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50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (dae)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie

12. bis 15.09.2005, Freiburg im Breisgau

Zum Nutzen eines bevölkerungsbasierten Registers im Vergleich zu krankenhausbasierten Studien am Beispiel des Augsburger Herzinfarktregisters und der TECH-Studie

Meeting Abstract

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  • Allmut Hörmann - GSF Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Neuherberg

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie. Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. 50. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 12. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie. Freiburg im Breisgau, 12.-15.09.2005. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2005. Doc05gmds449

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/gmds2005/05gmds061.shtml

Published: September 8, 2005

© 2005 Hörmann.
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Einleitung und Fragestellung

Der Technologieeinsatz und seine Veränderungen im Verlauf der letzten Jahre bei der Behandlung des akuten Herzinfarkts stand im Vordergrund der internationalen krankenhausbasierten TECH-Studie. Für Deutschland liegen seit 1985 bevölkerungsbasierte Daten zur Inzidenz von Erstinfarkten und zur Häufigkeit von Reinfakten vor. In welchen Bereichen erscheint es möglich die krankenhausbasierten Daten mit bevölkerungsbasierten Daten zu vergleichen?

Material und Methoden

Das Augsburger Herzinfarktregister wurde als Teilprojekt des WHO MONICA (monitoring of trends and determinants in cardiovascular disease) Projektes 1984 gestartet und wird seit 1996 im Rahmen von KORA (Kooperative Gesundheitsforschung in der Studienregion Augsburg) weitergeführt. Seit dem Jahr 1985 werden die alters- und geschlechtsspezifischen Raten aller akuten Herzinfarktereignisse (tödliche und nichttödliche) pro 100.000 der Bevölkerung von Augsburg und der beiden angrenzenden Landkreise Augsburg und Aichach-Friedberg sowie die 28-Tage Überlebensrate pro 100 Koronarereignisse beobachtet. Damit steht eine Bevölkerung von jeweils etwa 200.000 Frauen und Männern im Alter von 25 bis 75 Jahren unter Beobachtung. Die zeitlichen Veränderungen im Risikofaktorenprofil wurden wiederholt beschrieben [1], [2], [3]. Eine Einverständniserklärung der Patienten mit einem zunächst nichttödlichen Infarkt im Krankenhaus erlaubt ein lebenslanges Follow-Up. Über die tödlichen Infarkte werden der zuletzt behandelnde Arzt und/oder der Leichenschauer zum akuten Ereignis und der kardiovaskulären Anamnese befragt. Seit dem Jahr 2000 wird das Register auch als Datengrundlage für die Gesundheitsberichterstattung des Bundes genutzt (http://www.gbe-bund.de/). Zusätzlich wurden weitere registerbasierte Studien durchgeführt, z.B. um Gesundheitseffekte durch Luftverschmutzung an Herzinfarktpatienten zu studieren [4] oder um einen internationalen Vergleich im Rahmen des Technological Change in Health Care (TECH) Research Network (TECH-Studie) zu ermöglichen.

Die TECH-Studie wurde von einer Gruppe in Stanford initiiert; ein Ziel lag in der quantitativen Auswertung der technologischen Veränderungen bei der Behandlung von Herzinfarkten unter Berücksichtigung ökonomischer und verwaltungstechnischer Faktoren und Auswirkungen auf Behandlungsergebnisse und Ressourcennutzung. Zunächst waren die Länder/Regionen von Alberta, Belgien, England, Finnland, Frankreich, Israel, Japan, Norwegen, Ontario, Perth, Quebec, Schottland, Schweden, Taiwan, USA und Victoria beteiligt. Die Daten wurden mit einem speziellen Fragebogen erhoben. Deutschland ist mit der Region Augsburg als letztes Land durch eine Initiative von (IGES, Hannover) dazugestoßen; es wurden die vorhandenen Daten des Herzinfarktregisters benutzt.

Die Augsburger Zeitreihen wurden den internationalen Vergleichen hinzugefügt.

Ergebnisse

Die Einbringung der Augsburger Daten war durch die unterschiedliche Erhebungsweise erschwert. Bei TECH lagen ICD-Codes für viele verschieden Erkrankungen vor, Im Augsburger Herzinfarktregister gibt es nur drei ICD Codes zur Beschreibung des Koronarereignisses und der Komorbiditäten, alle anderen Codes wurden bereits bei der Datenerfassung in Variable umgesetzt (z.B. Diabetes mellitus). Eine Rücktransformation konnte aus Kostengründen nicht durchgeführt werden.

