gms | German Medical Science

49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
19. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI)
Jahrestagung 2004 des Arbeitskreises Medizinische Informatik (ÖAKMI)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI)

26. bis 30.09.2004, Innsbruck/Tirol

Untersuchung gerichteter dynamischer Interaktionen in zeitlich hochaufgelösten fMRT-Signalen auf der Basis der adaptiven Granger Kausalität

Meeting Abstract (gmds2004)

Search Medline for

  • corresponding author presenting/speaker Wolfram Hesse - Universität Jena, Jena, Deutschland
  • T. Wüstenberg - Humboldt-Universität, Berlin, Deutschland
  • H. Witte - Universität Jena, Jena, Deutschland

Kooperative Versorgung - Vernetzte Forschung - Ubiquitäre Information. 49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 19. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI) und Jahrestagung 2004 des Arbeitskreises Medizinische Informatik (ÖAKMI) der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG) und der Österreichischen Gesellschaft für Biomedizinische Technik (ÖGBMT). Innsbruck, 26.-30.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04gmds095

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/gmds2004/04gmds095.shtml

Published: September 14, 2004

© 2004 Hesse et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution License (http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.en). You are free: to Share – to copy, distribute and transmit the work, provided the original author and source are credited.


Outline

Text

Einleitung

Die Entwicklungen auf dem Gebiet der bildgebenden Verfahren, wie z.B. der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT), haben in den letzten 15 Jahren die neurowissenschaftliche Forschung revolutioniert.

Basierend auf dem von Ogawa et al. [1] entdeckten hämodynamischen Effekt des Blood Oxigen Level Depend (BOLD) kann neuronale Aktivität aufgrund der damit verbundenen lokalen Modulation des Blutsauerstoffes örtlich und zeitlich aufgelöst abgebildet werden. Die Identifikation kortikaler Netzwerke über parametrische (GLM, etc.) [2] und nichtparametrische (CC, ICA, etc.) [3] statistische Verfahren stand dabei bisher im Zentrum der meisten Arbeiten. Parallel zu diesem Lokalisierungsanspruch gibt es verschiedene Ansätze zur Beschreibung der Beziehungen zwischen den aktiven Arealen (effektive und funktionelle Konnektivität). Die in diesem Kontext angewandten Methoden reichen von spektralanalytischen Verfahren über lineare Strukturgleichungsmodelle und Volterra Kernel Analysen bis hin zum Dynamic causal modelling [4] oder autoregressiven Verfahren [5]. Aufgrund technischer, methodischer und physiologischer Gründe sind diesen Untersuchungen jedoch Grenzen gesetzt. Insbesondere die relativ geringe zeitliche Auflösung (ca. 0.5 Hz) und geringe Sensitivität (Effektstärke bei 1.5 Tesla ca. 0.04) des fMRT bilden eine wesentliche Limitation. Deshalb handelt es sich bei allen genannten Methoden um zeitinvariate Verfahren.

In der vorliegenden Arbeit wird ein zeitvarianter Lösungsansatz zur Erweiterung der methodischen Möglichkeiten bei der Untersuchung von Interaktionen in BOLD-Datensätzen vorgestellt. Die Kombination zeitlich hochaufgelöster fMRT (5 Hz) und der adaptiven Granger Kausalität ist die zentrale Idee dieses Ansatzes. Die Granger Kausalität ist eine Methode zur Untersuchung von Interaktionen zwischen Komponenten eines mehrdimensionalen Signals. Im Unterschied zu Zusammenhangsanalysen, wie z.B. Kohärenz- oder Korrelationsanalysen, gestattet sie die Bestimmung der Richtung der Interaktionen. Grundlage der Granger Kausalität ist das Vorhersagbarkeitskonzept, welches beinhaltet, dass ein kausaler Einfluss eines Signales X auf ein Signal Y vorliegt, wenn die Kenntnis der Vergangenheit beider Signale X und Y das Signal Y besser vorhersagt als wenn nur die Vergangenheit von Y allein betrachtet wird. Die Vorhersagbarkeit wird dabei durch den Vorhersagefehler angepasster autoregressiver (AR-) Prozesse quantifiziert. Durch adaptive Filterung mittels eines verwendeten RLS-Algorithmus [6] lassen sich die AR Parameter sowie der Vorhersagefehler zeitvariant schätzen, die die Realisierung der adaptiven Granger Kausalität ermöglichen. Durch diese Größe lässt sich die Dynamik gerichteter Interaktionen innerhalb eines mehrdimensionalen Signals charakterisieren. Im EEG wurde der Nachweis für die Anwendbarkeit der adaptiven Granger Kausalität erbracht [7]. Ziel der vorgelegten Studie war eine Untersuchung der Anwendbarkeit dieser Größe auf fMRT-Daten.

