gms | German Medical Science

50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Zusammenhänge zwischen sozio-ökonomischem Status und Koronarkalk in einer bevölkerungsbezogenen epidemiologischen Studie

Meeting Abstract

  • Nico Dragano - Institut für Medizinische Soziologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf
  • A. Stang - Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik, Universität Halle, Halle
  • S. Moebus - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Essen
  • S. Möhlenkamp - Westdeutsches Herzzentrum, Universitätsklinikum Essen, Essen
  • A. Schmermund - Westdeutsches Herzzentrum, Universitätsklinikum Essen, Essen
  • K.-H. Jöckel - Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Essen
  • R. Erbel - Westdeutsches Herzzentrum, Universitätsklinikum Essen, Essen
  • J. Siegrist - Institut für Medizinische Soziologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds195

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/gmds2005/05gmds170.shtml

Published: September 8, 2005

© 2005 Dragano et al.
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Einleitung und Fragestellung

Ein niedriger sozio-ökonomischer Status ist in zahlreichen prospektiven Studien als Risikofaktor für eine koronare Herzkrankheit (KHK) identifiziert worden [1]. Die Zwischenschritte, die vom sozialen Status zu einer organischen Erkrankung führen, sind aber nach wie vor nicht hinreichend bekannt. In diesem Zusammenhang bieten Indikatoren vorklinischer Stadien der KHK, besondere Analysemöglichkeiten.

Für diese Auswertung steht mit der Koronarkalkbestimmung durch die Elektronenstrahltomografie ein solcher Indikator zur Verfügung. Koronarkalk ist ein spezifischer Ausdruck der koronaren Atherosklerose. Diese Arbeit verfolgt zwei Ziele: Erstens soll mit Baseline-Daten einer großen Kohortenstudie geprüft werden, ob sich das Ausmaß an Koronarkalk in verschiedenen sozio-ökonomischen Gruppen unterscheidet. Zweitens soll explorativ untersucht werden, welche intermediären Faktoren den Zusammenhang zwischen sozialer Schicht und Atherosklerose vermitteln.

Material und Methoden

Die Datenbasis stammt aus einer laufenden Prospektivstudie, der Heinz Nixdorf Recall Studie, in die 4814 Männer und Frauen im Alter zwischen 45 und 75 Jahren aus den Städten Essen, Mülheim und Bochum eingeschlossen sind [2]. Während der Basiserhebung wurden zahlreiche Herz-Kreislauf-Risikofaktoren erhoben. Daraus werden folgende Variablen ausgewählt: 1. Kalkscore, bestimmt nach der Agatston Methode [3]; 2. der Sozialschichtindikator Schulbildung (Hauptschule – Realschule – Fachabitur – Abitur); 3. biomedizinische (Cholesterin, HDL, Blutdruck, Triglyceride, Diabetes), verhaltensbedingte (Rauchen, Bewegungsmangel, BMI) und psychosoziale Variablen (Depression, Soziales Netzwerk).

Um den Zusammenhang zwischen Schulbildung und der Höhe des Kalkscores zu quantifizieren, werden für Alter kontrollierte lineare Regressionsmodelle mit dem Kalkscore (logarithmiert: ln[Score+1]) als Outcome berechnet. In einem nächsten Schritt werden die drei Gruppen von potentiellen intermediären Faktoren einbezogen. Es werden jeweils getrennte Modelle berechnet, da eine gleichzeitige Adjustierung aller Variablen die Gefahr von unerwünschten Interaktionen erhöht [4].

