morzinck T, Schneichel W: Computergestützte Dokumentation und Kliniknetzwerke. In: Lauterbach KW, Schrappe M. (Hrsg.): Gesundheitsökonomie, Qualitätsmanagement, Evidence-based Medicine. Stuttgart: Schattauer, 2004, 46-59
2.
Morzinck T, Schneichel W: PDV - KAS-Schnittstelle: ein Bericht aus der Praxis.www.egms.de/en/meetings/gmds2004/04gmds313.shtml (2004)
3.
Blumenbach-Ostermann K: MVZ und Vertragsärzte: Konkurrenz oder Chance? In: Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 51-52, A-3474
4.
Morzinck T, Schonlau H, Schneichel W.: IT-Outsourcing in Großkrankenhäusern. In: Informatik, Biometrie und Epidemiologie in Medizin und Biologie (Band 32) 2-3/2001, 229-230
5.
Morzinck T, Repges R.: Aspekte einer dezentralen DV-Gesamtkonzeption. In: Pöppl SJ, Lipinski HG, Mansky T, Hrsg. Medizinische Informatik - Ein integrierender Teil arztunterstützender Technologien. München: MMV Medizin Verlag 1994, 82 - 84
6.
Schonlau H, Morzinck T: Kooperative Geschäftsmodelle bei KIS-Anbietern . www.egms.de/en/meetings/gmds2004/04gmds310.shtml (2004)
7.
Schonlau H, Morzinck T: Ein modifiziertes Mandantenmodell zur Unterstützung des Insourcings medizinischer Dienstleistungen. In: Informatik, Biometrie und Epidemiologie in Medizin und Biologie (Band 33) 2-3/2002, 369-370