Insgesamt wurden im Zeitraum 1985-2001 16842 Infarkte registriert (Abb. 1 [Abb. 1]). Prähospitale Krankenhausfälle und Todesfälle im Krankenhaus mit einer Aufenthaltsdauer unter 48 Stunden erlaubten keine vollständige Diagnostik nach den MONICA-Kriterien. Deshalb gab es auch keine systematisch erfasste Information zur Technologienutzung. In den Vergleich wurden daher die Krankenhausfälle mit ICD = ‚410’ und mindestens 24 Stunden Überlebenszeit eingeschlossen. Ausgeschlossen wurden alle Fälle, die einen weiteren Infarkt innerhalb von 365 Tagen erlitten hatten. Insgesamt gingen noch 6523 Fälle in den endgültigen Vergleich ein. Unter Berücksichtigung verschiedener Auswertungsszenarien, lässt sich die Auswirkung einer unterschiedlichen Datenauswahl demonstrieren. So führt die Berücksichtigung aller Fälle mit der MONICA Diagnose „eindeutiger Infarkt“ zu international vergleichbaren Ergebnissen z.B. bei „Tod am ersten Tag“. Werden nur die Fälle mit ICD=410 berücksichtigt - ohne weitere Ausschlusskriterien - so wird durch das Vorhandensein der prähospitalen Todesfälle die Mortalität insgesamt richtig beschrieben, was aber bei krankenhausbasierten Studien wie TECH nicht möglich ist. Am Beispiel der Koronarangioplastie (PTCA) wird die Möglichkeiten im internationalen Vergleich (Abb. 2 [Abb. 2]) sowie aus Registersicht im zeitlichen Verlauf dargestellt (Abb. 3 [Abb. 3]).

Diskussion

Durch die nicht vorhandene Information zur Technologienutzung der früh Verstorbenen und die damit bedingte Datenauswahl aus dem Augsburger Herzinfarktregister, liegt eine Überschätzung der Ergebnisse im internationalen Vergleich bei gleichzeitiger Unterschätzung der Sterblichkeit vor.

International vergleichbare Ansätze erfordern daher bereits im Vorfeld eine sorgfältige Abstimmung der zu berücksichtigenden Kriterien. Nur um „dabei zu sein“ reicht eine zu späte Integration nicht aus. Unterschiedliche Verfahrensweisen sollten bereits im Studiendesign als Anregung für eine optimale Vorgehensweise genutzt werden, um zumindest partielle Vergleichbarkeit zu erzielen. Dann stellen bevölkerungsbasierte Register sicher eine hervorragende Quelle für eine kritische Analyse internationaler Studien dar.

Danksagung

Ohne Hannelore Löwel (EPI, GSF München), Thomas Grobe (IGES, Hannover), Kelly Dunham (Stanford, USA) und dem Herzinfarktregisterteam Augsburg/Neuherberg hätte diese Arbeit nicht durchgeführt werden können


Literatur

1.
Löwel, H., Lewis, M., Hörmann, A., Keil, U.: Case finding, data quality aspects and comparability of myocardial infarction registers: Results of a south German register study. J. Clin Epidemiol 1991; 44 (3): 249-260
2.
Löwel H, Meisinger C, Heier M, Hörmann A, Kuch B, Gostomzyk J, Koenig W. Geschlechtsspezifische Trends von plötzlichem Herztod und akutem Herzinfarkt: Ergebnisse des bevölkerungsbasierten MONICA/KORA-Herzinfarkt-Registers der Region Augsburg 1985 bis 1998. Dtsch Med Wschr 2002; 127: 2311-231
3.
Kuch B, Bolte HD, Hörmann A, Meisinger C, Löwel H. What is the real hospital mortality from acute myocardial infarction? Eur Heart J 2002; 23: 714-20
4.
Peters, A., v. Klot, S., Heier, M., Trentinaglia, I. Hörmann, A., Wichmann, H.E., Löwel, H.: Exposure to Traffic and the Onset of Myocardial Infarction. N. Engl. J. Med. 2004, 351, 1721-1730