Für die Bildung der Auswertungsstichprobe werden alle Probanden mit manifester koronarer Herzkrankheit (n=327) und fehlender Bestimmung des Kalkscores (n=186) ausgeschlossen, so dass letztlich 2037 Männer und 2264 Frauen zur Verfügung stehen. Für die Auswertungen wurde das Statistikpaket SPSS 12.0.1 verwendet. Alle Berechnungen werden für Männer und Frauen getrennt dargestellt, um geschlechtsspezifischen Risikoprofilen Rechnung zu tragen.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Regressionen finden sich in Tabelle 1 [Tab. 1]. Der Zusammenhang zwischen Kalkscore und Schulbildung ist bei Männern ausgeprägter als bei Frauen. Im Vergleich zu Abiturienten weisen Männer mit niedrigeren Abschlüssen höhere Werte auf. Bei den Frauen haben lediglich die Hauptschülerinnen gegenüber Abiturientinnen höhere Werte. Eine Kontrolle für verschiedene biomedizinische Faktoren verringert den Zusammenhang zwischen Schulbildung und Kalk leicht. Eine deutlichere Reduktion ist nach Kontrolle für verhaltensbezogenen Risikofaktoren zu erkennen. Keine nennenswerten Auswirkungen hat die Kontrolle für psychosoziale Belastungen.

Diskussion

Die Ergebnisse legen nahe, dass der Koronarkalkscore bei Probanden mit niedrigerer Schulbildung ausgeprägter ist, als bei Probanden mit höheren Abschlüssen. Dieser Befund ist bereits aus Vorstudien bekannt, allerdings wurde bei den bisherigen Studien nur jeweils sehr kleine und selektive Kollektive untersucht (z.B. [5]). Auffällig ist, dass der Zusammenhang in den hier präsentierten Analysen bei Männern ausgeprägter als bei Frauen. Dieser Unterschied kann mit dem verwendeten Schichtindikator Schulbildung zusammenhängen. Da bei Frauen Haupt- und Volkschulabschlüsse dominieren und die Varianz von Sozialschichtphänomenen innerhalb dieser Gruppe groß ist, kann der Indikator u.U. tatsächliche sozio-ökonomische Unterschiede nur ungenau abbilden. Analysen mit dem Einkommen als Schichtindikator zeigen, dass auch bei Frauen ausgeprägte soziale Ungleichheiten hinsichtlich des Kalkscores bestehen (nicht dargestellt).

Eine Kontrolle des Effekts für verschiedene Risiken, die potentiell als vermittelnde Faktoren in der Beziehung Schicht und koronare Herzkrankheit verstanden werden können, zeigt, dass ein Teil der statistischen Beziehung durch biomedizinische und verhaltensbezogene Risiken beeinflusst wird. Allerdings ist das Verfahren der Adjustierung für Intermediaten, um vermittelte und direkte Effekte zu trennen, problembehaftet und kann zu verzerrten Schätzern führen [4]. Daher sind weitere Analysen mit angemessenen methodischen Ansätzen notwendig, wenn die Frage beantwortet werden soll, wie die statistischen Beziehungen mit einem pathophysiologischen Modell der KHK vereinbar sind.

Danksagung

Der besondere Dank der Autoren gilt der Heinz Nixdorf Stiftung und deren Repräsentanten, für die finanzielle Förderung der Studie.


Literatur

1.
Stansfeld SA, Marmot M (eds.) Stress and the heart. London: BMJ Books, 2002
2.
Schmermund A, Möhlenkamp S, Stang A. Investigative Group. Assessment of clinically silent atherosclerotic disease and established and novel risk factors for predicting myocardial infarction and cardiac death in healthy middle-aged subjects: rationale and design of the Heinz Nixdorf Recall Study. Am Heart J 2002;144:212-218
3.
Agatston AS, Janowitz WR, Hildner FJ et al. Quantification of coronary artery calcium using ultrafast CT. JACC 1990;15: 827-832
4.
Kaufman JS, MacLehose RF, Kaufman S. A further critique of the analytic strategy of adjusting for covariates to identify biologic mediation. Epidemiologic Perspectives & Innovations, 2004; 1:4
5.
Gallo LC, Karen, AM, Kuller, LH . Educational attainment and coronary and aortic calcification in postmenopausal women. Psychosom Med 2001, 63:925-935.