gms | German Medical Science

49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
19. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI)
Jahrestagung 2004 des Arbeitskreises Medizinische Informatik (ÖAKMI)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI)

26. bis 30.09.2004, Innsbruck/Tirol

Kombination von elektronischer Verordnung und elektronischer Medikamentendistribution: Erfahrungen aus einem Akut-Spital

Meeting Abstract (gmds2004)

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Kooperative Versorgung - Vernetzte Forschung - Ubiquitäre Information. 49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 19. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI) und Jahrestagung 2004 des Arbeitskreises Medizinische Informatik (ÖAKMI) der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG) und der Österreichischen Gesellschaft für Biomedizinische Technik (ÖGBMT). Innsbruck, 26.-30.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04gmds056

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/gmds2004/04gmds056.shtml

Published: September 14, 2004

© 2004 Oertle.
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Text

Einleitung

Die elektronische Abbildung des Medikationsprozesses in einem Kliniksystem hat aus mehreren Gründen einen hohen Stellenwert. Obwohl die elektronische Verordnung (Computerized Physician Order Entry CPOE) wohl das effektivste Instrument zur Reduktion von Medikationsfehlern darstellt [1] und schon seit Jahren verfügbar ist, wird sie weder in den USA noch in Europa in der Mehrzahl der Spitäler praktiziert [2]. Noch weniger Erfahrungen bestehen mit der automatisierten Medikamentendistribution, obwohl einzelne Studien auch hier eine Reduktion von Medikationsfehlern [3], [4] aufzeigen. An unserer 210-Betten-Klinik wurde ab 2002 auf einer Pilot-Station die elektronische Verordnung an ein automatisiertes Medikamentendistributionssystem gekoppelt, welches im Jahr zuvor (2001) stand-alone eingeführt wurde. Die Erfahrungen beim Aufbau und gut 1.5-jährigen Betrieb des Systems werden dargelegt.

Methoden

Basierend auf den Möglichkeiten des kommerziellen Klinikinformationssytems (Phoenix™ , Parametrix AG, Schweiz) wurde die elektronische, ärztliche Verordnung auf einer chirurgischen 28-Betten-Station unserer Akut-Klinik eingeführt. Die stationsweite Verfügbarkeit der Daten wurde über eine Funk-LAN sichergestellt. Begleitend wurde das zuvor eigenständig laufende, automatisierte Medikamentendistributionssytem (Pyxis™, Cardinal Health, CA U.S.A.) mittels Middleware und HL-7 Schnittstelle konnektiert. Dabei wurden sowohl Verordnungen aus dem Kliniksystem, als auch Notfall-Entnahmen (Medikamente ohne Verordnung) aus dem Distributionssystem auf beiden Systemen dokumentiert und verwaltet.

Vor der Einführung der elektronischen Verordnung wurde anhand von 942 konsekutiven schriftlichen Verordnungen die Verordnungsqualität analysiert. Die Arbeitszeiten der beteiligten Personalgruppen wurden durch externe, unabhängige Pharmazeuten untersucht; begleitend wurden die Mitarbeiter mittels Fragebogen über Zufriedenheit, Akzeptanz, subjektive und objektive Einschätzung der aktuellen Situation vor und nach der Einführung des Systems befragt. Eine Kostenanalyse der verbrauchten Medikamente wurde über einen Zeitraum von 3 Jahren verglichen mit früheren Erhebungen derselben Abteilung sowie mit anderen chirurgischen Abteilungen des Spitals mit ähnlichem Patientengut.

Ergebnisse

Vor Einführung der CPOE wurden von 942 konsekutiven, schriftlichen, Verordnungen 177 (18.8%) als ungenau und 10 (1%) als falsch analysiert. Die große Mehrheit (78/177) der ungenauen Verordnungen basierte auf fehlenden Angaben über die Einheit oder Konzentration eines verordneten Medikamentes. Bei den falschen Verordnungen waren falsche Indikationen, bekannte Allergien und falsche galenische Formen die häufigsten Ursachen.

Die Medikamentenkosten der Pilotstation sanken um 4% im ersten Jahr (gegenüber 12% Senkung bei allen anderen Stationen) und um 18% im zweiten Jahr (gegenüber einer Steigerung von 13% bei allen anderen Stationen). Die Medikamentenkosten pro Patient sanken im Zweijahresdurchschnitt um 218€ pro Patient [5].