Methoden

8 Versuchspersonen (Rechtshänder, weiblich, Alter 24 ± 3,2 Jahre) wurden mit einem motorischen Paradigma (self paced finger tapping) im Rahmen einer fMRT-Studie untersucht. Unter Nutzung einer BOLD-sensitiven Gradienten Echo EPI Sequenz wurden in den im Kontext der experimentellen Aufgabe relevanten Arealen des cerebralen Kortex (primärer Motorkortex (M1), supplementär motorischer Kortex (SMA), präsupplementär motorischer Kortex (preSMA), somatosensorischer Kortex (S1)) die hämodynamischen Antworten auf Fingerbewegungen gemessen. Mit einer räumlichen Auflösung von (3x3x10) mm3 und einer Frequenz von 5 Hz wurden 16000 repetitive Aufnahmen einer einzelnen Hirnschicht realisiert. Nach der Eliminierung von Bewegungsartefakten und physiologischer Störgrößen (Bandpassfilterung: Atmung (fon/foff=0.2/0.4 Hz), Herzschlag (fon/foff=0.8/1.2 Hz)) wurden die MR Daten räumlich geglättet (Gauß-Kernel, FWHM = 6 mm) und aktive Areale mit Hilfe des Allgemeinen linearen Modells identifiziert (SPM99 [3]). Unter kombinierter Nutzung des resultierenden Aktivitätsmaps und eines anatomischen Referenzbildes erfolgte die Auswahl der für die weitere Analyse relevanten Voxel. Nach der Segmentierung der entsprechenden Voxel-Zeitreihen in Einzeltrails (181 time bins pro Trail) wurden bivariate (zweidimensionale) adaptive Granger Kausalitäts Analysen für Paare der oben erwähnten Kortexregionen durchgeführt. Die Grundlage für die Berechnung der adaptiven Granger Kausalität bildeten zeitvariante AR-Modelle der Ordnung 10.

Ergebnisse

Die Anwendbarkeit der adaptiven Granger Kausalität auf zeitlich hochaufgelöste fMRT-Daten konnte nachgewiesen werden. In Abbildung 1 [Abb. 1] sind die Ergebnisse der Kausalitätsanalyse für eine Versuchsperson dargestellt. Einzelzellableitungen und EEG-Messungen lassen folgende funktionelle Zusammenhänge zwischen den untersuchten motorischen Arealen vermuten:

preSMA → SMA ←→ M1

(1) Die Ergebnisse der Untersuchung bestätigen die vermutete Interaktionsrichtung zwischen preSMA und SMA.

(2) Es konnte eine bidirektionale Interaktion zwischen SMA und M1 nachgewiesen werden. Dabei erscheint die Rückkopplungskomponente M1 → SMA mit einem zeitlichen Delay von ca. 3 Sekunden.

(3) Zwischen preSMA und M1 entwickelt sich eine der Interaktion zwischen preSMA und SMA vergleichbare zeitliche Dynamik.

(4) PreSMA und S1 zeigen eine starke bidirektionale Granger Kausalität.

(5) S1 entwickelt eine starke in Richtung SMA gerichtete Interaktion.

Diskussion

Mit der adaptiven Granger Kausalität ist es möglich, gerichtete Interaktionen in fMRT-Signalen zu untersuchen. Dabei konnten im Rahmen eines motorischen Experimentes die Ergebnisse elektrophysiologischer Studien bestätigt werden. Bereits die Lösung einer einfachen motorischen Aufgabe erzeugt dabei in den involvierten Kortexarealen, ein relativ komplexes neuronales Steuer- und Regelverhalten. Die in der hier dargestellten Studie genutzte bivariate Version des Berechnungsalgorithmus beschränkt sich auf die Betrachtung von zwei Komponenten innerhalb eines mehrdimensionalen fMRT-Signals. Für weitere Untersuchungen ist es jedoch notwendig, den Einfluss aller Signalkomponenten zu berücksichtigen, um direkte Interaktionen von induzierten (z.B. preSMA → M1, über SMA) bzw. von falsch detektierten zu unterscheiden. Dieses Problem ist nur durch die Erweiterung der Methode in Richtung multivariater Analysen lösbar. Eine weitere wesentlich mit der Interpretierbarkeit der Kausalitätszeitreihen verbundene Fragestellung ist die Korrektur der Ruheinteraktionen zwischen den untersuchten Hirnarealen respektive die Auswahl eines geeigneten Baselineniveaus.


Literatur

1.
Ogawa S, Lee TM, Kay AR, Tank DW. Brain magnetic resonance imaging with contrast dependent on blood oxygenation. Proc.Natl.Acad.Sci.U.S.A. 1990; 87: 9868-9872
2.
Friston KJ, Holmes AP, Worsley KPPJB, Frith CD, Frackowiack RSJ. Statistical parametric maps in functional imaging: a general linear approach. Human Brain Mapping 1995; 2: 189-210
3.
Esposito F, Seifritz E, Formisano E, Morrone R, Scarabino T, Tedeschi G, Cirillo S, Goebel R, Di Salle F. Real-time independent component analysis of fMRI time-series. Neuroimage 2003; 4: 2209-24.
4.
Friston KJ. Dynamic causal modelling. Neuroimage 2003; 4: 1273-302.
5.
Harrison L, Penny WD, Friston KJ. Multivariate autoregressive modeling of fMRI time series. Neuroimage 2003; 4: 1477-91.
6.
Möller E, Schack B, Arnold M, Witte H. Instantaneous multivariate EEG coherence analysis by means of adaptive high-dimensional autoregressive models. J Neurosci Methods 2001; 105: 143-158
7.
Hesse W, Möller E, Arnold M, Schack B. The use of time-variant EEG Granger causality for inspecting directed interdependencies of neural assemblies. J Neurosci Methods 2003; 124(1): 27-44.