Die Arbeitszeit des Pflegepersonals bezüglich Medikamenten-assoziierter- Verrichtungen sank deutlich, allerdings führte das System beim Pharmazie-Personal fast zu einer Verdoppelung des diesbezüglichen Arbeitsaufwands [6].

Die Zufriedenheit und Akzeptanz beim ärztlichen und pflegerischen Personal war groß; auch das Pharmazie-Personal erlebte die Umstellung als qualitative und auch arbeitstechnische Verbesserung.

Diskussion

Im Medikationsprozess gibt es viele Teilprozesse, die einer qualitativen Optimierung zugänglich sind. Die häufigsten Fehler im Medikationsprozess ereignen sich bei der Verordnung per se (39-49%) und bei der Verabreichung der Medikamente (26-38%), während Bereitstellungs- und Dokumentationsfehler in je 11-13% vorkommen [7]. Lösungsansätze zur Verbesserung der Fehlerrate bieten neben der elektronischen Verordnung unter anderen auch die verbesserte Präsentation von Medikamenteninformationen, Interaktionsprüfungen, zentrale Zubereitung z.b. von Zytostatika oder Infusionen, automatisierte Medikamentendistribution, die kontrollierte Abgabe von Einzeldosen (unit-dose-System) und z.b. auch Barcode-kontrollierte Medikamentenabgaben.

Das bei uns getestete Kombinationssystem von elektronsicher Verordnung und elektronisch kontrollierter, automatisierter Medikamentendistribution führt zu einer potentiellen Fehlerreduktion in zwei der anfälligsten Teilprozessen der Medikationskette (Verschreibung, Bereitstellung und Dokumentation). Auf Kostenseite scheint sich eine eindrückliche Reduktion der Medikamentenkosten abzuzeichnen, die wir in erster Linie auf die verbesserte Verordnungsqualität, das Einhalten der hausintern verfügbaren Medikamente und die lückenlose Dokumentation bzw. Abrechnung der verabreichten Medikamente zurückführen. Nicht unrelevant im heutigen sozioökonomischen Umfeld der Spitäler, kann auch die Arbeitlast des Pflegepersonals im Bereich des Medikationsprozesses deutlich reduziert werden.

Das im Einsatz stehende System bewährt sich in unserem Umfeld eines Akut-Spitals und kann im lebhaften Alltag komplikationslos betrieben werden. Ob die Kostenreduktion in den folgenden Jahren bestätigt wird und ob sich die vermutete Reduktion von Fehlern im Medikationsprozess positiv auf Mortalität/Hospitalisationsdauer bei Patienten und auf die Kosten, die Medikationsfehler auslösen, auswirken, muss noch gezeigt werden.


Literatur

1.
Bates D, Teich J, Lee j, Seger D et al. The Impact of Computerized Physician Order Entry on Medication Error Prevention. JAMIA 1999; 6:313-321
2.
Santell JP, Hicks RW, McMeekin J, Cousins DD. Medication errors: experience of the United States Pharmacopeia (USP) MEDMARX reporting system. J Clin Pharmacol. 2003 Jul; 43(7): 760-7.
3.
Borel J, Rascati K. Effect of automated, nursing unit-based drug-dispensing device on medication errors. Am J Health-Syst Pharm 1995; 52: 1875-9.
4.
Schwarz H, Brodowy B. Implementation and evaluation of an automated dispensing system. Am J Health-Syst Pharm 1995; 52: 823-8.
5.
Hufschmid E, Oertle M, Lanker B. Potential benefits of an automated medication distribution system combined with computerized physician order entry. Eur J Hosp Pharm 2003 Mar; 6: 26-30
6.
Lanz C. Pilotprojekt: Medikamentenmanagement System Galenica im Regionalspital Thun. Oct 2001; 1-23
7.
Mekhjian HS, Kumar FR, Kuehn L, Bentley TD, Teater P, Thomas A et al. Immediate Benefits Realized Following Implementation of Physician Order Entry at an Academic Medical Center. JAMIA 2002; 9:529-539
8.
Santell JP, Hicks RW, McMeekin J, Cousins DD. Medication errors: experience of the United States Pharmacopeia (USP) MEDMARX reporting system. J Clin Pharmacol. 2003 Jul; 43(7): 760-7.